Oberlandesgericht Köln, Az.: 1 RBs 28/19, Beschluss vom 01.02.2019
I. Die Sache wird durch die Rechtsunterzeichnerin dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
II. Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu erneuter Behandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an das Amtsgericht Köln zurückverwiesen.
Gründe
A.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen mit der angefochtenen Entscheidung wegen „einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit gemäß § 41 Abs. 1 iVm Anlage 2, 43 Abs. 3, 49 StVO, § 24, 25 StVG, 250aBKat“ zu der Geldbuße von 500,– € verurteilt und ein Fahrverbot von zwei Monaten verhängt. Es hat zum Tatgeschehen u.a. die nachfolgenden Feststellungen getroffen:
„Der Betroffene befuhr am 08.11.2017 gegen 09:30 Uhr die Industriestraße in Köln an der Anschlussstelle Köln – Niehl als Führer des Lkw (Sattelzugmaschine) mit dem amtlichen Kennzeichen…, Fabrikat A (NL) in Fahrtrichtung Dortmund. Das Fahrzeug hat ein tatsächliches und zulässiges Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t.
Im fraglichen Teilstück ist die Industriestraße durch Verkehrszeichen 251 mit Zusatzzeichen 3,5 t für Kraftfahrzeuge mit mehr als 3,5 t zulässigen Gesamtgewicht gesperrt, da es sich hierbei um eine Autobahnauffahrt zur BAB 1 handelt. Die Autobahn führt ab der Anschlussstelle Köln–Niehl, ohne Abfahrtsmöglichkeit im direkten Weg über die Leverkusener Autobahnbrücke = die Leverkusener Rheinbrücke.
Aufgrund des maroden und baufälligen Zustandes der Brücke, ist die Brücke durchgehend seit dem 25.06.2014 für Kraftfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 Tonnen gesperrt. Spätestens seit dem 19.09.2017 war die Sperrung für Kraftfahrzeuge mit mehr als 3,5 t zulässigen Gesamtgewicht derart weiträumig ausgeschildert, dass gleich von welcher Zufahrt man in Richtung Sperrung fährt, man jedenfalls fünf Ankündigungs- (Hinweis-), bzw. Verbotsschilder passiert, bevor man zu dem gesperrten Teilstück kommt. Auch auf der Industriestraße wird mindestens 6-mal darauf hingewiesen, dass eine Auffahrt auf die BAB 1 nur für Fahrzeuge mit einem tatsächlichen bzw. zulässigen Gesamtgewicht unter 3,5 t erlaubt ist. Die Verkehrsführung ist an der Stelle so geregelt, dass zwei Spuren nach rechts auf die Autobahn 1 Richtung Dortmund gehen, Lkws mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 t müssen dagegen geradeaus, auf dem ganz linken Fahrstreifen der Industriestraße fahren.
Hinsichtlich der Beschilderung stellt sich die Situation wie folgt dar:
…
325 Meter vor der Schranke weist eine beidseitig aufgestellte Bodenbeschilderung (Verkehrszeichen 131; Achtung Lichtzeichenanlage) auf eine Lichtzeichenanlage hin.
Unmittelbar hinter diesem Verkehrszeichen sind auf der linken Fahrbahnseite der Industriestraße Leitbaken (Schraffenbaken) aufgestellt.
Die Verkehrsführung gestaltet sich spätestens ab diesen Zeitpunkt derart, dass sich ganz links die Leitbake, ein Betonrandstreifen und eine Randlinie befindet. Die linke Fahrbahn hat eine Breite von ca. 3,5 Metern. Sie wird durch jeweils eine gelbe Leitlinie von der mittleren und rechten Spur getrennt. Die mittlere und rechte Spur haben jeweils nur noch eine Fahrbahnbreite von 3 Metern. Es befinden sich mindestens 7 Leitbaken auf einer Strecke von gut 100 Metern auf der linken Fahrbahnseite.
Gut 50 Meter hinter dem Zeichen 131 beginnt die durchgezogene Linie (Zeichen 295) in Gelb.
Etwa 125 Meter hinter Zeichen 131 ist ein ca. 20-25 Meter langer „Trichter“. Auf den jeweiligen Mittellinien zwischen der rechten und der mittleren, sowie zwischen der mittleren und der linken Spur stehen dicht hinter einander jeweils 7 Leitschwellen (mit Pfeilbake). Ein Wechsel der Spur ist damit ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Die Spuren werden mittels Vario Guard voneinander getrennt.
