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Verwerfungsurteil § 74 Abs. 2 OWiG – Ladungsmangel – Anforderungen an Verfahrensrüge

Eine Frau zog in die Türkei und verließ sich darauf, dass die türkischen Behörden ihren Umzug nach Deutschland melden würden. Doch die Ladung zu ihrer Gerichtsverhandlung wegen Geschwindigkeitsüberschreitung landete im Briefkasten ihrer Eltern – mit fatalen Folgen. Das Kammergericht Berlin bestätigte nun die Verwerfung ihres Einspruchs und verurteilte sie zu einem Bußgeld und Fahrverbot.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Kammergericht Berlin
  • Datum: 20.11.2024
  • Aktenzeichen: 3 ORbs 192/24 – 122 SsBs 38/24
  • Verfahrensart: Rechtsbeschwerdeverfahren
  • Rechtsbereiche: Ordnungswidrigkeitenrecht, Strafprozessrecht

Beteiligte Parteien:

  • Betroffene: Person, die eines Bußgeldbescheids wegen Geschwindigkeitsüberschreitung angefochten hat und sich gegen die Verwerfung ihres Einspruchs wehrte. Die Betroffene argumentierte, dass die Ladung zur Hauptverhandlung unwirksam war, da sie unter einer inzwischen nicht mehr aktuellen Adresse zugestellt wurde.
  • Verteidiger der Betroffenen: Reichte Einspruch und später Rechtsbeschwerde ein und führte an, dass die Ladung unwirksam gewesen sei, da die Betroffene nicht mehr an der Ladungsadresse wohnhaft war.
  • Amtsgericht Tiergarten: Ursprüngliches Gericht, das den Einspruch der Betroffenen verworfen hat.

Um was ging es?

  • Sachverhalt: Die Betroffene legte gegen einen Bußgeldbescheid über Geschwindigkeitsüberschreitung Einspruch ein. Eine Hauptverhandlung wurde anberaumt, jedoch blieb die Betroffene der Verhandlung fern, weil die Ladung angeblich an eine nicht mehr gültige Adresse zugestellt wurde.
  • Kern des Rechtsstreits: Ob die Ladung zur Hauptverhandlung ordnungsgemäß erfolgt ist, und die Frage, ob der Einspruch der Betroffenen zu Recht vom Amtsgericht wegen Ausbleibens verworfen wurde.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Die Rechtsbeschwerde wurde als unbegründet verworfen.
  • Begründung: Der Vortrag der Betroffenen erfüllte nicht die notwendigen formalen Anforderungen an eine Verfahrensrüge, da wesentliche Details zur möglichen Heilung des Ladungsmangels und zur Teilnahmewilligkeit nicht vorgebracht wurden. Auch die behauptete Zusage der ausländischen Behörden befreite nicht von der Einhaltung der deutschen Melde- und Zustellungsvorschriften.
  • Folgen: Die Betroffene muss die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen. Das Urteil des Amtsgerichts blieb somit bestehen.

Verfahrensfehler im Ordnungswidrigkeitenrecht: Konsequenzen für die Verteidigung

Das Ordnungswidrigkeitenrecht (OWiG) bildet einen wichtigen Bereich des Verwaltungsrechts, in dem Verfahrensfehler erhebliche rechtliche Konsequenzen haben können. Dabei spielen formale Aspekte wie die korrekte Zustellung und Anhörung eine entscheidende Rolle für die Wahrung der Verteidigungsrechte des Betroffenen.

Ladungsmängel im Ordnungswidrigkeitenverfahren können weitreichende juristische Folgen auslösen und stellen hohe Anforderungen an die Verfahrensrüge. Gerichte prüfen dabei sorgfältig, ob alle rechtlichen Formvorschriften eingehalten wurden und ob dem Betroffenen sein Rechtliches Gehör gewährt wurde. Im Folgenden wird ein konkreter Fall beleuchtet, der die komplexen Rechtsfragen im Zusammenhang mit einem Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG näher betrachtet.

Der Fall vor Gericht


Meldepflichten trotz Auslandsumzug: Gericht verwirft Einspruch gegen Bußgeldbescheid

Frau mit Jeans und Pullover steht vor einem Briefkasten an einem roten Backsteinhaus in Deutschland.
Verwerfung des Einspruchs wegen Ladungsmangel im OWiG | Symbolfoto: Ideogram gen.

