➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: 4 O 89/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Hilfe anfordern
Übersicht
- ✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Raser vor Gericht: Wer trägt Schuld bei Unfall mit Geschwindigkeitsüberschreitung?
- ✔ Der Fall vor dem Landgericht Stade
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen
- Wer trägt grundsätzlich die Beweislast bei einem Unfall mit Geschwindigkeitsüberschreitung?
- Welche Rolle spielt die Richtgeschwindigkeit bei der Beurteilung eines Unfalls?
- Wie kann ich als Fahrer nachweisen, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht ursächlich für den Unfall war?
- Welche rechtlichen Konsequenzen hat eine Geschwindigkeitsüberschreitung im Falle eines Unfalls?
- Welche Rolle spielt ein Sachverständigengutachten bei der Klärung der Schuldfrage?
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⇓ Das vorliegende Urteil vom Landgericht Stade
✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Es geht um einen Verkehrsunfall, bei dem ein Fahrzeug auf der Autobahn mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war.
- Der Kläger fordert Schadensersatz für Lohnfortzahlung und Mietwagenkosten aufgrund des Unfalls.
- Der Unfall geschah, als das Beklagtenfahrzeug plötzlich die Spur wechselte und es zu einer Kollision kam.
- Eine zentrale Schwierigkeit lag in der Frage der Geschwindigkeitsüberschreitung des klägerischen Fahrzeugs.
- Das Gericht entschied, dass die Beklagten als Gesamtschuldner die geforderten Kosten größtenteils zahlen müssen.
- Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Spurwechsel der Beklagten das Unfallgeschehen ursächlich herbeiführte.
- Es wurde anerkannt, dass die hohe Geschwindigkeit des klägerischen Fahrzeugs eine Mitschuld begründet, aber der Spurwechsel war ausschlaggebend.
- Die Entscheidung zeigt, dass Spurwechsel bei hohen Geschwindigkeiten besonders sorgfältig durchgeführt werden müssen.
- Bei solchen Unfällen wird die Kollision auf den Spurwechsel zurückgeführt, selbst wenn das andere Fahrzeug zu schnell fährt.
- Die Konsequenzen des Urteils sind, dass auch bei Geschwindigkeitsüberschreitungen hohe Sorgfaltspflichten anderer Verkehrsteilnehmer bestehen bleiben.
Raser vor Gericht: Wer trägt Schuld bei Unfall mit Geschwindigkeitsüberschreitung?
Die Straßenverkehrsordnung legt verschiedene Regeln und Richtgeschwindigkeiten fest, die für alle Fahrzeugführer gelten. Wenn ein Fahrer diese Richtgeschwindigkeit überschreitet, kann dies rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Allerdings ist die Frage der Beweislast bei Geschwindigkeitsüberschreitungen nicht immer eindeutig geklärt. In einigen Fällen kann der Fahrzeugführer etwa nachweisen, dass die Richtgeschwindigkeit aus objektiven Gründen überschritten werden musste. Das Thema ist daher rechtlich komplex und erfordert eine sorgfältige Prüfung der Umstände im Einzelfall. Im Folgenden soll ein konkretes Gerichtsurteil zu dieser Thematik näher beleuchtet werden, um die rechtlichen Grundlagen und Auslegungen besser zu verstehen.
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✔ Der Fall vor dem Landgericht Stade
PKW-Fahrer muss Überschreitung der Richtgeschwindigkeit beweisen
In einem Urteil hat sich das Landgericht Stade mit der Frage beschäftigt, wer die Beweislast trägt, wenn ein Unfall bei Überschreitung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h passiert. Konkret ging es um eine Kollision auf der Autobahn A1, bei der ein Volvo V60 mit ca. 180 km/h auf dem linken Fahrstreifen fuhr. Ein Ford Fiesta wechselte plötzlich ohne zu blinken vom mittleren auf den linken Fahrstreifen und es kam zum Zusammenstoß. Der Volvo-Fahrer war im Anschluss mehrere Wochen krankgeschrieben.
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Krankschreibung des Volvo-Fahrers unfallbedingt war. Das Unfallgeschehen war geeignet, die geltend gemachten Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule hervorzurufen. Die Klägerin als Halterin des Volvo muss sich jedoch eine Betriebsgefahr von 20% anrechnen lassen, da ihr der Nachweis nicht gelungen ist, dass die Unfallfolgen bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit vergleichbar gewesen wären.
Beweislast liegt beim Überschreiter der Richtgeschwindigkeit
Zwar stellt das Überschreiten der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h für sich genommen noch keine Ordnungswidrigkeit dar. Ist die Richtgeschwindigkeit bei einem Unfall jedoch überschritten, aktualisiert sich aber in aller Regel die Betriebsgefahr, an die die Gefährdungshaftung anknüpft. Etwas anderes gilt nur, wenn der Überschreiter nachweisen kann, dass es auch bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit zu dem Unfall mit vergleichbar schweren Folgen gekommen wäre.
Diesen Beweis konnte die Klägerin hier nicht führen. Denn laut Sachverständigengutachten hätte der Volvo-Fahrer bei Einhaltung von Tempo 130 und gleichen Reaktionszeiten so rechtzeitig abbremsen können, dass er nicht auf den spurwechselnden Ford aufgefahren wäre.