…
Der Betroffene hat hinsichtlich der Verletzung des Durchfahrtverbotes und hinsichtlich der Nichtbeachtung der Verkehrseinrichtungen (hier Leitbaken und Leitschwellen) welche die Straßenfläche zusätzlich kennzeichnen, aufgrund der eindeutigen Beschilderung, mit jedenfalls bedingtem Vorsatz gehandelt, indem er einen Verstoß billigend in Kauf genommen hat. Er handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.“
Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen einer zumindest bedingt vorsätzlichen Verletzung des durch Zeichen 251 mit Zusatzzeichen 1053-33 angeordneten Durchfahrtverbots verurteilt und dabei auch die zum 19. Oktober 2017 neu geschaffene Regelung der Nr. 250a BKatV angewendet, wonach die Nichtbeachtung des Verkehrsverbots dann mit einer Regelbuße von 500 € und einem zweimonatigen Fahrverbot geahndet wird, wenn „die Straßenfläche zusätzlich durch Verkehrseinrichtungen gekennzeichnet war“ und der Verstoß vorsätzlich begangen worden ist. Zur Begründung hat das Tatgericht ausgeführt:
„Bei den sich ca. 325 Meter vor der Schranke befindlichen Leitbaken handelt es sich um eine Verkehrseinrichtung welche in Anlage 4 lfd. Nr. 2 zu § 43 Abs. 3 StVO aufgeführt ist.
Die Leitbaken befinden sich zwar nur auf der linken Seite der an dieser Stelle dreispurigen Fahrbahn. Sie stellen nach Ansicht des Gerichtes aber dennoch eine Verkehrseinrichtung dar, welche die Straßenfläche zusätzlich zu dem durch Zeichen 251 mit Zusatzzeichen angeordneten Verkehrsverbot kennzeichnen.
Die Leitbaken im „Baustellen- bzw. Gefahrenbereich“, was auf der Industriestraße durch die nunmehr gelbe und daher veränderte Fahrbahnmarkierung deutlich gemacht wird, stellen ersichtlich ein Zeichen dafür dar, dass spätestens jetzt die mehrfach vorher angekündigte Änderung der Verkehrsführung beginnt. Insbesondere weisen sie darauf hin, dass sich die Fahrbahn spätestens jetzt – wie angekündigt – verengen.
Gleichfalls stehen nach § 39 Abs. 2 Satz 3 StVO Verkehrsschilder regelmäßig zwar rechts. Sofern sie aber nur für einen einzelnen markierten Fahrstreifen gelten, sind sie in der Regel über diesem angebracht (§ 39 Abs. 2 Satz 4 StVO). Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass Verkehrsschilder die nur auf der linken Seite steht, auch für alle Richtungsfahrbahnen gelten, sofern dies hinreichend wahrnehmbar ist (ähnlich König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage, § 39 StVO Rz. 35 m.w.N.). Nach § 39 Abs. 2 Satz 2 StVO sind Verkehrszeichen Gefahrenzeichen, Vorschriftzeichen und Richtzeichen.
Die Leitbaken waren vorliegend zwar nur auf der linken Seite der Industriestraße aufgestellt, sollten jedoch ersichtlich noch einmal auf die geänderte Verkehrsführung und die damit zusammenhängenden Gefahren auf der gesamten Industriestraße hinweisen. Das Durchfahrtsverbot der Industriestraße auf der rechten und der mittleren Spur war insofern durch die Verkehrseinrichtung gekennzeichnet.
Daneben befinden sich – wie oben dargelegt – mindestens 7 Leitschwellen (Trichter) ca. 200 Meter vor der Schranke. Leitschwellen sind in Anlage 4 lfd. Nr. 3 zu § 43 StVO aufgeführt.
Der Betroffene hat hinsichtlich des Verstoßes auch vorsätzlich, zumindest in der Form des dolus eventualis gehandelt.
Der Betroffenen handelte nach Ansicht des Gerichts zunächst vorsätzlich hinsichtlich des Durchfahrtsverbots.