Die Betroffene wurde wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung von der Polizei Berlin zu einem Bußgeld und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt. Nach ihrem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid setzte das Amtsgericht Tiergarten eine Hauptverhandlung für den 17. Mai 2024 an. Zu dieser Verhandlung erschien weder die Betroffene noch ihr Verteidiger, woraufhin das Gericht den Einspruch verwarf.

Streit um ordnungsgemäße Zustellung der Gerichtsladung

Der Streitpunkt drehte sich um die Frage der korrekten Zustellung der Gerichtsladung. Der Postzusteller hatte die Ladung am 3. Mai 2024 in den Briefkasten an der dem Gericht bekannten Anschrift eingeworfen. Kurz vor Verhandlungsbeginn informierte der Verteidiger das Gericht, dass seine Mandantin dort nicht mehr wohnhaft sei. Der Name „B.“ sei nur deshalb noch am Briefkasten, weil die dort weiterhin wohnhaften Eltern der Betroffenen den gleichen Familiennamen führten.

Nachträgliche Begründung des Auslandsaufenthalts

In der Rechtsmittelführung legte die Betroffene durch eine eidesstattliche Versicherung ihrer Mutter dar, dass sie bereits am 22. Dezember 2023 ausgezogen und in die Türkei verzogen sei. Die türkischen Behörden hätten ihr bei der Anmeldung zugesichert, die deutschen Behörden über ihren Umzug zu informieren. Zum Nachweis wurden Lohn- und Meldebescheinigungen sowie ein Kontoauszug in türkischer Sprache vorgelegt.

Kammergericht Berlin bestätigt Verwerfung des Einspruchs

Das Kammergericht Berlin verwarf die Rechtsbeschwerde als unbegründet. In seiner Begründung führte das Gericht aus, dass der Vortrag der Rechtsmittelführerin unzureichend sei. Bei einer behaupteten nicht ordnungsgemäßen Ladung müssten die genauen Umstände dargelegt werden, die eine Teilnahme an der Hauptverhandlung unmöglich gemacht haben. Insbesondere fehle ein Vortrag zur möglichen Heilung des Ladungsmangels, etwa durch tatsächliche Übermittlung der Ladung durch die Eltern. Auch habe die Betroffene nicht dargelegt, ob sie nach ihrem Umzug einen Zustellungsbevollmächtigten bestimmt hatte. Das Gericht bemängelte zudem das Fehlen eines Vortrags zur grundsätzlichen Teilnahmewilligkeit der Betroffenen an der Hauptverhandlung. Die Zusicherung der türkischen Behörden zur Mitteilung an deutsche Stellen sei unerheblich, da für die wirksame Ladung nicht die Meldeverhältnisse maßgeblich seien.

Das Kammergericht wies darauf hin, dass die Betroffene beim Wegzug hätte wissen müssen, dass noch eine Hauptverhandlung über ihren Einspruch anstand. Sie hätte daher Vorkehrungen für zukünftige Zustellungen treffen müssen. Die Betroffene muss die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels tragen.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil verdeutlicht, dass bei einer behaupteten nicht ordnungsgemäßen Ladung sehr konkret dargelegt werden muss, warum die Ladung nicht zugegangen ist und weshalb eine Teilnahme an der Hauptverhandlung unmöglich war. Wurde die Ladung in den Briefkasten an der dem Gericht bekannten Adresse eingeworfen, reicht die bloße Behauptung eines Umzugs nicht aus. Es müssen besondere Umstände vorgetragen werden, die eine Heilung des Ladungsmangels ausschließen. Besonders wichtig ist dies, wenn der Betroffene seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt hat – hier muss auch dargelegt werden, dass überhaupt die Absicht bestand, zur Verhandlung zu erscheinen.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie umziehen, insbesondere ins Ausland, müssen Sie dem Gericht Ihre neue Adresse aktiv mitteilen – ein Verlassen sich auf Behördenmitteilungen genügt nicht. Bei Ladungen an Ihre alte Adresse, wo noch Familienangehörige wohnen, wird grundsätzlich von einem wirksamen Zugang ausgegangen. Wollen Sie sich darauf berufen, eine Ladung nicht erhalten zu haben, müssen Sie sehr genau darlegen, warum Sie keine Kenntnis vom Termin hatten und auch keine Möglichkeit bestand, davon zu erfahren. Zudem sollten Sie nachweisen können, dass Sie grundsätzlich bereit waren, an der Verhandlung teilzunehmen.