Lohnfortzahlungskosten müssen anteilig erstattet werden
Der Klägerin steht aber ein Anspruch auf Erstattung der Lohnfortzahlungskosten in Höhe von 7.979,22 Euro zu. Denn die krankheitsbedingte Abwesenheit des Volvo-Fahrers war unfallbedingt. Von den insgesamt geltend gemachten 10.209,75 Euro waren 5% als ersparte berufsbedingte Aufwendungen abzuziehen. Zudem muss sich die Klägerin die Betriebsgefahr von 20% anrechnen lassen.
Die Kosten eines Mietfahrzeugs während der Krankschreibung muss die Beklagte hingegen nicht ersetzen. Zwar ist ein Firmenwagen, der auch privat genutzt werden darf, grundsätzlich auch während der Entgeltfortzahlung weiter zu gewähren. Der Schädiger schuldet die Mietwagenkosten aber nur für den Zeitraum, der objektiv für die Wiederbeschaffung eines Leasingfahrzeugs erforderlich ist. Dies beträgt laut Gericht zwei bis drei Wochen. Da die Beklagte die Mietwagenkosten bereits für drei Wochen erstattet hatte, besteht darüber hinaus kein Anspruch mehr.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Das Urteil verdeutlicht, dass sich bei Unfällen mit Überschreitung der Richtgeschwindigkeit regelmäßig die Betriebsgefahr verwirklicht und den Überschreiter eine erhöhte Darlegungslast trifft. Er muss beweisen, dass sich der Unfall bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit in vergleichbarer Weise ereignet hätte. Gelingt ihm dies nicht, muss er sich die erhöhte Betriebsgefahr anspruchsmindernd anrechnen lassen. Das Urteil stärkt den Präventionsgedanken und mahnt zu besonderer Vorsicht bei hohen Geschwindigkeiten.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie als Fahrer in einen Unfall verwickelt sind, bei dem Sie die Richtgeschwindigkeit überschritten haben, müssen Sie damit rechnen, eine Teilschuld zu tragen. Selbst wenn der Unfallgegner einen Fehler gemacht hat, wie in diesem Fall durch einen plötzlichen Spurwechsel, kann Ihnen eine Mitschuld von bis zu 20% angelastet werden. Das Gericht geht davon aus, dass Sie durch die überhöhte Geschwindigkeit eine erhöhte Betriebsgefahr geschaffen haben.
Sie können dieser Teilschuld nur entgehen, wenn Sie beweisen können, dass der Unfall auch bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit passiert wäre. Das ist oft schwierig und erfordert in der Regel ein Sachverständigengutachten, das die Unfallrekonstruktion detailliert darstellt.
Auch wenn Sie eine Teilschuld tragen, haben Sie dennoch Anspruch auf eine anteilige Erstattung Ihrer unfallbedingten Kosten. Dazu gehören beispielsweise Lohnfortzahlungskosten oder Mietwagenkosten für einen angemessenen Zeitraum.
Wichtig ist: Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung der Einhaltung von Geschwindigkeitsbegrenzungen. Eine Überschreitung kann nicht nur zu einem Bußgeld führen, sondern auch erhebliche Auswirkungen auf die Haftungsverteilung bei einem Unfall haben.
✔ FAQ – Häufige Fragen
Das Thema: Beweislast bei Geschwindigkeitsüberschreitung wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.
- Wer trägt grundsätzlich die Beweislast bei einem Unfall mit Geschwindigkeitsüberschreitung?
- Welche Rolle spielt die Richtgeschwindigkeit bei der Beurteilung eines Unfalls?
- Wie kann ich als Fahrer nachweisen, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht ursächlich für den Unfall war?
- Welche rechtlichen Konsequenzen hat eine Geschwindigkeitsüberschreitung im Falle eines Unfalls?
- Welche Rolle spielt ein Sachverständigengutachten bei der Klärung der Schuldfrage?
Wer trägt grundsätzlich die Beweislast bei einem Unfall mit Geschwindigkeitsüberschreitung?
Bei einem Unfall mit Geschwindigkeitsüberschreitung trägt grundsätzlich derjenige die Beweislast, der die Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hat. Dies bedeutet, dass der Fahrer, der schneller als die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h gefahren ist, nachweisen muss, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht ursächlich für den Unfall war.
Die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen ist eine Empfehlung und keine verbindliche Höchstgeschwindigkeit. Dennoch kann die Überschreitung dieser Richtgeschwindigkeit im Falle eines Unfalls zu einer Mithaftung führen. Dies liegt daran, dass die Betriebsgefahr des Fahrzeugs erhöht wird, wenn die Richtgeschwindigkeit überschritten wird. Die Betriebsgefahr beschreibt das allgemeine Risiko, das von einem Fahrzeug im Straßenverkehr ausgeht.
Ein Fahrer, der die Richtgeschwindigkeit überschreitet, muss beweisen, dass der Unfall auch bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit unvermeidbar gewesen wäre. Dies wird als Nachweis der Unabwendbarkeit bezeichnet. Ein Unfall gilt nur dann als unabwendbar, wenn der Fahrer sich wie ein „Idealfahrer“ verhalten hat, also alle Verkehrsregeln beachtet und besonders vorsichtig gefahren ist.