Wie oben ausgeführt weisen mindestens 6 Hinweisschilder und zusätzlich 2 LED-(Hinweis-)Tafeln darauf hin, dass ein Durchfahrtsverbot für Kraftfahrzeuge mit einer zulässige Gesamtmasse bzw. einer tatsächlichen Gesamtmasse von über 3,5 Tonnen und einer Breite von über 2,3 Meter besteht. Die Schilder sind übergroß, teilweise in neongelb. Fast alle Schilder sind zusätzlich mit Warnblinker versehen und nach Ansicht des Gerichts unübersehbar. Selbst einem unterdurchschnittlich aufmerksamen Fahrer konnte das dermaßen deutlich angekündigte Durchfahrtsverbot nicht verborgen bleiben, woraus bereits zu schließen ist, dass der Betroffene die Verletzung des Durchfahrtsverbot zumindest billigend in Kauf genommen hat. Daneben besteht die Sperrung der Leverkusener Brücke bereits seit 2014 und es wird rund um die Brücke auf dem Kölner Autobahnring mehrfach darauf hingewiesen. Auf den Autobahnen, die in Richtung Leverkusener Rheinbrücke führen, weisen mehr als 100 Hinweistafeln auf die Gewichtsbeschränkung hin (vgl. www.straßen.nrw.de). Auf der direkten Zufahrt sind dutzende Verbotsschilder aufgestellt. Einem Berufskraftfahrer dürfte daher bekannt sein, dass die Brücke für Sattelzugmaschine gesperrt ist (in ähnlicher Richtung bereits BR-Drucks 556/17 S. 35).
Angesichts der oben dargestellten Beschilderungssituation, bei welcher auf einer Strecke von rund 500 Metern das Durchfahrtsverbot 5-mal wiederholt wird, drängt sich ein diesbezügliche tatsächliche Wahrnehmung des Durchfahrtsverbot durch den Betroffenen in hohem Maße auf (vgl. auch OLG Köln vom 09.10.2018 Az.: III-1 RBs 267/18 – 82 Ss-OWi 98/18). Bei einer solchen – der Anordnung eines Ge- oder Verbots durch ein einzelnes Verkehrszeichen nicht vergleichbaren – Sachlage bedarf es gewichtiger, gegen die Annahme zumindest bedingten Vorsatzes sprechender Gegengründe (vgl. OLG Köln a.a.O.; gleichfalls OLG Köln v. 12.10.2018 Az.: III-1 RBs 303/18 – 82 Ss-OWi 94/16). Solche Gründe wurden von dem Betroffenen nicht vorgebracht.
Die von dem Betroffenen geführte Sattelzugmaschine war offensichtlich schwerer als 3,5 Tonnen. Daneben hat eine Sattelzugmaschine der Firma A – wie von dem Betroffenen geführt – eine Breite von 2,55 Metern. Dies dürfte dem Betroffenen als Berufskraftfahrer auch bekannt sein.
Der Betroffene hatte darüber hinaus nach Ansicht des Gerichtes auch zumindest den bedingten Vorsatz hinsichtlich der „Qualifizierung“. Der Betroffene konnte die Verkehrseinrichtungen, namentlich die Warnbaken und die Leitschwellen sehen, welche auf der Industriestraße aufgestellt waren und die Straßenfläche zusätzlich kennzeichnen.
Auch wenn die Industriestraße vor der hier streitgegenständlichen Verkehrssituation einen Bogen macht, so konnte der Betroffene die Leitbaken auf der linken Seite fast 100 Meter vor der ersten Leitbake sehen. Die Leitbaken sind auf einer relativ geraden Strecke, insbesondere aufgrund der erhöhten Position in einer Sattelzugmaschine gut sichtbar.
Aber selbst wenn er diese aus irgendeinem Grund nicht gesehen hat, so konnte der Betroffenen in jedem Fall den „Trichter“ und somit die Leitschwellen erkennen. Leitschwellen sind in Anlage 4 lfd. Nr. 3 zu § 43 Abs. 3 StVO aufgeführt. Die Leitschwellen sind knapp 100 Meter vorher zu sehen. Die Fahrbahn hat an der Stelle des Trichters lediglich eine Fahrbahnbreite von 3 Metern. Damit musste der Betroffene sich gleichsam durch den Trichter mit seiner 2,55 Meter breiten Sattelzugmaschine hindurch quetschen um keine Leitschwelle zu beschädigen.