Benötigen Sie Hilfe?

Rechtliche Schwierigkeiten nach einem Umzug?

Ein Umzug, besonders ins Ausland, bringt viele Veränderungen mit sich. Dabei kann es schnell passieren, dass wichtige Fristen oder Termine übersehen werden – mitunter mit schwerwiegenden Folgen. Gerade im Bereich des Verkehrsrechts ist es wichtig, dass Zustellungen und Ladungen Sie auch an Ihrem neuen Wohnort erreichen.

Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Rechte zu wahren und helfen Ihnen, die notwendigen Schritte einzuleiten, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden. Sprechen Sie uns an und lassen Sie uns gemeinsam eine individuelle Lösung für Ihre Situation finden.

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FAQ - Häufig gestellte Fragen

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was muss ich bei einem Umzug ins Ausland während eines laufenden Bußgeldverfahrens beachten?

Bei einem Umzug ins Ausland während eines laufenden Bußgeldverfahrens müssen Sie sich innerhalb von zwei Wochen nach dem Auszug bei der Meldebehörde abmelden.

Meldepflichten gegenüber Behörden

Die Abmeldung beim Einwohnermeldeamt ist verpflichtend. Ein Verstoß gegen diese Meldepflicht stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einem Bußgeld bis zu 1.000 Euro geahndet werden.

Bei einem laufenden Bußgeldverfahren müssen Sie der zuständigen Verwaltungsbehörde Ihre neue Auslandsadresse mitteilen. Die Änderung des Wohnsitzes nach Einleitung des Bußgeldverfahrens schafft eine zusätzliche Verfolgungszuständigkeit.

Auswirkungen auf das Verfahren

Das laufende Bußgeldverfahren wird durch Ihren Umzug ins Ausland nicht automatisch beendet. Die bereits bestehende Zuständigkeit der bisherigen Behörde bleibt bestehen.

Wenn Sie zu einer Hauptverhandlung geladen werden, müssen Sie grundsätzlich persönlich erscheinen. Eine Entbindung von der Erscheinenspflicht kann beim Gericht beantragt werden.

Vollstreckung im Ausland

Innerhalb der EU können Bußgelder ab 70 Euro (inklusive Gebühren) grenzüberschreitend vollstreckt werden. Die Vollstreckung erfolgt durch das Bundesamt für Justiz.

Wichtig für die Zustellung: Behördliche Schreiben müssen in einer für Sie verständlichen Sprache verfasst sein. Ein Bußgeldbescheid aus anderen EU-Staaten muss innerhalb von 11 Monaten zugestellt werden.


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Wie kann ich nachweisen, dass ich eine gerichtliche Ladung nicht erhalten habe?

Die Beweislast für den Zugang einer Ladung liegt grundsätzlich bei der Behörde oder dem Gericht. Wenn Sie eine Ladung nicht erhalten haben, reicht es aus, den Zugang einfach zu bestreiten, da es sich um eine negative Tatsache handelt, die nicht positiv bewiesen werden kann.

Dokumentation der Nichtzustellung

Bei einer bestrittenen Zustellung müssen Sie folgende Punkte beachten:

  • Unverzügliche Mitteilung an das Gericht, sobald Sie von einem verpassten Termin erfahren
  • Glaubhafte Darlegung der Umstände, die gegen einen Zugang sprechen
  • Dokumentation Ihrer üblichen Postbearbeitung, um die Unwahrscheinlichkeit eines Zugangs zu untermauern

Anforderungen an die Behörde

Die Behörde muss für eine wirksame Ladung nachweisen:

  • Die ordnungsgemäße Absendung der Ladung
  • Den tatsächlichen Zugang beim Empfänger
  • Die korrekte Adressierung und Zustellungsform

Rechtliche Folgen

Kann die Behörde den Zugang der Ladung nicht zweifelsfrei nachweisen, darf ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG nicht ergehen. Ein dennoch ergangenes Verwerfungsurteil kann mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden.

Bei einer behaupteten Nichtzustellung ist es wichtig, dass Sie nicht untätig bleiben. Sobald Sie von einem versäumten Termin Kenntnis erlangen, sollten Sie das Gericht kontaktieren und die fehlende Ladung geltend machen. Die bloße Behauptung der Nichtzustellung genügt, die Behörde muss dann den Gegenbeweis erbringen.