Gerichte gehen in der Regel davon aus, dass ein Unfall bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit vermeidbar gewesen wäre. Daher wird dem Fahrer, der die Richtgeschwindigkeit überschritten hat, oft eine Mitschuld zugesprochen. Die Höhe der Mithaftungsquote kann variieren, je nach den genauen Umständen des Unfalls und der gefahrenen Geschwindigkeit. Beispielsweise wurden in der Rechtsprechung Mithaftungsquoten von 20% bis 30% für Fahrer angenommen, die die Richtgeschwindigkeit deutlich überschritten haben.
Es gibt jedoch auch Ausnahmen. Wenn der Unfallgegner grob verkehrswidrig gehandelt hat, kann die alleinige Haftung bei ihm liegen, selbst wenn der andere Fahrer die Richtgeschwindigkeit überschritten hat. Dies hängt von der genauen Unfallsituation und den Verursachungsbeiträgen ab.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Beweislast bei einem Unfall mit Geschwindigkeitsüberschreitung in der Regel beim Fahrer liegt, der die Geschwindigkeit überschritten hat. Er muss nachweisen, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht ursächlich für den Unfall war und dass der Unfall auch bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit nicht vermeidbar gewesen wäre.
Welche Rolle spielt die Richtgeschwindigkeit bei der Beurteilung eines Unfalls?
Die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen ist eine Empfehlung, keine verbindliche Höchstgeschwindigkeit. Sie dient als Orientierung für eine sichere Fahrweise. Bei der Beurteilung eines Unfalls spielt die Einhaltung oder Überschreitung dieser Richtgeschwindigkeit eine bedeutende Rolle.
Rechtliche Bedeutung der Richtgeschwindigkeit:
Eine Überschreitung der Richtgeschwindigkeit führt nicht automatisch zu einer Verschuldensvermutung. Es handelt sich nicht um eine Ordnungswidrigkeit, wenn die Richtgeschwindigkeit überschritten wird. Kommt es jedoch zu einem Unfall, kann die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit bei der Haftungsfrage relevant werden. Gerichte berücksichtigen, ob die Einhaltung der Richtgeschwindigkeit den Unfall hätte verhindern oder die Unfallfolgen hätte mindern können.
Mithaftung bei Überschreitung:
Wenn ein Fahrer die Richtgeschwindigkeit überschreitet und es zu einem Unfall kommt, kann dies zu einer Mithaftung führen. Die Gerichte prüfen, ob die höhere Geschwindigkeit zur Entstehung oder Verschärfung des Unfalls beigetragen hat. Beispielsweise hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden, dass ein Fahrer, der mit 160 km/h unterwegs war, zu 20 Prozent mithaftet, weil die Einhaltung der Richtgeschwindigkeit den Unfall hätte vermeiden können. Ähnlich urteilte das Oberlandesgericht Koblenz, das bei einer Geschwindigkeit von 200 km/h eine Mithaftung von 40 Prozent feststellte.
Beweislast und Unabwendbarkeitsnachweis:
Die Beweislast liegt bei demjenigen, der die Richtgeschwindigkeit überschritten hat. Er muss nachweisen, dass der Unfall auch bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit unvermeidbar gewesen wäre. Dies ist oft schwierig, da Gerichte in der Regel davon ausgehen, dass eine geringere Geschwindigkeit mehr Reaktionszeit und damit eine höhere Wahrscheinlichkeit zur Unfallvermeidung bietet.
Versicherungsrechtliche Aspekte:
Versicherungen können die Leistung kürzen oder verweigern, wenn die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit als grob fahrlässig eingestuft wird. Dies gilt insbesondere bei Unfällen unter schwierigen Wetter- oder Verkehrsbedingungen, bei denen die Einhaltung der Richtgeschwindigkeit besonders wichtig ist.
Zusammenhang mit Unfallursachen:
Die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit wird oft als eine Form der nicht angepassten Geschwindigkeit betrachtet, die eine Hauptursache für Unfälle darstellt. Statistiken zeigen, dass nicht angepasste Geschwindigkeit, auch ohne Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, häufig zu Unfällen führt.
Die Richtgeschwindigkeit spielt somit eine zentrale Rolle bei der Beurteilung von Unfällen auf Autobahnen. Ihre Überschreitung kann zu einer Mithaftung führen und die Beweislast für den Unfallverursacher erhöhen.
Wie kann ich als Fahrer nachweisen, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht ursächlich für den Unfall war?
Um nachzuweisen, dass eine Geschwindigkeitsüberschreitung nicht ursächlich für einen Unfall war, sind verschiedene Beweise und Argumente erforderlich. Ein technisches Gutachten eines Sachverständigen kann klären, ob der Unfall auch bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit nicht vermeidbar gewesen wäre. Hierbei spielt die Unfallrekonstruktion eine zentrale Rolle. Zeugenaussagen von Personen, die den Unfallhergang beobachtet haben, können ebenfalls belegen, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung keinen Einfluss auf den Unfall hatte.
Nachweise über die Verkehrssituation zum Unfallzeitpunkt, wie Sichtverhältnisse, Straßenzustand und Verkehrsaufkommen, können darlegen, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht unfallursächlich war. Relevante Urteile, wie das des Bundesgerichtshofs vom 25. März 2003 (VI ZR 161/02) und des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 14. August 2014 (4 U 150/13), die die Ursächlichkeit von Geschwindigkeitsüberschreitungen behandeln, können unterstützend wirken. Fahrzeugdaten, wie Bremsweg und Reaktionszeit, können zeigen, dass der Unfall auch bei geringerer Geschwindigkeit nicht vermeidbar gewesen wäre.