Auch musste dem Betroffene aufgefallen sein, dass die Fahrbahnbreite statt wie überall in Deutschland 3,5 Meter (vgl. Richtlinien für Anlage von Straßen-Querschnitt) nur noch 3 Meter betragen hat.
Der Betroffene hatte damit mindestens einen bedingten Vorsatz hinsichtlich des Durchfahrtsverbots und der Kennzeichnung von diesem mittels Verkehrseinrichtungen.
Da es sich auch um eine sich stetig wiederholenden Beschilderung handelt überschreitet diese auch nicht die individuelle Wahrnehmungsgrenze des Betroffenen (vgl. dazu König, in: Henschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage, § 39 StVO Rz. 36 m.w.N. König hält mehr als drei Verkehrszeichen zugleich für eine Überschreitung der Wahrnehmungsgrenze). Die Beschilderung ist (für Sattelzugmaschinen) widerspruchsfrei, eindeutig erkennbar und setzt frühzeitig ein.“
Schließlich hat das Tatgericht zur Verhältnismäßigkeit der Normanwendung noch Folgendes ausgeführt:
„Die Anwendung der Norm ist darüber hinaus auch verhältnismäßig. Dem Betroffenen bleibt, nachdem er die Verkehrseinrichtungen (Leitbake und Leitschwelle) erkennen konnte, hinreichend Zeit wieder auf die richtige Fahrspur zu wechseln.
Sofern der Betroffene sich an die zulässige Hochgeschwindigkeit an der streitgegenständlichen Stelle gehalten hat, fuhr er mit einer Geschwindigkeit von 30 km/h. Bei 30 km/h legt ein Fahrzeug in der Sekunde 8,33 Meter zurück. Die Leitbaken waren ca. 100 Meter vorher erkennbar. Die Betroffenen blieben damit etwa 12 Sekunden um einen Fahrspurwechsel durchzuführen.
Dabei verkennt das Gericht nicht, dass dieses eine relativ kurze Zeit zum Fahrspurwechsel für eine Sattelzugmaschine ist. Es muss aber berücksichtigt werden, dass aufgrund der Gesamtschau der Beschilderung der Betroffene sich bereits im „einfachen“ Durchfahrtsverbot befand, was ihm – wie oben dargelegt – aufgrund der Beschilderung auch bewusst war. Zudem kannte der Betroffene die Verkehrssituation offensichtlich nicht, da er sonst nicht in die Schrankenanlage gefahren wäre. Die Brücke ist so geschützt, dass man von der Industriestraße kommend nicht mehr mit einem Fahrzeug über 3,5 Tonnen auf die Rheinbrücke fahren kann. Der Betroffene wusste damit – aufgrund der Beschilderung – nur, dass die Straße für Kraftfahrzeuge über 3,5 Tonnen und über 2,3 Meter gesperrt war. Er konnte damit nicht wissen, ob er mit seiner 2,55 Meter breiten Sattelzugmaschine überhaupt die Stelle passieren konnte. Insofern musste der Betroffene mit erhöhter Vorsicht fahren.
Die Leitbaken sind auf einer Strecke von 100 Metern aufgestellt. Auch in dieser Zeit hätte der Betroffene die Fahrspur noch ohne weiteres wechseln können.
Sofern der Betroffene nicht die Leitbaken auf der linken Seite erkannt hat, hätte er auf jeden Fall den Trichter und damit die Leitschwellen erkennen können. Diesen sind gleichfalls etwa 75 bis 100 Meter vor der eigentlichen Durchfahrt erkennbar. So dass der Betroffenen auch hier etwa 10 Sekunden Zeit hat um eine Fahrspurwechsel, der dann noch möglich ist, durchzuführen.
Dabei verkennt das Gericht nicht, dass ca. 50 Meter vor dem Trichter bzw. den Leitschwellen die durchgezogen Linie (Verkehrszeichen 295) beginnt. Ab diesem Zeitpunkt kann der Betroffene die Fahrbahn nicht mehr legal wechseln. Allerdings ist ein Wechsel faktisch noch möglich. Angesichts des Trichters, wo sich der Betroffene gleichsam durchquetschen muss, erscheint ein Überfahren der Durchgezogenen Linie aber noch verhältnismäßig. Das verbotswidrige Überfahren der Fahrstreifenbegrenzung (Zeichen 295) wird im Übrigen nur mit eine Geldbuße von 10,00 Euro geahndet (§ 41 Abs. 1 iVm. Anlage 2, § 49 StVO, § 24 StVG, 155 BKat; TBN 141253).
