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Hoher Toleranzabzug bei Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mit ungeeichtem Tacho

Raserduell auf der AVUS! Nach einem nächtlichen Geschwindigkeitsrennen verhängt die Polizei einen saftigen Bußgeldbescheid – doch das Amtsgericht zeigt sich überraschend gnädig und spricht den Fahrer fast frei. Nun muss das Kammergericht entscheiden, ob der Raser glimpflich davonkommt oder doch die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Kammergericht Berlin
  • Datum: 14.06.2024
  • Aktenzeichen: 3 ORbs 100/24 – 162 SsBs 18/24
  • Verfahrensart: Rechtsbeschwerdeverfahren
  • Rechtsbereiche: Ordnungswidrigkeitenrecht, Verkehrsrecht

Beteiligte Parteien:

  • Amtsanwaltschaft Berlin: Diese hat gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten Rechtsbeschwerde eingelegt, da sie die Beweiswürdigung des Amtsgerichts hinsichtlich der Geschwindigkeitsmessung als fehlerhaft ansieht.
  • Amtsgericht Tiergarten: Ursprünglicher Verfahrensführer, dessen Urteil aufgehoben wurde. Es hatte den Betroffenen nur wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt und keine Fahrverbote erteilt, basierend auf einer aus Sicht des Kammergerichts mangelhaften Beweiswürdigung.
  • Betroffener: Ihm wurde ursprünglich eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen, das Amtsgericht hatte die Anklage jedoch auf fahrlässige Geschwindigkeitsüberschreitung reduziert.

Um was ging es?

  • Sachverhalt: Der Betroffene überschritt innerhalb einer Ortschaft die zulässige Höchstgeschwindigkeit. Die Polizei Berlin hatte mit einem ungeeichten Tachometer durch Nachfahren die Geschwindigkeit gemessen. Der Betroffene legte Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein und wurde vom Amtsgericht Tiergarten zu einer geringeren Strafe ohne Fahrverbot verurteilt.
  • Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob die Beweiswürdigung des Amtsgerichts zur Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mit einem ungeeichten Tachometer korrekt und ausreichend begründet war.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Kammergericht Berlin hob das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück.
  • Begründung: Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts war lückenhaft und nicht ausreichend begründet. Insbesondere fehlten nachvollziehbare Angaben zur Beweiserhebung und Begründungen für den Sicherheitsabschlag bei der Geschwindigkeitsmessung.
  • Folgen: Das Amtsgericht muss den Fall neu verhandeln und die Kosten der Rechtsbeschwerde tragen. Diese Entscheidung verdeutlicht die Anforderungen an die Beweiswürdigung bei Geschwindigkeitsmessungen durch Nachfahren mit ungeeichten Tachometern.

Einfluss von Messfehlern auf Geschwindigkeitsurteile und Verkehrssicherheit

Die Messung der Fahrzeuggeschwindigkeit ist ein entscheidender Aspekt der Verkehrssicherheit und wird durch verschiedenste technische und rechtliche Grundlagen geregelt. Ein häufig auftretendes Problem sind Messfehler, die durch abweichende Geschwindigkeiten oder ungeeichte Tachos entstehen können. Bei Verkehrskontrollen, insbesondere bei Geschwindigkeitsmessungen durch Nachfahren, spielt der Toleranzabzug eine wichtige Rolle, da er die maximal zulässige Abweichung von der tatsächlichen Geschwindigkeit festlegt.

In vielen Fällen kann ein hoher Toleranzabzug die rechtlichen Folgen einer Geschwindigkeitsüberschreitung erheblich beeinflussen. Die Dringlichkeit der Messgenauigkeit sowie die Justierung von Tachos sind daher zentrale Punkte, die in rechtlichen Auseinandersetzungen häufig thematisiert werden. Eine genauere Betrachtung eines konkreten Falls wird im Folgenden aufzeigen, inwiefern diese Aspekte die Entscheidung des Gerichts beeinflusst haben.