Die rechtliche Grundlage bildet § 3 Abs. 1 StVO, der besagt, dass die Geschwindigkeit den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung angepasst werden muss. § 17 StVG regelt die Haftung bei Verkehrsunfällen und die Berücksichtigung der Betriebsgefahr. Nach § 17 Abs. 3 StVG ist die Ersatzpflicht ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde.
Ein technisches Gutachten, Zeugenaussagen und Nachweise über die Verkehrssituation sind entscheidend, um die Ursächlichkeit der Geschwindigkeitsüberschreitung zu widerlegen. Relevante Urteile und Fahrzeugdaten können zusätzlich unterstützen.
Welche rechtlichen Konsequenzen hat eine Geschwindigkeitsüberschreitung im Falle eines Unfalls?
Eine Geschwindigkeitsüberschreitung kann im Falle eines Unfalls erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Diese hängen davon ab, ob die Geschwindigkeitsüberschreitung als ursächlich für den Unfall angesehen wird oder nicht.
Wenn die Geschwindigkeitsüberschreitung als ursächlich für den Unfall betrachtet wird, kann dies zu einer Mithaftung führen. Selbst wenn der Unfall von einem anderen Verkehrsteilnehmer verursacht wurde, kann dem Fahrer, der die Geschwindigkeit überschritten hat, eine Teilschuld zugewiesen werden. Dies gilt insbesondere, wenn die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf Autobahnen vorliegt. Gerichte können in solchen Fällen eine erhöhte Betriebsgefahr annehmen, was zu einer Mithaftung führt, selbst wenn der Unfall hauptsächlich durch das Fehlverhalten eines anderen Fahrers verursacht wurde.
Die rechtlichen Konsequenzen umfassen in der Regel Bußgelder, Punkte in Flensburg und möglicherweise ein Fahrverbot. Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 21 km/h drohen Punkte in Flensburg, und ab einer Überschreitung von 41 km/h außerorts oder 31 km/h innerorts kann ein Fahrverbot verhängt werden. Wiederholungstäter müssen bereits ab einer Überschreitung von 26 km/h mit einem Fahrverbot rechnen.
Die Versicherung kann ebenfalls betroffen sein. Wenn die Geschwindigkeitsüberschreitung als unfallursächlich angesehen wird, kann die Haftpflichtversicherung des Fahrers möglicherweise nicht den gesamten Schaden übernehmen. Dies kann zu finanziellen Belastungen führen, da der Fahrer für einen Teil des Schadens selbst aufkommen muss.
In Fällen, in denen die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht als ursächlich für den Unfall angesehen wird, können die Konsequenzen milder ausfallen. Dennoch kann die Versicherung argumentieren, dass die erhöhte Geschwindigkeit die Unfallfolgen verschlimmert hat, was ebenfalls zu einer Mithaftung führen kann.
Die Beweislast liegt dabei oft beim Fahrer, der die Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hat. Er muss nachweisen, dass der Unfall auch bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht vermeidbar gewesen wäre. Gelingt dieser Nachweis nicht, wird die Geschwindigkeitsüberschreitung als unfallursächlich betrachtet und führt zu den genannten rechtlichen Konsequenzen.
Welche Rolle spielt ein Sachverständigengutachten bei der Klärung der Schuldfrage?
Ein Sachverständigengutachten spielt eine zentrale Rolle bei der Klärung der Schuldfrage in Gerichtsverfahren, insbesondere bei technischen Fragestellungen wie der Rekonstruktion von Unfällen oder der Berechnung von Bremswegen. Solche Gutachten liefern objektive und fachlich fundierte Informationen, die für die Beurteilung des Sachverhalts entscheidend sind.
Ein Sachverständiger wird vom Gericht bestellt und erstellt das Gutachten auf Basis seiner besonderen Sachkunde und Erfahrung. Dabei ist es wichtig, dass der Sachverständige unparteiisch und unabhängig arbeitet, um die Objektivität des Gutachtens zu gewährleisten. Der Prozess beginnt oft mit einem Ortstermin, bei dem der Sachverständige die Unfallstelle besichtigt, Messungen vornimmt und Fotos macht, um sich ein genaues Bild von der Situation zu verschaffen. Diese Vor-Ort-Erkenntnisse sind für die Erstellung des Gutachtens von entscheidender Bedeutung.
Das Gutachten selbst muss klar und verständlich formuliert sein, damit auch juristische Laien die Schlussfolgerungen nachvollziehen können. Es enthält eine systematische Darstellung der Tatsachen, die dem Sachverhalt zugrunde liegen, sowie eine fachliche Bewertung dieser Tatsachen. Der Sachverständige muss seine Schlussfolgerungen logisch und nachvollziehbar begründen und dabei auf unnötigen Fachjargon verzichten.
In einem Gerichtsverfahren wird das Gutachten als Beweismittel herangezogen. Der Richter prüft das Gutachten kritisch und kann den Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung laden, um offene Fragen zu klären oder Unklarheiten zu beseitigen. Sollte es widersprüchliche Gutachten geben, etwa durch ein von einer Partei vorgelegtes Privatgutachten, muss das Gericht diese Widersprüche sorgfältig abwägen und gegebenenfalls ein weiteres Gutachten einholen.