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Welche Folgen hat das Nichterscheinen zur Hauptverhandlung im Bußgeldverfahren?

Im Bußgeldverfahren besteht grundsätzlich die Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung. Wenn Sie dieser Pflicht nicht nachkommen, ergeben sich unterschiedliche Konsequenzen, je nachdem ob Sie von der Erscheinenspflicht entbunden wurden oder nicht.

Nichterscheinen ohne Entbindung

Wenn Sie ohne genügende Entschuldigung der Hauptverhandlung fernbleiben, obwohl Sie nicht von der Erscheinenspflicht entbunden wurden, verwirft das Gericht Ihren Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ohne Verhandlung zur Sache durch Urteil. Dies bedeutet, dass der ursprüngliche Bußgeldbescheid rechtskräftig wird.

Möglichkeit der Entbindung

Sie können auf Antrag von der Erscheinenspflicht entbunden werden, wenn Sie:

  • sich bereits zur Sache geäußert haben oder
  • eindeutig erklärt haben, dass Sie sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werden

Zusätzlich darf Ihre Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich sein.

Verhandlung bei entschuldigtem Fernbleiben

Wenn Sie aus wichtigen Gründen verhindert sind (etwa wegen Krankheit) und dies dem Gericht rechtzeitig mitteilen, darf weder ein Verwerfungsurteil ergehen noch die Hauptverhandlung in Ihrer Abwesenheit durchgeführt werden. In diesem Fall muss das Gericht einen neuen Termin anberaumen.

Rechtsmittel gegen Verwerfungsurteil

Nach einem Verwerfungsurteil wegen Nichterscheinens können Sie binnen einer Woche nach Zustellung des Urteils die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen. Dies setzt voraus, dass Sie ohne Verschulden verhindert waren, zum Termin zu erscheinen.


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Was bedeutet die Verwerfung eines Einspruchs und wie kann ich dagegen vorgehen?

Ein Verwerfungsurteil ergeht, wenn Sie nach einem Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid nicht zur Hauptverhandlung erscheinen, obwohl Sie zum persönlichen Erscheinen verpflichtet waren und keine ausreichende Entschuldigung vorliegt. Mit der Verwerfung wird der ursprüngliche Bußgeldbescheid sofort rechtskräftig.

Voraussetzungen für ein Verwerfungsurteil

Das Gericht darf Ihren Einspruch nur verwerfen, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

  • Sie wurden ordnungsgemäß zur Hauptverhandlung geladen
  • Das persönliche Erscheinen wurde angeordnet
  • Sie wurden nicht von der Anwesenheitspflicht entbunden
  • Es liegt keine genügende Entschuldigung für Ihr Fernbleiben vor

Möglichkeiten gegen ein Verwerfungsurteil vorzugehen

Wenn ein Verwerfungsurteil gegen Sie ergangen ist, haben Sie zwei Möglichkeiten:

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Sie können binnen einer Woche nach Zustellung des Urteils Wiedereinsetzung beantragen. Dafür müssen Sie nachweisen, dass Sie unverschuldet an der Teilnahme gehindert waren.

Rechtsbeschwerde: Diese können Sie einlegen, wenn die Verwerfung rechtsfehlerhaft war. Die Rechtsbeschwerde muss sich auf Verfahrensfehler stützen, etwa eine fehlerhafte Ladung oder die Nichtberücksichtigung von Entschuldigungsgründen.

Wichtige Hinweise zur Rechtsbeschwerde

Bei einer Rechtsbeschwerde gegen ein Verwerfungsurteil müssen Sie beachten:

Die Beschwerde muss konkret darlegen, warum die Verwerfung rechtswidrig war. Bei Krankheit als Entschuldigungsgrund müssen Sie die Art der Erkrankung und die konkreten Beeinträchtigungen zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung genau beschreiben.

Das Gericht muss in seinem Verwerfungsurteil auf mögliche Entschuldigungsgründe eingehen. Wurde ein Antrag auf Terminsverlegung nicht berücksichtigt oder wurden vorgebrachte Entschuldigungsgründe nicht geprüft, kann dies zur Aufhebung des Verwerfungsurteils führen.


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Wer kann als Zustellungsbevollmächtigter benannt werden und welche Aufgaben hat diese Person?

