Fahrverbot: Ausnahme für Bundeswehr-Fahrzeuge unzulässig
In einem kürzlich ergangenen Urteil des Oberlandesgerichts Sachsen-Anhalt (Az.: 1 Ws 219/21) wurde entschieden, dass die Ausnahme von Bundeswehr-Fahrzeugen bei der Verhängung eines Fahrverbots unzulässig ist. Der Betroffene war wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 41 km/h zu einer Geldbuße von 320,00 € verurteilt worden. Zusätzlich wurde ihm für die Dauer eines Monats verboten, Kraftfahrzeuge aller Art zu führen, wobei Fahrzeuge der Bundeswehr hiervon ausgenommen wurden.
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Übersicht
Rechtsbeschwerde teilweise erfolgreich
Der Betroffene legte gegen das Urteil Rechtsbeschwerde ein, woraufhin das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt die Sache teilweise aufhob und an das Amtsgericht Bernburg zurückverwies. Die Rechtsbeschwerde war zulässig und führte zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs im angefochtenen Urteil. Die Verfahrensrügen des Betroffenen wurden jedoch als unzulässig verworfen.
Keine Ausnahme für Bundeswehr-Fahrzeuge
Das Gericht befand die Verhängung eines einmonatigen Fahrverbots als angemessen, jedoch war die Ausnahme von Bundeswehr-Fahrzeugen rechtsfehlerhaft. Gemäß § 25 StVG ist es unzulässig, eine Ausnahme nach Fabrikat, Fahrzweck, Halter, Benutzungsort oder Benutzungsart eines Kraftfahrzeuges zu bestimmen. Die Entscheidung des Amtsgerichts, Fahrzeuge der Bundeswehr auszunehmen, widerspricht dieser Vorgabe.
Zurückverweisung an das Amtsgericht
Aufgrund des Fehlers bei der Verhängung des Fahrverbots hob das Oberlandesgericht den Rechtsfolgenausspruch insgesamt auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Bernburg zurück. Die Entscheidung über die Zurückverweisung folgt aus § 79 Abs. 6 OWiG.
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Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 1 Ws 219/21 – Beschluss vom 28.12.2021
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Bernburg vom 28. September 2021 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Bernburg hat den Betroffenen mit Urteil vom 28. September 2021 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 41 km/h zu einer Geldbuße von 320,00 € verurteilt. Gleichzeitig wurde ihm für die Dauer eines Monats verboten, Kraftfahrzeuge aller Art zu führen, wobei Fahrzeuge der Bundeswehr hiervon ausgenommen wurden. Das Fahrverbot sollte wirksam werden, sobald der Führerschein in amtliche Verwahrung gelangte, spätestens jedoch nach Ablauf von vier Monaten seit Rechtskraft des Urteils.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Sachrüge erhebt und in der er das Verfahren beanstandet.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist zulässig und hat zumindest vorläufig teilweise Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen sowie insoweit zur Zurückweisung der Sache an das Amtsgericht Bernburg.
Die Verfahrensrügen sind aus den Gründen der Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 8. Dezember 2021 bereits unzulässig.
Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen den Schuldspruch des angefochtenen Urteils richtet, ist sie offensichtlich unbegründet. Insoweit hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben, §§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 41 km/h.
Demgegenüber kann der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben.
Dass das Amtsgericht ein dem Regelfahrverbot entsprechendes Fahrverbot von einem Monat verhängt hat, ist vorliegend nicht zu beanstanden. Jedoch hat das Amtsgericht rechtsfehlerhaft Fahrzeuge der Bundeswehr hiervon ausgenommen.
Nach § 25 StVG, der insoweit mit § 44 StGB übereinstimmt, kann das Gericht nur eine bestimmte Art von Kraftfahrzeugen von dem Fahrverbot ausnehmen. Der Begriff der Kraftfahrzeugart ist dabei nicht identisch mit der Fahrerlaubnisklasse. Zu einer „Fahrzeugart“ im Sinne der hier interessierenden Bestimmungen gehören zunächst alle Fahrzeuge, auf die die Fahrerlaubnis gem. § 6 Abs. 1 S. 2 FeV beschränkt werden kann.
