AG München – Az.: 953 OWi 421 Js 125161/18 – Urteil vom 07.09.2018
1. Der Betroffene wird wegen fahrlässigen Führens eines Kfz mit einer AAK von 0,38 mg/l zur Geldbuße von 500,– € verurteilt.
2. Dem Betroffenen wird für die Dauer von 1 Monat verboten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen.
3. Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
4. Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens.
Angewendete Vorschriften: §§ 24a I, III, 25 I, IIa StVG, Nr. 241 BKatV.
Gründe
I.
Am 07.01.2018 um 01.55 Uhr steuerte der Betroffene auf öffentlichen Straßen in München, insbesondere auf der Straße Am Moosfeld und der Thomas-Hauser-Straße, von welcher er in den Bistritzer Weg einbog, den Pkw Audi, amtliches Kennzeichen M-…, obwohl er vor Fahrtantritt alkoholische Getränke in solch erheblicher Menge zu sich genommen hatte, dass die um 02.22 Uhr und 02.24 Uhr erfolgten Atemalkoholmessungen einen Mittelwert der Atemalkoholkonzentration von 0,38 mg/l ergaben. Die Messung erfolgte auf der Dienststelle der Polizeiinspektion 25 in München mittels bis 31.01.2018 geeichtem Dräger Alkotest 9510 DE und erbrachte um 02.22:13 Uhr einen Atemalkoholwert von 0,376 mg/l und um 02.24:48 Uhr einen Atemalkoholwert von 0,393 mg/l. Seit der Polizeikontrolle um 01.55 Uhr befand sich der Betroffene ununterbrochen unter polizeilicher Aufsicht und hat keine alkoholischen Getränke mehr zu sich genommen. Die Polizeibeamten M., H. und A. waren dem Betroffenen mit dem Streifenwagen bis auf seinen Privatparkplatz im Anwesen … gefolgt, um ihn dort zu kontrollieren. Der Parkplatz lag etwas entfernt von der Straße im hinteren Teil des Grundstücks und war über eine längere Einfahrt zu erreichen. Es ist unklar, ob die Kontrolle erst auf dem Privatparkplatz erfolgte, weil der Betroffene auf das Anhaltesignal des Streifenwagens nicht vorher reagiert hatte oder ob der Anhalteentschluss von den Polizeibeamten so spät gefasst wurde, dass es zu einer Anhaltung des Betroffenen vor Erreichen seines Fahrzieles nicht kam. Hierauf kommt es jedoch nicht an. Denn sogleich nach dem Aussteigen aus dem Fahrzeug stellten die Polizeibeamten bei dem Betroffenen Alkoholgeruch fest. Hierdurch ergab sich der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG. Die Durchführung der Verkehrskontrolle sowie die Einleitung der Ermittlungen wegen des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG war dadurch auch auf Privatgelände gerechtfertigt, zumal durch das Nachfahren des Streifenwagens hinter dem betroffenen Fahrzeug sicher feststand, dass der Betroffene es zuvor auf öffentlichen Straßen geführt hatte. Der Betroffene wurde nach einem Vortest mit dem Handalkomaten, welchen er freiwillig durchführte und ein Ergebnis von 0,36 mg/l erbrachte, zur Dienststelle der PI 25 verbracht, wo der oben aufgeführte Atemalkoholtest mit dem Dräger Alkotest 9510 DE mit dem oben bezeichneten Ergebnis durchgeführt wurde.
II.
Der Sachverhalt ergibt sich aus der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung. Im Einzelnen:
Der Betroffene hat sich wie folgt eingelassen:
Er sei am Abend des 06.01.2018 bei einem Familienessen gewesen und habe dort Weinschorle getrunken. Nach dem Ende der Feier sei er mit dem bezeichneten Wagen nach Hause gefahren. Die Fahrzeit habe ca. 30 Minuten betragen, während derer er nichts mehr getrunken habe. Er habe sich nicht durch den Alkohol beeinträchtigt gefühlt. Zu der Kontrolle durch die Polizeibeamten sei es erst auf seinem privaten Parkplatz gekommen. Eine vorherige Anhaltung durch entsprechende Signale sei nicht erfolgt.