Die Ergebnisse des Sachverständigengutachtens können maßgeblich zur Klärung der Schuldfrage beitragen, indem sie objektive Beweise liefern, die die Argumentation der Parteien stützen oder widerlegen. Beispielsweise kann ein Gutachten aufzeigen, ob ein Fahrzeugführer die Richtgeschwindigkeit überschritten hat und ob dies ursächlich für den Unfall war. Solche technischen Details sind oft entscheidend für die Beurteilung der Schuldfrage und die daraus resultierenden rechtlichen Konsequenzen.
Ein korrekt und sorgfältig erstelltes Sachverständigengutachten ist daher ein unverzichtbares Instrument in der gerichtlichen Beweisführung und trägt wesentlich zur Wahrheitsfindung und zur gerechten Urteilsfindung bei.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 1 StVO (Straßenverkehrs-Ordnung): Grundregel, dass jeder Verkehrsteilnehmer sich so verhalten muss, dass kein anderer geschädigt, gefährdet, behindert oder belästigt wird. Die Klägerin könnte argumentieren, dass die Beklagte zu 1) durch den Spurwechsel diese Regel gebrochen hat.
- § 18 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Haftung des Fahrzeughalters, was bedeutet, dass die Beklagten für den Schaden haften, der durch den Mitarbeiter der Beklagten, der den Ford Fiesta fuhr, verursacht wurde.
- § 7 StVG (Haftung des Halters, Verschuldensunabhängige Haftung): Der Halter eines Fahrzeugs haftet für Schäden, die beim Betrieb seines Fahrzeugs entstehen. Hier haftet die Versicherung der Beklagten zu 2).
- Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf Autobahnen: Im konkreten Fall wurde die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf Autobahnen überschritten. Dies ist zwar nicht gesetzlich verboten, könnte aber im Rahmen der Beweislast als Mitschuld ausgelegt werden.
- § 286 ZPO (Zivilprozessordnung, freie Beweiswürdigung): Das Gericht muss nach freier Überzeugung entscheiden, welche Version der Ereignisse wahrscheinlicher ist. Die Beklagten müssen möglicherweise beweisen, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung des Zeugen der Klägerin den Unfall beeinflusst hat.
- § 17 StVG (Mithaftung bei mehreren Beteiligten): In Fällen, in denen mehrere Fahrzeuge beteiligt sind, werden die Umstände des Unfalls und eventuelle Verstöße gegen Verkehrsvorschriften abgewogen. Beide Parteien können teilweise schuldhaft sein, wodurch sich der Anspruch prozentual vermindern kann.
- Zinsanspruch gemäß § 288 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Die Beklagten wurden verurteilt, Zinsen auf den Schadensbetrag zu zahlen. Dies ist ein üblicher Zusatz bei Schadensersatzforderungen, um den Gläubiger für die Zeit der Vorenthaltung des Geldes zu entschädigen.
⇓ Das vorliegende Urteil vom Landgericht Stade
LG Stade – Az.: 4 O 89/21 – Urteil vom 20.10.2022
1.) Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin EUR 7.979,22 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.04.2020 zu zahlen.
2.) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3.) Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 61 %, die Klägerin 39 %.
4.) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von den Beklagten den Ersatz von Kosten für eine Lohnfortzahlung sowie Mietwagenkosten nach einem Verkehrsunfall.
Die Klägerin ist Eigentümerin des PKW Volvo V60, amtliches Kennzeichen …, welcher bei dem Unfall mit dem bei der Beklagten zu 2.) versicherten und von der Beklagten zu 1.) geführten Ford Fiesta, amtl. Kennzeichen …, irreparabel geschädigt wurde.
Am Unfalltag des 25.07.2019 fuhr der bei der Klägerin angestellte Zeuge … mit einer Geschwindigkeit von ca. 180 km/h mit dem PKW der Klägerin auf der dreispurigen BAB 1 auf dem linken Fahrstreifen in Richtung Hamburg. Auf der Höhe von Kilometer 69,5, in … wechselte das von der Beklagten zu 1.) geführte Fahrzeug von dem mittleren Fahrstreifen auf den linken Fahrstreifen und es kam zur Kollision. Das Fahrzeug der Beklagten zu 1) wurde auf Höhe des linken Hecks und das Fahrzeug der Klägerin auf Höhe der rechten Front des getroffen. Das Fahrzeug der Klägerin ist mit einem automatischen Notfallsystem in Form eines elektronischen Abstandsreglers ausgestattet, dass wegen der Plötzlichkeit des Spurwechsels der Beklagten zu 1.) nicht mehr auslösen konnte.
Der Zeuge und Mitarbeiter der Klägerin … war in der Zeit nach dem Unfall vom 25.07.2019 bis einschließlich 04.09.2019 krankgeschrieben. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Zeuge tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt war und ob dies kausal auf den Verkehrsunfall zurückzuführen war.
Für den angegebenen Zeitraum zahlte die Klägerin den Bruttolohn des Zeugen …, der monatlich 6.092,46 EUR beträgt, fort. Insgesamt zahlte die Klägerin 10.209,75 EUR Lohnfortzahlung an den Zeugen (Anlagen B 2 bis 5, Bl. 7 ff. d.A.). Zudem stellte die Klägerin dem Zeugen vom 12.08.2019 bis 02.12.2019 einen Ersatzwagen zur Verfügung, wofür sie 3.497,75 EUR zahlte.
Der Fahrzeugschaden wurde vollständig über die Vollkaskoversicherung der Klägerin abgewickelt. An diese zahlte sie eine Selbstbeteiligung in Höhe von 300,00 EUR.