Das Gericht ist zudem der Ansicht, dass der Betroffene als Berufskraftfahrer mit den Leitbaken und den Leitschwellen rechnen musste. Aufgrund von der Beschilderung und der Situation von Ort wusste der Betroffene, dass die Fahrbahn verengt wird (Durchfahrtsverbot für Fahrzeug die eine tatsächliche Breite von mehr als 2,3 Meter aufweisen; Verkehrszeichen 264 und gelbe Leitlinien, welche den Gefahrenbereich kennzeichnen). Eine Verengung der Fahrbahn auf einer Autobahn ist immer mit Leitbaken oder Leitschwellen gekennzeichnet.
Erst im Trichter ist ein Wechsel des Betroffenen nicht mehr möglich und er fährt unweigerlich in die Schrankenanlage, wo das Beweisfoto ausgelöst wird.“
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, die er mit der allgemeinen Sachrüge begründet.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Rechtsbeschwerde des Betroffenen als unbegründet zu verwerfen.
B.
I.
Die Sache war gemäß § 80a Abs. 3 S. 1 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen, weil die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des Rechts geboten ist.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Ziff. 2 OWiG statthafte, Zulässigkeitsbedenken nicht unterliegende Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat auch in der Sache (jedenfalls vorläufigen) Erfolg.
Die Anwendung der Ziff. 250a BKatV durch das Tatgericht wird von den bislang getroffenen Feststellungen nicht getragen.
Danach verwirkt eine Regelgeldbuße von 500,– € sowie ein Regelfahrverbot von zwei Monaten, wer vorschriftswidrig ein Verbot für Kraftwagen mit einem die gesamtmassebeschränkenden Zusatzzeichen (Zeichen 251 mit Zusatzzeichen 1053-33) nicht beachtet, wobei die Straßenfläche zusätzlich durch Verkehrseinrichtungen (Anlage 4 lfd. Nr. 1 bis 4 zu § 43 Abs. 3 StVO) gekennzeichnet ist. Die Vorschrift statuiert daher ein – gegenüber dem durch Zeichen 251 angeordneten „schlichten“ – ein gleichsam „qualifiziertes“ Durchfahrverbot. Die gemeinten Verkehrseinrichtungen sind dabei Schranken, Leitbaken, Leitschwellen und Leitborde (vgl. SenE v. 4. Oktober 2018 – III-1 RBs 217/18).
1.
Das Tatgericht führt zunächst aus, dass es sich bei den ca. 325 m vor der Schranke befindlichen Leitbaken um eine Verkehrseinrichtung handele, welche in Anlage 4 lfd. Nr. 2 zu § 43 Abs. 3 StVO aufgeführt ist und welche die Straßenfläche zusätzlich zu dem durch Zeichen 251 mit Zusatzzeichen angeordneten Verkehrsverbot kennzeichne. Die Leitbaken befinden sich nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil „zwar nur auf der linken Seite der an dieser Stelle dreispurigen Fahrbahn“, stellen nach Auffassung des Tatgerichts aber gleichwohl eine tatbestandsmäßige Verkehrseinrichtung dar.