Die drei beteiligten Polizeibeamten wurden als Zeugen vernommen. Sie schilderten im Wesentlichen übereinstimmend und auch glaubhaft, dass der Betroffene mit seinem Fahrzeug bereits auf der Straße am Moosfeld an ihnen vorbeigefahren sei und sie sich daraufhin zu einer Verkehrskontrolle entschlossen hätten, wobei den Zeugen nicht mehr erinnerlich war, wo genau dieser Beschluss gefasst wurde. Eine besondere Veranlassung zu der Kontrolle habe es nicht gegeben. Es habe sich um eine allgemeine Verkehrskontrolle gehandelt. Wo genau der Anhaltesignalgeber eingeschaltet wurde, konnten die drei Polizeibeamten nicht sicher erinnern. Während der Zeuge H. der Meinung war, dieser sei bereits kurz vor dem Einbiegen in den … Weg eingeschaltet worden, meinte der Zeuge M., dass dies möglicherweise auch erst nach dem Einbiegen die zum Parkplatz führende Einfahrt geschehen sein könnte. Auch der dritte Zeuge A. konnte hierüber keine Klarheit bringen. Jedenfalls, so alle Zeugen, sei der Betroffene am Anwesen … Weg … auf seinen Privatparkplatz gefahren. Dort sei er dann der Verkehrskontrolle unterzogen worden. Der Betroffene sei als Fahrer aus seinem Fahrzeug ausgestiegen. Da vom Betroffenen Alkoholgeruch ausgegangen sei, habe man sich zu einem Atemalkoholtest entschlossen. Der Vortest habe 0,36 mg/l ergeben. Daraufhin sei der Entschluss gefasst worden, auf der Dienststelle eine gerichtsverwertbare Atemalkoholmessung durchzuführen mit dem oben bezeichneten Ergebnis.
Der auf dem Formblatt Blatt 6 der Akte aufgeklebte Alkomatenausdruck wurde in der Hauptverhandlung verlesen. Hieraus ergaben sich die Gerätebezeichnung, der Aufstellort, obige Werte sowie die Eichgültigkeit bis 31.01.2018. Ferner ergibt sich hieraus, dass der Zeuge M. als Messbeamter fungiert hatte, welcher gemäß eigener Angabe und auf dem Alkomatenausdruck unterschriebener Erklärung über die erforderliche Sachkunde verfügte.
Das Ergebnis der Atemalkoholmessung ist auch verwertbar. Soweit die Verteidigung in der Hauptverhandlung vorbrachte, die Verkehrskontrolle hätte auf Privatgrund nicht durchgeführt werden dürfen, da es sich um eine verdachtsunabhängige allgemeine Verkehrskontrolle gehandelt habe, begründet dies kein Verwertungsverbot für die Atemalkoholmessung. Selbst wenn die allgemeine Verkehrskontrolle nicht hätte durchgeführt werden dürfen und rechtswidrig gewesen wäre, durften die Polizeibeamten aufgrund des dabei gewonnenen Tatverdachts wegen der Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG die erforderlichen Maßnahmen treffen. Diese richteten sich gegen einen Verdächtigen. Selbst wenn der Anfangsverdacht aus Anlass einer rechtswidrigen Verkehrskontrolle entdeckt worden wäre, begründet dies kein Verwertungsverbot für die weiteren Ermittlungsergebnisse. Eine Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten gibt es nicht. Zudem führt nicht jede fehlerhafte Polizeimaßnahme automatisch zu einem Verwertungsverbot. Im vorliegenden Fall ist den Polizeibeamten zudem keine fehlerhafte Verhaltensweise vorzuwerfen. Selbst wenn sie ohne vorherigen Anhalteversuch die allgemeine Verkehrskontrolle erst auf dem Privatparkplatz des Betroffenen durchgeführt haben sollten, so war dies zulässig und gerechtfertigt, da der Betroffene zuvor zweifellos am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hatte und es nach den Umständen durchaus vertretbar war, die Verkehrskontrolle abseits des öffentlichen Verkehrsgrundes erst durchzuführen, nachdem der Betroffene sein Fahrziel erreicht hatte. Zwar heißt es in § 36 V 1 StVO, dass Polizeibeamte Verkehrsteilnehmer zur Verkehrskontrolle einschließlich der Kontrolle der Verkehrstüchtigkeit und zu Verkehrserhebungen anhalten dürfen. Die Eigenschaft als Verkehrsteilnehmer ist aber nicht nur während der unmittelbaren Teilnahme am Verkehrsgeschehen gegeben, sondern auch noch unmittelbar nach Erreichen des Fahrtzieles und Abstellen des Fahrzeugs außerhalb öffentlicher Verkehrsflächen. Auch schließt der Wortlaut „anhalten“ nicht aus, dass die Kontrolle erst durchgeführt wird, wenn