Der Fall vor Gericht


Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren auf der AVUS – KG Berlin prüft Toleranzabzüge

 Polizeiwagen folgt Auto bei nächtlicher Geschwindigkeitsmessung.
(Symbolfoto: Ideogram gen.)

Das Kammergericht Berlin hat ein Urteil des Amtsgerichts Tiergarten aufgehoben, das bei einer nächtlichen Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren einen außergewöhnlich hohen Toleranzabzug von 30 Prozent vorgenommen hatte. Die Polizei Berlin hatte dem Betroffenen ursprünglich eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung um 44 km/h innerorts vorgeworfen und mit Bußgeldbescheid vom 29. Juni 2023 eine Geldbuße von 1.000 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot verhängt.

Unterschiedliche Bewertungen der Geschwindigkeitsüberschreitung

Das Amtsgericht Tiergarten reduzierte nach Einspruch des Betroffenen die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung erheblich. Es verurteilte den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung um nur noch 26 km/h zu einer Geldbuße von 500 Euro und sah von einem Fahrverbot ab. Dabei wandte das Gericht einen Toleranzabzug von 30 Prozent auf den gemessenen Bruttowert von 180 km/h an. Diese Entscheidung wurde von der Amtsanwaltschaft Berlin mit der Rechtsbeschwerde angefochten.

Anforderungen an Geschwindigkeitsmessungen durch Nachfahren

Das Kammergericht betont in seinem Beschluss, dass das Nachfahren mit ungeeichtem Tachometer kein Standardisiertes Messverfahren darstellt. Die Zuverlässigkeit der Messung müsse in jedem Einzelfall geprüft werden. Dabei seien besondere Anforderungen zu beachten: Bei Geschwindigkeiten über 100 km/h muss die Messstrecke mindestens 500 Meter betragen. Der Verfolgungsabstand darf bei Geschwindigkeiten über 90 km/h nicht mehr als 100 Meter betragen. Bei Messungen in der Dunkelheit sind zusätzlich die Beobachtungsmöglichkeiten der Polizeibeamten detailliert darzulegen.

Mängel in der Beweiswürdigung des Amtsgerichts

Das Kammergericht stellte erhebliche Mängel in der Beweiswürdigung des Amtsgerichts fest. So blieb unklar, auf welche Beweismittel sich das Gericht stützte. Obwohl zwei Polizeibeamte erwähnt wurden, fehlten Angaben zu deren Vernehmung und Aussagen. Der hohe Toleranzabzug wurde nicht ausreichend begründet. Das Amtsgericht hatte neben der gesetzlichen Standardabweichung des Tachometers zusätzliche Abschläge für die nächtliche Messung und mögliche Ungenauigkeiten beim Einhalten des Abstands vorgenommen, ohne dies auf konkrete Feststellungen zu stützen. Das Kammergericht kritisierte besonders, dass die Messung auf der schnurgeraden AVUS erfolgte, was eigentlich ideale Bedingungen für eine Nachfahrmessung biete und gegen die Notwendigkeit derart hoher Toleranzabzüge spreche.

Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung

Das Kammergericht verwies den Fall zur neuen Verhandlung an das Amtsgericht Tiergarten zurück. Die Beweiswürdigung müsse auf einer konkreten Beweisaufnahme basieren und nachvollziehbar begründen, warum im Einzelfall von den üblichen Toleranzwerten abgewichen werden soll. Das Kammergericht folgt in seiner ständigen Rechtsprechung einem Toleranzwert von 20 Prozent des Ablesewertes bei Nachfahrmessungen mit ungeeichtem und nicht justiertem Tachometer.