Mit anwaltlichen Schreiben vom 09.04.2020 forderte die Klägerin die Beklagte zu 2.) zur Zahlung der genannten Schadenspositionen zzgl. einer Kostenpauschale von 25 EUR mit Frist bis zum 22.04.2020 auf (Bl. 15 d. A.). Die Beklagte zu 2.) zahlte daraufhin 300,00 EUR für die Selbstbeteiligung, 25,00 EUR Kostenpauschale und 626,85 EUR (21 Tage à 29,85 EUR) für das Mietfahrzeug. Insgesamt zahlte die Beklagte zu 2.) 951,85 EUR von den insgesamt geforderten 14.032,50 EUR. Den Restbetrag i.H.v. von 13.080,65 EUR verfolgt die Klägerin mit ihrer Klage.
Die Klägerin behauptet, der Zeuge … sei aufgrund des Unfalls vom 25.07.2019 bis zum 04.09.2019 arbeitsunfähig krank gewesen.
Die Zurverfügungstellung eines Firmenwagens sei ein vertraglich vereinbarter Sachbezug, der auch im Krankheitsfall dem Mitarbeiter zustünde. Als Mitarbeiter im Außendienst sei der Zeuge … zum einen auf ein Fahrzeug angewiesen, zum anderen dürfe der Firmenwagen auch privat genutzt werden. Der Firmenwagen sei Teil des Arbeitsvertrages und werde vom Arbeitnehmer entsprechend versteuert. Im Übrigen sei zwischen den Parteien vereinbart, dass das Fahrzeug auch bei längerer Arbeitsunfähigkeit überlassen werde. Ein Ersatzwagen sei, da die Beschaffung eines neuen Leasingwagens einiger Zeit bedürfe, nicht vor dem Ablauf des 02.12.2019 möglich gewesen.
Der Unfall sei für den Zeugen … unvermeidbar gewesen, dies auch bei unterstellter Einhaltung der Richtgeschwindigkeit Die Beklagte habe den Fahrstreifenwechsel ohne erkennbaren Anlass und ohne zu blinken vollzogen. Der Spurwechsel sei so plötzlich erfolgt, dass auch die Notfallassistenzsysteme den Unfall nicht hätten verhindern können.
Die Klägerin beantragt,
1) Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 13.080,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.04.2020 zu zahlen.
2) Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 902,30 EUR freizustellen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten bestreiten, dass der Zeuge … bei dem Unfall am 25.07.2019 verletzt worden und in Folge des Unfalls arbeitsunfähig gewesen sei. Sollte er sich verletzt haben, betrage jedenfalls die Heilbehandlungszeit keine sechs Wochen. Gegenteiliges ergäbe sich aus dem ärztlichen Bericht vom 12.12.2019 (Anlage B 1, Bl. 28 d. A.). Ferner behaupten sie, dass ein Ersatzbeschaffungszeitraum von drei Wochen für einen neuen Leasingwagen ausreiche und sind der Ansicht, dass die Klägerin ein Mitverschulden an der darüberhinausgehenden Beschaffungszeit trage und gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen habe. Sie sind außerdem der Ansicht, dass die Lohnfortzahlung, wegen ersparter Aufwendungen während der Krankheitszeit um 10 % zu kürzen gewesen sei.
Die Beklagten bestreiten zudem, dass der Unfall für den Zeugen … unvermeidbar gewesen sei. Vielmehr müsste sich die Klägerin in Anbetracht der Überschreitung der Richtgeschwindigkeit um knapp 40 % eine erhöhte Betriebsgefahr von 30 % anrechnen lassen.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch die Vernehmung des Zeugen … und die Anhörung der Beklagten zu 1). Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.12.2021 (Bl. 62 ff. d.A.) wird Bezug genommen.
Die Kammer hat weiterhin auf der Grundlage des Beweisbeschlusses vom 09.02.2022 (Bl. 86 ff. d.A.) Beweis erhoben durch die Einholung eines unfallanalytischen und interdisziplinären Gutachtens der Sachverständigen … und … . Auf deren Gutachten vom 25.07.2022 (Aktentasche) wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die zulässige Klage ist teilweise begründet, im Übrigen unbegründet.
1.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Ersatz der ihr entstandenen Kosten für die Lohnfortzahlung in Höhe von 7.979,22 EUR gegen die Beklagten als Gesamtschuldner zu, §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 3, 18 StVG, 113 Abs. 1 VVG, 426 BGB.
Die Klägerin hat bewiesen, dass die krankheitsbedingte Abwesenheit des Zeugen … vom 25.07. bis 04.09.2019 unfallbedingt gewesen ist.