Diese Leitbaken sind aufgrund ihrer Aufstellung am linken Fahrbahnrand neben der linken Fahrspur jedoch nicht geeignet, das allein auf der mittleren und rechten Richtungsfahrbahn geltende Durchfahrtverbot zu qualifizieren. Zwar trifft es im Ansatz zu, dass Verkehrszeichen als Schilder in der Regel rechts, unter Umständen aber auch links oder auf beiden Straßenseiten angebracht werden können, bei Geltung nur für einzelne Fahrstreifen über diesen (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage, § 39 StVO Rn. 35). Auch sind Leitbaken (Zeichen 605) gemäß § 43 Abs. 3 S. 2 StVO in Verbindung mit Anlage 4 Abschnitt 1 lfd. Nr. 2 nach der Verwaltungsvorschrift zu § 43 StVO so aufzustellen, „dass die Streifen nach der Seite fallen, auf der an dem Hindernis vorbeizufahren ist“ (vgl. Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 43 StVO Rn. 3). Dabei verbieten „Verkehrseinrichtungen“ der Anlage 4 Abschn. 1 nach der lfd. Nr. zu 1 bis 7 „das Befahren der so gekennzeichneten Straßenfläche und leiten den Verkehr an dieser Fläche vorbei“. Ungeachtet der grundsätzlich nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung bestehenden Möglichkeit, das Zeichen 605 mit je nachdem unterschiedlich „fallenden“ Streifen am rechten oder linken Fahrbahnrand aufzustellen, ergibt sich aus dem Inhalt der zitierten Verwaltungsvorschrift, dass sie neben dem „Hindernis“, aber nicht neben einer Verkehrsfläche aufzustellen sind, auf der das „Hindernis“ – hier in Gestalt des Durchfahrverbots – gerade nicht gilt. Dies gilt mit Blick auf den subjektiven Tatbestand umso mehr, als die neben der linken Spur befindlichen Leitbaken im Einzelfall und je nach Verkehrsdichte für mittig oder rechts fahrende Betroffene durch auf der linken Spur fahrende Fahrzeuge verdeckt sein können, so dass eine tatsächliche Wahrnehmbarkeit der Kennzeichnung an dieser Stelle auch aus diesem Grund nicht gewährleistet ist.
2.
Soweit das Tatgericht daneben auf die den sogenannten „Trichter“ kennzeichnenden mindestens 7 Leitschwellen abstellt, die der Betroffene auf jeden Fall rechtzeitig hätte erkennen können, begegnen die Feststellungen ebenfalls rechtsbeschwerderechtlich durchgreifenden Bedenken.
Der Senat hat mit Blick auf die Leitschwellen in seiner Entscheidung vom 4. Oktober 2018 ausgeführt, dass sich das Amtsgericht in erster Linie mit der Schrankenanlage befasst und sich damit den Blick auf die mögliche Bedeutung der gleichfalls vom Tatbestand erfassten Leitschwellen verstellt habe; in der zitierten Senatsentscheidung heißt es u.a:
„Auch wenn das Tatgericht (UA 7 4. Abs. aE) von einer Möglichkeit spricht, „den Bereich“ zu verlassen, bleibt mangels diesbezüglicher konkreter Urteilsfeststellungen nämlich letztlich offen, ob der Betroffene in dem Zeitpunkt, da ihm die Wahrnehmung der besonders gekennzeichneten Straßenfläche erstmals möglich ist, deren Befahren (etwa durch verkehrsgerechtes Ausweichen auf die nach Süden führende Fahrspur Richtung BAB 1) noch vermeiden kann. Sollte der Betroffene im Zeitpunkt der ersten Wahrnehmungsmöglichkeit der besonders gekennzeichneten Straßenfläche gleichsam gezwungen sein, in diese und in der Folge dann auch in die Schrankenanlage hineinzufahren, würde ihn der Normbefehl erst zu einem Zeitpunkt erreichen, da er über keine rechtmäßige Handlungsalternative mehr verfügte. Eine (gesteigerte) Bebußung wäre daher mangels möglicher Erreichung eines legitimen Zwecks unverhältnismäßig. Sollte er indessen in diesem Zeitpunkt noch über die Möglichkeit verfügen, das Befahren der besonders gekennzeichnete Straßenfläche verkehrsgerecht zu vermeiden, stünden der Anwendung des Tatbestandes aus Sicht des Senats durchgreifende Bedenken nicht entgegen.“
Den zitierten Anforderungen genügen die nunmehr getroffenen Feststellungen weiterhin nicht.
a)
Die Beweiswürdigung ist in diesem Zusammenhang bereits insoweit lückenhaft, als das Tatgericht nicht darlegt, worauf die Erkenntnis beruht, dass die Leitschwellen „gleichfalls 75 bis 100 Meter vor der eigentlichen Durchfahrt erkennbar sind“ (S 14/15 UA). Es erschließt sich nicht, inwieweit sich die tatsächliche Erkennbarkeit aus den auf Seite 7 UA aufgezählten Beweismitteln (Beschilderungsplan, Fotos von der Beschilderung, Beweisfotos) ergibt.