Mögliche Zustellungsbevollmächtigte

Als Zustellungsbevollmächtigter kann grundsätzlich jede natürliche oder juristische Person benannt werden. Die Person muss allerdings ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Bei juristischen Personen muss sich der Sitz der Hauptniederlassung in Deutschland befinden.

Typische Zustellungsbevollmächtigte sind:

  • Rechtsanwälte und Notare
  • Beamte der Geschäftsstelle des zuständigen Amtsgerichts
  • Vertreter von Automobilverbänden
  • Verwandte oder Bekannte
  • Sonstige geeignete Personen mit Inlandswohnsitz

Voraussetzungen für die Bestellung

Die Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten erfordert zwei wesentliche Elemente:

Der Zustellungsbevollmächtigte muss mit seiner Bestellung ausdrücklich einverstanden sein. Das Einverständnis muss vom Betroffenen nachgewiesen werden können. Die Bevollmächtigung wirkt dann unwiderruflich für das gesamte Verfahren.

Die Person muss für den Betroffenen namentlich bekannt oder leicht identifizierbar sein. Eine allgemeine Bevollmächtigung wie „zuständiger Geschäftsstellenbeamter“ ist nicht ausreichend.

Aufgaben und Pflichten

Der Zustellungsbevollmächtigte hat folgende zentrale Aufgaben:

Die Hauptaufgabe besteht in der Entgegennahme von Zustellungen wie Klagen, Bescheide und sonstigen behördlichen oder gerichtlichen Schriftstücken.

Der Zustellungsbevollmächtigte ist zur unverzüglichen Weiterleitung der Dokumente an den Betroffenen verpflichtet. „Unverzüglich“ bedeutet dabei „ohne schuldhaftes Zögern“.

Die Person muss Verschwiegenheit wahren und die Dokumente sorgfältig behandeln. Wenn der Zustellungsbevollmächtigte seine Pflichten verletzt und dem Betroffenen dadurch ein Schaden entsteht, kann er dafür haften.

Besonderheiten der Zustellungsvollmacht

Die Zustellungsvollmacht gilt für das gesamte Verfahren und kann weder durch Widerruf des Betroffenen noch durch Verzichtserklärung des Bevollmächtigten vor Verfahrensabschluss beendet werden.

Die Vollmacht erstreckt sich nicht automatisch auf Krankheits- oder Urlaubsvertreter des Zustellungsbevollmächtigten. Auch gilt sie nicht für einen Amtsnachfolger eines in den Ruhestand getretenen Beamten.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar - Fachbegriffe einfach erklärt

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Verwerfungsurteil

Ein gerichtlicher Beschluss, bei dem ein Rechtsmittel (z.B. Einspruch) ohne inhaltliche Prüfung abgelehnt wird, weil formelle Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Im Ordnungswidrigkeitenverfahren wird ein Einspruch insbesondere verworfen, wenn der Betroffene unentschuldigt nicht zur Hauptverhandlung erscheint (§ 74 Abs. 2 OWiG). Dies führt dazu, dass der ursprüngliche Bußgeldbescheid rechtskräftig wird. Ein Verwerfungsurteil kann nur unter sehr engen Voraussetzungen angefochten werden.


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Ordnungswidrigkeitenverfahren

Das rechtliche Verfahren zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten, also Rechtsverstößen unterhalb der Schwelle zur Straftat (geregelt im OWiG). Anders als im Strafverfahren verhängen hier zunächst Verwaltungsbehörden Bußgeldbescheide. Der Betroffene kann dagegen Einspruch einlegen, wodurch es zu einer gerichtlichen Hauptverhandlung kommt. Typische Beispiele sind Verkehrsverstöße wie Geschwindigkeitsüberschreitungen.


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Verfahrensrüge

Ein Rechtsbehelf, mit dem Verfahrensfehler (z.B. fehlerhafte Ladung) geltend gemacht werden. Der Betroffene muss dabei genau darlegen, welcher Verfahrensverstoß vorliegt und wie sich dieser auf den Verfahrensausgang ausgewirkt hat. Im vorliegenden Fall hätte die Betroffene detailliert erklären müssen, warum die Ladung sie nicht erreicht hat und dass sie bei ordnungsgemäßer Ladung auch erschienen wäre.