Die Schlüsselerkenntnisse


Bei Geschwindigkeitsmessungen durch Nachfahren mit ungeeichtem Tachometer reicht es nicht aus, einfach höhere Toleranzabzüge anzusetzen – diese müssen konkret begründet und durch Beweise gestützt werden. Das Kammergericht Berlin stellt klar, dass der übliche Toleranzabzug von 20% nur dann überschritten werden darf, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen. Selbst wenn die Messung nachts stattfindet, muss das Gericht genau darlegen, warum und in welchem Umfang zusätzliche Abzüge erforderlich sind. Dies gilt besonders, wenn die äußeren Bedingungen wie eine gerade Straße eigentlich für eine zuverlässige Messung sprechen.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie von einer Nachfahrmessung betroffen sind, können Sie nicht automatisch von einem besonders hohen Toleranzabzug profitieren – auch nicht bei einer nächtlichen Messung. Die Gerichte müssen zwar einen Sicherheitsabschlag von mindestens 20% berücksichtigen, darüber hinausgehende Abzüge müssen aber durch konkrete Beweise für Messunsicherheiten belegt werden. Selbst wenn die Messung unter erschwerten Bedingungen wie Dunkelheit stattfand, führt dies nicht automatisch zu einem höheren Abzug. Ihre Chancen auf eine Reduzierung des Bußgeldes steigen nur dann, wenn Sie konkrete Anhaltspunkte für Messfehler nachweisen können. Die bloße Behauptung möglicher Ungenauigkeiten reicht dafür nicht aus.


Wurden auch Sie mit überhöhter Geschwindigkeit gemessen und haben Zweifel an der Genauigkeit der Messung? Gerade bei Nachfahrmessungen ist es wichtig, die individuellen Umstände genau zu prüfen. Wir unterstützen Sie dabei, Ihre Rechte zu wahren und die Beweislage zu Ihren Gunsten zu bewerten. Sprechen Sie uns an, um Ihre Situation im Detail zu analysieren und die bestmögliche Strategie für Ihr Verfahren zu entwickeln.
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FAQ - Häufig gestellte Fragen

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Welche Toleranzabzüge gelten bei Geschwindigkeitsmessungen durch Nachfahren?

Bei der Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren werden deutlich höhere Toleranzwerte angesetzt als bei standardisierten Messverfahren, da diese Messmethode verschiedenen Fehlerquellen unterliegt.

Toleranzabzüge bei geeichtem Tachometer

Bei Verwendung eines geeichten Tachometers im Polizeifahrzeug gilt:

  • 10 km/h Abzug bei Geschwindigkeiten bis 100 km/h
  • 10 Prozent Abzug bei Geschwindigkeiten über 100 km/h

Toleranzabzüge bei ungeeichtem Tachometer

Bei Messungen mit einem nicht geeichten Tachometer sind folgende Abzüge vorzunehmen:

Ein erster Toleranzabzug von 10 Prozent plus 4 km/h für mögliche Eigenfehler des Tachometers. Zusätzlich ist ein zweiter Toleranzabzug zwischen 6 und 12 Prozent der gemessenen Geschwindigkeit erforderlich.

Bei schlechten Sichtverhältnissen oder schwankendem Abstand zwischen den Fahrzeugen kann sich der Sicherheitsabschlag noch weiter erhöhen.

Besondere Faktoren für die Toleranzberechnung

Die Höhe des Toleranzabzugs wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst:

Der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug spielt eine wichtige Rolle. Bei Geschwindigkeiten von 40 bis 60 km/h darf dieser maximal 30 Meter, bei 62 bis 90 km/h maximal 50 Meter und bei 91 bis 120 km/h maximal 100 Meter betragen.

Die Länge der Messstrecke ist ebenfalls entscheidend. Bei höheren Geschwindigkeiten muss die Messstrecke länger sein. Für Geschwindigkeiten zwischen 50 und 70 km/h sind 300 bis 400 Meter erforderlich, bei 71 bis 90 km/h 400 bis 600 Meter und bei Geschwindigkeiten über 90 km/h mindestens 500 Meter.

Ein zu geringer Abstand kann durch eine längere Messstrecke und einen großzügigeren Toleranzabzug ausgeglichen werden.


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Welche Mindestanforderungen muss eine Nachfahrmessung erfüllen?

Eine rechtlich verwertbare Nachfahrmessung ist nur bei wesentlichen Geschwindigkeitsüberschreitungen von mindestens 20 km/h zulässig.