b)
Darüber hinaus tragen die bisher getroffenen Feststellungen nicht die Annahme, dass der Betroffene in dem Zeitpunkt, da ihm die Wahrnehmung der durch die Leitschwellen besonders gekennzeichneten Straßenfläche erstmals möglich ist, deren Befahren (etwa durch verkehrsgerechtes Ausweichen auf die nach Süden führende Fahrspur Richtung BAB 1) tatsächlich noch vermeiden kann.
aa)
Soweit das Tatgericht dabei im Ansatz die Strecke ab Beginn der durchgezogenen Linie in die tatsächliche Ausweichmöglichkeit des Betroffenen mit einbezieht und ein Überfahren der durchgezogenen Linie ausdrücklich als noch verhältnismäßig ansieht (S 15 UA), begegnet dies durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 4. Oktober 2018 darauf hingewiesen, dass eine (gesteigerte) Bebußung mangels möglicher Erreichung eines legitimen Zwecks unverhältnismäßig wäre, wenn der Betroffene zu dem Zeitpunkt, zu dem in der Normbefehl erreicht, über keine rechtmäßige Handlungsalternative mehr verfügt und das Befahren der besonders gekennzeichneten Straßenfläche demnach nicht mehr verkehrsgerecht vermeiden kann. Soweit das Amtsgericht demgegenüber die Auffassung vertritt, der Betroffene könne ab Beginn der durchgezogenen Linie die Fahrbahn zwar nicht mehr legal, aber noch faktisch wechseln, was – auch angesichts der deutlich geringeren Sanktionierung im Ordnungswidrigkeitenrecht – noch verhältnismäßig sei, wird der Betroffene in eine unzulässige Pflichtenkollision gebracht, indem von ihm eine Handlung verlangt wird, die ihm nicht zumutbar ist, weil sie rechtlich verboten ist.
bb)
Kommt es demnach darauf an, ob für den Betroffenen die legale Möglichkeit bestand, ab Erkennen der tatbestandsmäßige Verkehrseinrichtung (Leitschwellen) die Fahrbahn bis zum Beginn der durchgezogenen Linie noch zu wechseln, sind die Feststellungen des Tatgerichts in rechtsbeschwerderechtlich bedeutsamer Weise widersprüchlich und lückenhaft.
Der „Trichter“ befindet sich nach den Feststellungen 200 Meter vor der Schranke (S 9 UA). Die den „Trichter“ kennzeichnenden Leitschwellen sind nach den oben bereits wiedergegeben Ausführungen „75 bis 100 Meter vor der eigentlichen Durchfahrt“ erkennbar (S 15 UA). Ausweislich der sich unmittelbar anschließenden Feststellung beginnt 50 Meter vor den Leitschwellen die durchgezogene Linie. Diese Feststellungen sind ihrerseits nicht in Einklang zu bringen mit der Aussage, dass “gut 50 m hinter dem Zeichen 131 die durchgezogene Linie beginnt“ (S 6 UA), denn Zeichen 131 befindet sich 325 Meter vor der Schranke (S 5 UA). Nach den Feststellungen S 5/6 UA beginnt die durchgezogene Linie 275 Meter vor der Schranke, nach den Feststellungen S 9/15 UA hingegen 250 Meter vor der Schranke.
Wird davon ausgehend zu Gunsten des Betroffenen die sich aus S 9/15 UA ergebende Annahme zugrunde gelegt, verbleiben dem Betroffenen ab dem Zeitpunkt, zu dem er die Leitschwellen erkennen kann, 25 Meter, um die Fahrbahn noch legal wechseln zu können. Der Senat vermag aus eigener Sachkunde nicht zu beurteilen, ob diese Strecke auch bei Einhaltung der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit und unter Berücksichtigung einer Reaktionszeit von 1 Sekunde, in welcher der Fahrer nach der insoweit zutreffenden tatrichterlichen Berechnung (S 14 UA) bereits 8,33m zurückgelegt hat, ausreichend ist, um einen Fahrspurwechsel vorzunehmen; dies erscheint jedenfalls zweifelhaft. Auch das Amtsgericht hält in anderem Zusammenhang bereits die in 12 Sekunden zurückgelegte Fahrtstrecke, die dem Betroffenen bleibt, um ab Erkennbarkeit der Leitbaken 100 Meter vorher auszuweichen, für „relativ kurz“ (S 14 UA).