Die Kammer hat den Zeugen … zum Unfallverlauf und seiner anschließenden Krankheit vernommen. Der Zeuge hat glaubhaft geschildert, dass er zwar unmittelbar nach dem Unfall unter Schock stehend nur geringe Schmerzen empfunden habe, dessen ungeachtet von den Rettungskräften liegend und im Korsett fixiert transportiert worden sei. Es sei ein massives Schleudertrauma diagnostiziert worden, er sei aber nach Ausschluss schwerwiegender Verletzungen mit Schmerzmedikation entlassen worden. Der Zeuge hat weiterhin ausgesagt, dass er in der Folgezeit unter starken Nacken- und Rückenschmerzen gelitten habe und deshalb für 6 bis 8 Wochen krankgeschrieben gewesen sei. Der Zeuge hat lebhaft und authentisch und ohne Tendenzen zur Übertreibung ausgesagt. Seine Aussage, dass seine Krankschreibung ihre Ursache in dem Unfallgeschehen hatte, wird gestützt durch die aufgrund der zeitlichen Abläufe plausiblen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Die Kammer hat hierbei auch bedacht, dass zwischen den Parteien die erhebliche Geschwindigkeit des Klägerfahrzeugs von 180 bis 200 km/h unstreitig ist. Der Zeuge hat zudem geschildert, dass er eine Platzwunde auf der Nase davongetragen habe, was dafürspricht, dass nicht unerhebliche Kräfte auf seinen Körper eingewirkt haben.
Das Unfallgeschehen war sodann nach den Feststellungen der Sachverständigen auch geeignet, die von dem Zeugen beklagten Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule im Sinne einer Distorsion hervorzurufen.
Denn unter Zugrundelegung der von der Sachverständigen … plausibel und nachvollziehbar angestellten Berechnungen auf der Grundlage der Analyse der Fahrzeugbeschädigungen wurde der Volvo frontal belastet, wobei die kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung des Fahrzeugs unter Berücksichtigung der überlagerten Bremsung bei etwa 14 bis 18,5 km/h lag, was einer mittleren Zellenbeschleunigung von 40 bis 50 m/s2 entspricht.
Der Sachverständige … hat sodann ausgeführt, dass mehr für als gegen eine Verletzung der Halswirbelsäule des Zeugen wegen der biomechanischen Insassenbelastung spricht, dies jedenfalls dann, wenn von einer kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung von 18,5 km/h ausgegangen wird. Bei einer Geschwindigkeitsänderung von nur 14 km/h sei diese demgegenüber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Zwar seien die nach dem Unfall dokumentierten Beschwerden unspezifisch, aber prinzipiell mit einer Distorsion der HWS in Übereinstimmung zu bringen. Da der Sachverständige darüber hinaus gehende Verletzungen, insbesondere auch der LWS, für ausgeschlossen hält, konstatiert er hinsichtlich der Frage der plausiblen Dauer einer Erwerbsunfähigkeit, bzw. der beklagten Beschwerden, dass diese jedenfalls ab Ende Juli 2020 nicht mehr plausibel auf den Verkehrsunfall zurückzuführen seien. Vielmehr dürfte die Distorsion ausgehend von dem Abschlussbericht der Diakoklinik … Ende September 2019 ausgeheilt gewesen sein.
Da nicht sicher festgestellt werden kann, wie hoch die Geschwindigkeitsänderung gewesen ist und diese jedenfalls im Bereich von 18,5 km/h gelegen haben kann, war der Unfall jedenfalls geeignet, die von dem Zeugen plausibel und glaubhaft geschilderten Beschwerden im Bereich der HWS hervorzurufen. Auszuschließen vermochte der Sachverständige dies auch nicht bei der Annahme einer Geschwindigkeitsänderung von nur 14 km/h, wenngleich er dies für weniger wahrscheinlich hält.
Nach alledem bestehen für die Kammer keine vernünftigen Zweifel daran, dass der Zeuge …jedenfalls in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum bis 04.09.2019 wegen der unfallbedingten Beschwerden im Bereich der HWS arbeitsunfähig krankgeschrieben ist. Auf darüber hinaus fortdauernde Beschwerden, insbesondere solche der LWS, kommt es hier nicht an.
Ein Anspruch auf Lohnfortzahlung bestand daher dem Grunde nach.
Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs ist zunächst zu berücksichtigen, dass auch der Klägerin gegenüber, die gem. § 6 Abs. 1 EFZG auf sie übergegangene Ansprüche verfolgt, ersparte berufsbedingte Aufwendungen als Vorteil anspruchsmindernd zu berücksichtigen sind. Nach OLG Celle (MDR 2006, 985) sind nach den Umständen des Einzelfalles 5 – 10 % anzurechnen. Der Geschädigte hat die Möglichkeit, nachzuweisen, dass die tatsächlich ersparten berufsbedingten Aufwendungen geringer ausgefallen sind (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Jahnke, 26. Aufl. 2020, BGB § 842 Rn. 38). Von dieser Möglichkeit hat der Geschädigte keinen Gebrauch gemacht, sodass vor dem Hintergrund, dass der Geschädigte einen Firmenwagen nutzen kann von einer Anspruchskürzung in Höhe von 5 % auszugehen ist, § 287 ZPO.
Der Anspruch besteht daher von vornherein nur in Höhe von EUR 9.974,03.
Die Abwägung der Verursachungsbeiträge gem. § 17 Abs. 1 StVO führt zu einem ganz überwiegenden Verschulden der Beklagten zu 1) wegen des ihr anzulastenden Verstoßes gegen § 5 Abs. 4 Abs. 1 StVO. Dabei ist zwischen den Parteien nicht im Streit, dass die Beklagte zu 1) den Fahrstreifenwechsel nach links vollzog, um ein vor ihr fahrendes Fahrzeug zu überholen und dabei den herannahenden Zeugen … nicht hinreichend beachtete.
Die Klägerin muss sich jedoch die Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs in Höhe von 20 % anrechnen lassen, da ihr der Nachweis nicht gelungen ist, dass die Unfallfolgen bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h vergleichbar gewesen wäre.