Erforderliche Messstrecken

Die Länge der Messstrecke muss je nach gefahrener Geschwindigkeit folgende Mindestanforderungen erfüllen:

  • 150 Meter bei 40-60 km/h
  • 250 Meter bei 61-90 km/h
  • 500 Meter bei Geschwindigkeiten über 90 km/h
  • 1000 Meter bei Geschwindigkeiten über 120 km/h

Abstandsregelungen

Der Verfolgungsabstand zwischen den Fahrzeugen muss während der gesamten Messung möglichst konstant bleiben. Dabei gelten folgende Maximalabstände:

  • Maximal 30 Meter bei 40-60 km/h
  • Maximal 50 Meter bei 61-90 km/h
  • Maximal 100 Meter bei Geschwindigkeiten über 90 km/h

Dokumentationspflichten

Bei der Messung müssen folgende Angaben zwingend dokumentiert werden:

  • Datum, Zeit und Ort der Messung
  • Fahrtrichtung
  • Zulässige Geschwindigkeit
  • Kontrollschildnummer des erfassten Fahrzeugs
  • Namen der kontrollierenden Personen

Besondere Anforderungen

Bei Messungen zur Nachtzeit oder bei Dunkelheit müssen die Sicht- und Beleuchtungsverhältnisse detailliert dokumentiert werden. Bei Verwendung eines ungeeichten Tachometers ist ein Toleranzabzug von 20% der gemessenen Geschwindigkeit erforderlich. Wenn ein ProViDa-System zum Einsatz kommt, muss das verfolgte Fahrzeug am Ende der Messung nicht breiter abgebildet sein als am Anfang.


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Wann können erhöhte Toleranzabzüge geltend gemacht werden?

Erhöhte Toleranzabzüge können in Situationen geltend gemacht werden, in denen besondere Fehlerquellen bei der Geschwindigkeitsmessung vorliegen. Dies ist insbesondere der Fall bei:

Verwendung eines ungeeichten Tachometers

Wenn das Verfolgungsfahrzeug mit einem nicht geeichten Tachometer ausgestattet ist, wird in der Regel ein Sicherheitsabschlag von 20% der gemessenen Geschwindigkeit vorgenommen. Dies gilt beispielsweise, wenn ein Privatfahrzeug eines Polizeibeamten für die Nachfahrmessung eingesetzt wird.

Erschwerte Sichtverhältnisse

Bei Nachtfahrten oder anderen Situationen mit schlechten Sichtverhältnissen kann der Toleranzabzug weiter erhöht werden. In solchen Fällen müssen die Beobachtungsmöglichkeiten der Polizeibeamten im Messprotokoll genau dokumentiert sein.

Schwankender Abstand zwischen den Fahrzeugen

Wenn der Abstand zwischen dem vorausfahrenden Fahrzeug und dem Polizeifahrzeug nicht konstant gehalten werden kann, ist dies eine weitere Fehlerquelle, die zu einem erhöhten Toleranzabzug führen kann.

Verwendung eines Navigationsgeräts statt Tachometer

Wird für die Geschwindigkeitsmessung ein Navigationsgerät anstelle des Tachometers verwendet, kann dies ebenfalls zu einem höheren Toleranzabzug führen.

Zu kurze Messstrecke

Bei einer zu kurzen Messstrecke im Verhältnis zur gefahrenen Geschwindigkeit kann der Toleranzabzug ebenfalls erhöht werden. Beispielsweise sollte die Messstrecke bei Geschwindigkeiten über 90 km/h mindestens 500 Meter betragen.

In Fällen mit mehreren dieser Faktoren kann der Toleranzabzug auf bis zu 27% der gemessenen Geschwindigkeit steigen. Wenn Sie von einer Geschwindigkeitsmessung betroffen sind, bei der solche erschwerten Bedingungen vorlagen, können Sie diese Umstände anführen, um einen erhöhten Toleranzabzug geltend zu machen.


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Welche Beweiskraft hat eine Nachfahrmessung vor Gericht?