Daraus folgt, dass eine Fahrerlaubnisklasse mehrere „Kraftfahrzeugarten“ umfassen kann. Verschiedene Kraftfahrzeugarten sind z.B. auch Lkws und Pkws, und zwar auch dann, wenn es sich um Fahrzeuge handelt, für die eine Fahrerlaubnis der Klasse B ausreicht. Denkbar ist es auch, dass alle Fahrzeuge einer bestimmten Fahrerlaubnisklasse als Kraftfahrzeugart von der Sperre ausgenommen werden. Eine Unterscheidung ist auch möglich danach, ob die Fahrzeugart überhaupt einer Fahrerlaubnis bedarf.
Eine weitere Differenzierung ist möglich nach dem Verwendungszweck, soweit dieser durch eine bestimmte Bauart bedingt ist.
Es ist hingegen unzulässig, eine Ausnahme nach Fabrikat, Fahrzweck, Halter, Benutzungsort oder Benutzungsart eines Kraftfahrzeuges zu bestimmen oder ein bestimmtes Fahrzeug vom Fahrverbot auszunehmen (OLG Celle, Beschl. v. 11. Oktober 1995 (5 Ss (Owi) 182/95, DAR, 1996, 64 f.; Hentschel/König/Bauer StVG 46. Auflage § 69 a RdNr. 6; OLG Hamm, Urt. v. 10. Februar 1971, 4 Ss 1208/70 NJW 1971, 1193).
Der gegenteiligen Auffassung des AG Lüdinghausen (Urt. v. 8.4.2003 – 9 Ds 612 Js 7/03 – 45/03, NStZ-RR 2003, 248 = DAR 2003, 328 = BA 2004, 361), die ein Ausnahme für „dienstlich genutzte Fahrzeuge der Bundeswehr“ als für zulässig erachtet, ist vereinzelt geblieben. Ihr folgt der Senat nicht.
Der Fehler bei der Verhängung des Fahrverbotes führt wegen der Wechselwirkung zwischen der Bemessung des Bußgeldes und dem Fahrverbot zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruches insgesamt und zur Zurückverweisung an das Amtsgericht.
Die Entscheidung über die Zurückverweisung folgt aus § 79 Abs. 6 OWiG.
Häufig gestellte Fragen zum Urteil
1. Warum wurde das Urteil teilweise aufgehoben?
Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt hob den Rechtsfolgenausspruch im angefochtenen Urteil auf, weil das Amtsgericht Bernburg rechtsfehlerhaft Fahrzeuge der Bundeswehr von dem Fahrverbot ausgenommen hatte. Eine solche Ausnahme ist gemäß § 25 StVG unzulässig.
2. Was bedeutet die Entscheidung für den Betroffenen?
Da das Urteil teilweise aufgehoben wurde, muss das Amtsgericht Bernburg den Fall erneut verhandeln und entscheiden. Der Betroffene hat somit die Möglichkeit, dass das Fahrverbot ohne die unzulässige Ausnahme für Bundeswehr-Fahrzeuge neu verhängt wird.
3. Gibt es Ausnahmen von Fahrverboten?
Nach § 25 StVG kann das Gericht nur bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen von einem Fahrverbot ausnehmen. Diese Ausnahmen beziehen sich jedoch nicht auf Fabrikat, Fahrzweck, Halter, Benutzungsort oder Benutzungsart eines Kraftfahrzeuges. Eine Ausnahme für Bundeswehr-Fahrzeuge ist somit unzulässig.
4. Welche Auswirkungen hat dieses Urteil auf andere Fälle?
Das Urteil zeigt, dass Gerichte bei der Verhängung von Fahrverboten keine unzulässigen Ausnahmen für bestimmte Fahrzeugarten oder Fahrzwecke treffen dürfen. Es kann als Präzedenzfall dienen und anderen Betroffenen helfen, ihre Rechte durchzusetzen.
5. An wen kann ich mich wenden, wenn ich von einem ähnlichen Fall betroffen bin?
Wenn Sie von einem Fahrverbot oder einer Geschwindigkeitsüberschreitung betroffen sind und rechtlichen Beistand benötigen, sollten Sie einen Verkehrsanwalt konsultieren. Erfahrene Anwälte können Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer Rechte helfen und Sie bei einer möglichen Rechtsbeschwerde unterstützen.