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Zustellungsbevollmächtigter

Eine Person, die vom Betroffenen offiziell benannt wird, um in Deutschland Schriftstücke für ihn entgegenzunehmen (§ 7 VwZG). Bei Umzug ins Ausland muss ein Zustellungsbevollmächtigter im Inland benannt werden, damit Behörden und Gerichte wirksam Dokumente zustellen können. Dies hätte die Betroffene im Fall bei ihrem Umzug in die Türkei tun müssen, etwa durch Bevollmächtigung ihrer Eltern.


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Rechtliches Gehör

Ein verfassungsrechtlich garantiertes Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG), das jedem Beteiligten die Möglichkeit gibt, sich zu einem gerichtlichen Verfahren zu äußern und seine Sicht darzustellen. Im Ordnungswidrigkeitenverfahren wird dies besonders durch die ordnungsgemäße Ladung zur Hauptverhandlung gewährleistet. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann zur Aufhebung von Gerichtsentscheidungen führen.


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Rechtsbeschwerde

Ein Rechtsmittel gegen Entscheidungen in Ordnungswidrigkeitensachen (§§ 79 ff. OWiG). Mit der Rechtsbeschwerde können nur Rechtsfehler, nicht aber die Beweiswürdigung angegriffen werden. Sie muss innerhalb einer Woche nach Zustellung des Urteils eingelegt werden. Ein häufiger Grund ist die Verletzung von Verfahrensvorschriften, wie im Fall die behauptete fehlerhafte Ladung.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Strafprozessordnung (StPO) § 166 – Wege der Zustellung: Dieser Paragraph regelt die verschiedenen Methoden, wie gerichtliche Ladungen und Dokumente den Beteiligten zugestellt werden können, etwa durch persönliche Übergabe oder durch Einwurf in den Briefkasten. Eine ordnungsgemäße Zustellung ist entscheidend, um die rechtlichen Rechte der Betroffenen zu gewährleisten. Im vorliegenden Fall wurde die Ladung der Hauptverhandlung in den Briefkasten der Eltern der Betroffenen eingeworfen, was die Grundlage für die Behauptung einer nicht ordnungsgemäßen Zustellung bildet.
  • Strafprozessordnung (StPO) § 177 – Wirkung der Zustellung: Nach § 177 ist die Zustellung rechtswirksam, sobald die Ladung dem Empfänger zugeht, entweder durch persönliche Übergabe oder durch Einwurf in den Briefkasten an der bekannten Anschrift. Diese Vorschrift ist zentral, da das Gericht die Zustellung als ordnungsgemäß ansah, da die Ladung an die dem Gericht bekannte Adresse der Eltern eingeworfen wurde. Die Betroffene argumentiert jedoch, dass sie unter dieser Anschrift nicht mehr erreichbar war, was die Wirksamkeit der Zustellung infrage stellt.
  • Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) § 80 – Daten zu den Beteiligten: Dieser Paragraph befasst sich mit der Ermittlung und Sicherstellung der Daten von Beteiligten im Bußgeldverfahren. Er ist relevant, da die Zustellung der Ladung an die Elternadressdaten erfolgte, die möglicherweise nicht mehr korrekt waren. Die Frage, ob die Daten des Betroffenen aktuell und korrekt waren, beeinflusst die Wirksamkeit der Zustellung und somit das Verfahren.
  • Strafprozessordnung (StPO) § 233 – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Dieser Paragraph ermöglicht es einer Partei, die eine gesetzliche Frist unverschuldet versäumt hat, wieder in den Zustand vor dem Fristversäumnis zurückversetzt zu werden. Der Verteidiger der Betroffenen beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund der behaupteten fehlerhaften Zustellung der Ladung, wodurch die Betroffene die Hauptverhandlung nicht wahrnehmen konnte.
  • Strafprozessordnung (StPO) § 174 – Hauptverhandlung: § 174 regelt die Durchführung der Hauptverhandlung und die Verpflichtung der geladenen Personen, persönlich zu erscheinen. Im vorliegenden Fall fehlte die Betroffene bei der Hauptverhandlung ohne ausreichende Entschuldigung, was zur Verwerfung ihres Einspruchs führte. Die ordnungsgemäße Durchführung der Hauptverhandlung und die Einhaltung der Zustellungsanforderungen gemäß § 174 StPO sind daher essenziell für die rechtliche Bewertung des Falls.

Das vorliegende Urteil


KG Berlin – Az.: 3 ORbs 192/24 – 122 SsBs 38/24 – Beschluss vom 20.11.2024


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