Nachfahrmessungen haben vor Gericht eine eingeschränkte Beweiskraft im Vergleich zu standardisierten Messverfahren. Gerichte erkennen sie grundsätzlich als zulässige Methode zur Geschwindigkeitsermittlung an, stellen jedoch hohe Anforderungen an ihre Durchführung und Dokumentation.

Voraussetzungen für die Anerkennung

Damit eine Nachfahrmessung als Beweismittel vor Gericht Bestand hat, müssen folgende Kriterien erfüllt sein:

  • Ausreichende Messstrecke: Bei Geschwindigkeiten über 100 km/h sollte die Messstrecke mindestens 500 Meter betragen.
  • Konstanter Abstand: Der Abstand zwischen dem verfolgenden Polizeifahrzeug und Ihrem Fahrzeug sollte gleichbleibend und nicht größer als etwa 100 Meter sein.
  • Dokumentation: Die genauen Umstände der Messung, wie Streckenlänge, Abstand und abgelesene Geschwindigkeit, müssen im Protokoll festgehalten werden.
  • Sichtverhältnisse: Bei Messungen in der Dunkelheit oder bei schlechter Sicht sind zusätzliche Angaben zu den Beobachtungsmöglichkeiten der Polizeibeamten erforderlich.

Bewertung durch das Gericht

Gerichte betrachten Nachfahrmessungen nicht als standardisiertes Messverfahren. Das bedeutet für Sie: Das Gericht muss in jedem Einzelfall die Zuverlässigkeit der Messung prüfen und sich mit den spezifischen Umständen auseinandersetzen.

Toleranzabzüge

Bei Nachfahrmessungen mit ungeeichtem Tachometer gewähren Gerichte in der Regel einen Toleranzabzug von 20% von der gemessenen Geschwindigkeit. In besonderen Fällen, etwa bei sehr schlechten Sichtverhältnissen, kann dieser Abzug sogar noch höher ausfallen.

Anfechtbarkeit

Aufgrund der vielen möglichen Fehlerquellen bei Nachfahrmessungen haben Sie als Betroffener gute Chancen, die Messung anzufechten. Achten Sie besonders auf folgende Punkte:

  • Wurde die Mindestmessstrecke eingehalten?
  • War der Abstand zwischen den Fahrzeugen konstant?
  • Sind alle relevanten Umstände der Messung im Protokoll dokumentiert?
  • Wurde ein angemessener Toleranzabzug berücksichtigt?

Wenn Sie mit einem Bußgeldbescheid konfrontiert werden, der auf einer Nachfahrmessung basiert, lohnt es sich, die Messung kritisch zu hinterfragen. Die Beweiskraft dieser Methode ist deutlich geringer als bei geeichten, stationären Messgeräten, was Ihnen mehr Spielraum für eine erfolgreiche Anfechtung gibt.


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Welche Dokumentationspflichten bestehen bei Nachfahrmessungen?

Bei einer Nachfahrmessung müssen die Polizeibeamten eine lückenlose Dokumentation des gesamten Messvorgangs sicherstellen.

Grundlegende Dokumentation vor der Messung

Die Beamten müssen vor Beginn der Messung folgende Basisdaten schriftlich festhalten:

  • Datum und Uhrzeit der Inbetriebnahme
  • Genaue Standortbezeichnung mit Messrichtung
  • Bezeichnung des Messsystems mit METAS-Nummer
  • Verantwortliche Kontrollperson

Technische Parameter

Im Messprotokoll sind alle relevanten technischen Details zu vermerken. Dazu gehören der Zustand der Eichung des Messgeräts, die Überprüfung des Reifendrucks und die korrekte Kameraposition. Bei GPS-unterstützten Nachfahrtachografen entfällt die Nacheichung bei Rad- oder Reifenwechsel.

Messstrecke und Abstände

Die Dokumentation der Messstrecke muss präzise erfolgen. Bei Geschwindigkeiten über 90 km/h ist eine Mindestlänge von 500 Metern erforderlich. Der Abstand zum verfolgten Fahrzeug darf bei Geschwindigkeiten über 90 km/h maximal 100 Meter betragen und muss während der gesamten Messung möglichst konstant bleiben.