der zu kontrollierende Fahrzeugführer am Fahrtziel von selbst angehalten hat. Denn wenn sogar das Anhalten im fließenden Verkehr zum Zwecke der Kontrolle zulässig ist, dann ist die Kontrolle erst recht zulässig, wenn der Verkehrsteilnehmer dafür nicht einmal angehalten werden muss. Aber selbst wenn man die Durchführung der allgemeinen Verkehrskontrolle hier als rechtswidrig betrachten wollte, was nach Ansicht des Gerichts unabhängig von der Frage, ob vorher rechtzeitig ein Anhaltesignal gegeben wurde, nicht der Fall ist, wurde diese durch den tatsächlichen Verlauf der Dinge überholt, da sogleich am Beginn der Kontrolle der Verdacht der Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG entdeckt wurde. Im weiteren Verlauf handelt es sich eben nicht mehr um eine nach § 36 V StVO zu beurteilende allgemeine Verkehrskontrolle, sondern um die Einleitung und Durchführung von Ermittlungen im Bußgeldverfahren nach § 46 OWiG. Weder beruht der Tatverdacht auf einer rechtswidrig erlangten Information noch wurde das weitere Verfahren in gesetzwidriger Weise durchgeführt. Selbstverständlich dürfen auch Ordnungswidrigkeiten verfolgt werden, die auf Privatgrund entdeckt werden, sofern nicht in für spezielle, besonders eingriffsintensive Ermittlungsmethoden (etwa Telefonüberwachung und dgl.) besondere Regelungen über den Umfang der Verwertbarkeit getroffen wurden. Darüber hinaus kann ein Verwertungsverbot nur angenommen werden, wenn besondere gesetzliche Sicherungen, etwa ein Richtervorbehalt, willkürlich umgangen werden sollen. Dies ist hier nicht geschehen. Der von der Verteidigung gestellte, auf den Nachweis der Nichtbetätigung von Anhaltesignalen durch die Polizeibeamten gerichtete Beweisantrag auf Vernehmung der Beifahrerin des Betroffenen wurde daher mangels Entscheidungserheblichkeit der unter Beweis gestellten Tatsache abgelehnt. Es ist völlig belanglos, ob und ggf. wann ein Anhaltesignal betätigt wurde.
III.
Der Betroffene hat daher mindestens fahrlässig eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a I, III StVG begangen. Aufgrund des genossenen Alkohols hätte er erkennen können und müssen, dass er den erlaubten Grenzwert für das Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr überschreiten konnte. Er hätte daher die Fahrt nicht durchführen dürfen.
IV.
Zu den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen wurden folgende Feststellungen getroffen:
Die Verlesung der Fahreignungsregisterauskunft für den Betroffenen ergab, dass er dort keinen Eintrag hat.
Der Betroffene führte zu seinen persönlichen Verhältnissen glaubhaft aus:
Er sei erst kürzlich zum Teamleiter befördert worden. Als solcher betreue er ein Projekt bis Ende dieses Jahres. Die Beförderung sei am 21.08.2018 erfolgt. Die Beförderungsstelle habe er am 01.09.2018 auf Probe angetreten. Er sei beruflich überwiegend bei den Kunden draußen, welche in ganz Deutschland verteilt seien und welche er oftmals auch mit dem Pkw aufsuchen müsse. Er sei angestellt. Der jährliche Urlaubsanspruch betrage 28 Tage. Bei einem Fahrverbot befürchte er, da er dann seine Arbeit nicht in vollem Umfang erledigen könne, dass ihm die Teamleiter-Stelle wieder entzogen werde.
V.
Die verfahrensgegenständliche Ordnungswidrigkeit ist in Nr. 241 BKatV mit einer Geldbuße von 500,– Euro bedroht. Diese erscheint hier auch angemessen. Es besteht keine Veranlassung, hiervon ausnahmsweise abzuweichen.
Nach §§ 25 I StVG, 4 III BKatV, Nr. 241 BKatV ist auch ein Fahrverbot von 1 Monat im Regelfall anzuordnen. Auch insoweit besteht keine Veranlassung, von der Regel abzuweichen, auch nicht ausnahmsweise gegen Erhöhung der Geldbuße (§ 4 IV BKatV). Eine unverhältnismäßige Härte liegt nicht vor. Die vom Betroffenen befürchteten beruflichen Nachteile müssen zum einen nicht zwangsläufig eintreten, insbesondere ist die Einbringung von Urlaub möglich. Zum anderen wären sie selbst dann, wenn sie eintreten würden, zumutbar und stünden nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache.
Kosten: §§ 46 I OWiG, 464, 465 I stopp