Zwar stellt das Überschreiten der Richtgeschwindigkeit für sich genommen noch keine Ordnungswidrigkeit dar und schließt daher die Annahme einer Unabwendbarkeit des Unfallgeschehens nicht von vornherein aus. Ist bei einem Unfall auf der Autobahn jedoch die Richtgeschwindigkeit überschritten, aktualisiert sich in aller Regel diejenige Betriebsgefahr, an die die Gefährdungshaftung des § 7 StVG anknüpft, selbst unter günstigen Verkehrsbedingungen und bei Beachtung aller übrigen Verkehrsvorschriften. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der über 130 km/h Fahrende nachweist, dass es auch bei Einhaltung dieser Geschwindigkeit zu dem Unfall mit vergleichbar schweren Folgen gekommen wäre (BGH, Urteil vom 17. März 1992 – VI ZR 62/91 –, BGHZ 117, 337-345, Rn. 13).
Diesen Beweis kann die Klägerin indessen nicht führen. Denn insoweit hat die Sachverständige … festgestellt, dass der Zeuge das Fahrzeug bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit und Zugrundelegung der gleichen Reaktionszeiten und der Einleitung einer Vollbremsung so rechtzeitig hätte abbremsen können, dass er nicht auf das spurwechselnde Fahrzeug der Beklagten zu 1) aufgefahren wäre.
Daher muss sich die Klägerin die Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs mit 20 % entgegenhalten lassen, so dass ihr ein Anspruch auf Ersatz der geleisteten Entgeltfortzahlungen nur in Höhe von EUR 7.979,22 zusteht.
2. Ein Anspruch auf den Ersatz der Kosten eines Leihfahrzeugs steht der Klägerin über den bereits außergerichtlich erstatteten Betrag hinaus insgesamt nicht zu.
Zwar ist grundsätzlich der als geldwerter Vorteil zur privaten Nutzung überlassene PKW auch während der Entgeltfortzahlung weiter zu gewähren (BAG Urteil vom 14.12.10, NZA 2011, 1496), so dass der Anspruch nicht bereits deshalb ausscheidet.
Auch kann der Leasingnehmer Mietwagenkosten für den Zeitraum der Wiederbeschaffung verlangen (Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 6. Aufl. 2021, § 28 28.47). Der Schädiger schuldet die Mietwagenkosten allerdings nur für den Zeitraum, der objektiv für die Reparatur bzw. bis zur Anschaffung eines Ersatzfahrzeugs erforderlich ist (BGH NJW 2003, 3480 (3481)). Diese Zeit beträgt, wenn Ersatz für einen gebrauchten PKW zu beschaffen ist, zwei bis drei Wochen (Grüneberg in Palandt, BGB, § 249 Rn. 37, 74. Auflage; KG VersR 87, 2139). Mehrmonatiges Zuwarten des Geschädigten auf die Verfügbarkeit eines Jahreswagens geht deshalb etwa nicht zulasten des Schädigers (a.a.O.; Palandt, § 249 Rn. 37, 74). Für die Beschaffung eines Leasingfahrzeuges können keine anderen Maßstäbe gelten, da dessen Wiederbeschaffung mit der Beschaffung eines anderen Fahrzeugs vergleichbar ist. Kauft der Geschädigte einen Neuwagen, obwohl er nur Anspruch auf einen Gebrauchtwagen hat, kann er nur Mietwagenkosten bis zu dem Zeitpunkt beanspruchen, bis zu dem die Ersatzbeschaffung möglich wäre.
Da die Beklagte zu 2) die Kosten für eine dreiwöchige Mietdauer eines Ersatzfahrzeuges bereits ersetzt hat, besteht nach alledem ein darüber hinaus gehender Anspruch nicht.
3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Ersatz ihrer außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Zur Zeit des Tätigwerdens der Prozessbevollmächtigten befanden sich die Beklagten nicht im Verzug und die Beauftragung war auch nicht zur Wahrnehmung der Rechte der Klägerin erforderlich und zweckmäßig. Zwar ist bei Verkehrsunfällen grundsätzlich anerkannt, dass die Abwicklung die Einschaltung eines Rechtsanwalts erforderlich macht. Hier verfolgt die Klägerin indessen Ansprüche auf Ersatz der Kosten der Lohnfortzahlung als Arbeitgeberin und nicht als Unfallgeschädigte. Die Ansprüche aus gem. § 6 EFZG übergegangenem Recht können sich nicht dahin erweitern, dass auch der Schaden des Arbeitgebers, also dessen Anwaltskosten, zu ersetzen wären. Diese sind daher ohne Vorliegen der Verzugsvoraussetzungen nicht erstattungsfähig (Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl., § 249 Rn. 380; LG Arnsberg, ZFS 1990, 224; AG Dortmund, Urt. vom 11.10.1999, 132 C 6509/99; AG Essen, Urt. vom 02.04.2014, 17 C 260/13 = BeckRS 2015,3585). Soweit die Klägerin auch ihr als Unfallgeschädigte originär zustehende Ansprüche wegen der Mietwagenkosten verfolgt hat, war die Klage unbegründet, so dass ihr auch insoweit ein Anspruch auf Erstattung ihrer Anwaltskosten nicht zusteht.
4.
Die Entscheidung über die Nebenforderung folgt aus § 286 BGB.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.