Videoaufzeichnung

Bei einer Videoaufzeichnung müssen folgende Elemente dokumentiert werden:

  • Durchgehende Aufnahme des Messvorgangs
  • Einblendung der gemessenen Geschwindigkeit
  • Erkennbarkeit von Ort, Datum und Uhrzeit
  • Deutliche Sichtbarkeit des Kennzeichens des verfolgten Fahrzeugs

Besondere Umstände

Bei Messungen zur Nachtzeit sind zusätzlich die Beleuchtungsverhältnisse und Orientierungspunkte genau zu dokumentieren. Bei der Verwendung eines Navigationsgeräts statt eines Tachos sind ergänzende Angaben zum Gerätetyp und dessen Funktionsweise erforderlich.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar - Fachbegriffe einfach erklärt

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Nachfahrmessung

Eine Methode der polizeilichen Geschwindigkeitskontrolle, bei der ein Polizeifahrzeug einem zu kontrollierenden Fahrzeug mit gleichbleibender Geschwindigkeit und Abstand folgt, um dessen Geschwindigkeit zu ermitteln. Geregelt wird dies in den bundeseinheitlichen Richtlinien für Geschwindigkeitsmessungen (VwV-StVO). Bei korrekter Durchführung muss der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug konstant bleiben und die Messstrecke bei Geschwindigkeiten über 100 km/h mindestens 500 Meter betragen. Beispiel: Ein Streifenwagen folgt einem PKW über eine Distanz von 600 Metern mit gleichbleibendem Abstand und liest dabei die eigene Geschwindigkeit ab.


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Toleranzabzug

Ein gesetzlich vorgeschriebener Sicherheitsabschlag bei Geschwindigkeitsmessungen, der mögliche Messfehler berücksichtigt und vom gemessenen Wert abgezogen wird. Bei Nachfahrmessungen mit ungeeichtem Tachometer beträgt dieser standardmäßig 20% des Messwertes (gemäß ständiger Rechtsprechung). Der Abzug schützt den Betroffenen vor falschen Bußgeldern aufgrund technischer Ungenauigkeiten. Beispiel: Bei einer gemessenen Geschwindigkeit von 180 km/h werden 36 km/h (20%) als Toleranz abgezogen, sodass rechtlich 144 km/h zugrunde gelegt werden.


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Standardisiertes Messverfahren

Ein rechtlich anerkanntes und wissenschaftlich validiertes Verfahren zur Geschwindigkeitsmessung, das bestimmten technischen und rechtlichen Anforderungen entspricht. Geregelt in § 1 MessEG (Mess- und Eichgesetz) und entsprechenden Verwaltungsvorschriften. Im Gegensatz zu nicht standardisierten Verfahren müssen bei standardisierten Messverfahren weniger Nachweise zur Messgenauigkeit erbracht werden. Beispiel: Eine geeichte stationäre Radarmessanlage gilt als standardisiertes Messverfahren, eine Nachfahrmessung mit ungeeichtem Tachometer nicht.


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Rechtsbeschwerde

Ein Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Amtsgerichte in Bußgeldsachen nach §§ 79 ff. OWiG. Sie ermöglicht die Überprüfung der Entscheidung durch ein höheres Gericht, ist aber nur wegen bestimmter Rechtsfehler zulässig. Die Rechtsbeschwerde muss innerhalb von einer Woche nach Zustellung des Urteils eingelegt werden. Beispiel: Die Staatsanwaltschaft legt Rechtsbeschwerde ein, weil das Amtsgericht einen zu hohen Toleranzabzug ohne ausreichende Begründung gewährt hat.


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Beweiswürdigung

Die richterliche Prüfung und Bewertung aller vorliegenden Beweise in einem Gerichtsverfahren gemäß § 261 StPO. Das Gericht muss alle erheblichen Beweise berücksichtigen und in seiner Entscheidung nachvollziehbar darlegen, warum es bestimmte Tatsachen als bewiesen ansieht. Eine mangelhafte Beweiswürdigung kann zur Aufhebung des Urteils führen. Beispiel: Das Gericht muss konkret begründen, warum es von standardmäßigen Toleranzwerten abweicht und welche Beweise dies rechtfertigen.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 4 Abs. 1 BKatV: Diese Vorschrift regelt die Verhängung von Fahrverboten bei bestimmten Geschwindigkeitsüberschreitungen, insbesondere innerhalb geschlossener Ortschaften, wenn diese besonders schwerwiegend sind. Die Vorschrift dient dazu, die Verkehrssicherheit zu erhöhen, indem sie bei deutlichen Verstößen neben einem Bußgeld auch die Entziehung der Fahrerlaubnis für einen bestimmten Zeitraum vorsieht. Im vorliegenden Fall wurde anfänglich ein einmonatiges Fahrverbot wegen einer vorsätzlichen Überschreitung von 44 km/h innerorts angeordnet, was diese Norm unmittelbar in den Fokus rückt.
  • § 77 Abs. 2 OWiG: Diese Bestimmung erlaubt es, in Ordnungswidrigkeitsverfahren bestimmte Beweismittel wie Protokolle oder andere Dokumente zu verlesen, anstatt die Zeugen persönlich zu befragen. Dies dient der Verfahrensökonomie. Ein Verstoß gegen diese Norm kann gegeben sein, wenn die gemessene Geschwindigkeit durch die Verlesung von Dokumenten statt durch Zeugenaussagen in die Hauptverhandlung eingeführt wird und dies unzulässig erfolgt ist. Das Gericht muss die Zulässigkeit genau prüfen.
  • Beweiswürdigungsgrundsätze im Ordnungswidrigkeitenrecht: Die freie Beweiswürdigung ist ein grundlegendes Prinzip, wonach das Gericht das Ergebnis der Beweisaufnahme unvoreingenommen und nach seiner eigenen Überzeugung feststellt. Es darf jedoch keine Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verletzen. Im Hinblick auf Geschwindigkeitsmessungen bedeutet dies, dass das Gericht die Zuverlässigkeit der Messmethode prüfen und Abweichungen von üblichen Verfahrensweisen detailliert begründen muss. Im konkreten Fall muss das Gericht also die Vorgehensweise der Messung und die angebrachte Toleranz entsprechend würdigen.
  • Toleranzwerte bei Geschwindigkeitsmessungen mit ungeeichten Tachometern: Bei der Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren mit einem nicht geeichten Tachometer, handelt es sich nicht um ein standardisiertes Messverfahren. Daher müssen nicht nur die Messbedingungen detailliert dargelegt werden (etwa Messstrecke, Abstand, Sichtverhältnisse), sondern auch angemessene Abschläge (Toleranzen) zur ermittelten Geschwindigkeit gemacht werden. Die Rechtsprechung setzt hierfür Toleranzwerte fest, von denen es grundsätzlich nur bei entsprechender Begründung abweichen darf. Sie gewährleisten, dass Messungenauigkeiten berücksichtigt werden und der Betroffene nicht rechtswidrig benachteiligt wird.
  • Rechtsprechung zur Beweiswürdigung bei Geschwindigkeitsmessungen durch Nachfahren: Die Rechtsprechung, insbesondere des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs, spielt eine wichtige Rolle. Sie setzt Standards für Beweiswürdigung bei Geschwindigkeitsmessungen, besonders dann, wenn diese nicht mit geeichten Geräten durchgeführt wurden. Gerichte sind gehalten, diese Rechtsprechung zu berücksichtigen und ihre eigene Beweiswürdigung daran auszurichten. Abweichungen von der obergerichtlichen Rechtsprechung erfordern eine substanzielle und nachvollziehbare Begründung. Dies ist entscheidend für die Frage, ob ein Bußgeld rechtmäßig verhängt wurde.

Das vorliegende Urteil

KG Berlin – Az.: 3 ORbs 100/24 – 162 SsBs 18/24 – Beschluss vom 14.06.2024


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

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