OVG Lüneburg – Az.: 12 ME 115/22 – Beschluss vom 22.12.2022
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover – 5. Kammer (Einzelrichter) – vom 5. September 2022 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.200,- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragstellerin dagegen, dass es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen, die sie gegen eine bis zum Ablauf des 30. Dezember 2022 befristete Fahrtenbuchführungspflicht erhoben hat, die ihr der Antragsgegner unter Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Bescheid vom 30. Juni 2022 auferlegt hatte. Die Aufzeichnungspflicht betrifft das von ihr gehaltene Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen HI –D. D. oder ein Ersatzfahrzeug.
Am 28. September 2021 wurde das genannte Fahrzeug der Antragstellerin durch einen Unbekannten auf der BAB 7 im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners in Fahrtrichtung B-Stadt geführt und dort bei einer stationären Abstandsmessung erfasst. Nach dem Messprotokoll betrug der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug 28 m bei einer Geschwindigkeit von 124 km/h. Im Fallprotokoll wurde durch den auswertenden Bearbeiter vermerkt, dass ein Fahrstreifenwechsel oder ein Abbremsen durch vorausfahrende Fahrzeuge im Videobeweis innerhalb der Beobachtungsstrecke nicht ersichtlich gewesen sei.
Die Bußgeldstelle des Antragsgegners wertete das Geschehen als Ordnungswidrigkeit und übersandte der Antragstellerin einen Zeugenfragebogen, den sie nicht zurückreichte, auf den sie aber mit einem Akteneinsichtsgesuch reagierte. Den Fahrzeugführer benannte sie nicht. Die Bußgeldstelle stellte daraufhin das Bußgeldverfahren ein.
Im anschließenden bei der Straßenverkehrsbehörde des Antragsgegners geführten Verfahren zur Anordnung einer Fahrtenbuchführungspflicht trug die Antragstellerin nach Akteneinsicht vor, die Abbildungen auf dem Fallprotokoll seien so klein, dass sie nicht überprüfbar seien. Sie bitte daher um Überlassung größerer Fotografien und der Videosequenz der Messanlage. Der Antragsgegner erwiderte darauf, dass das Bußgeldverfahren eingestellt worden sei. Im Verfahren hinsichtlich der Fahrtenbuchanordnung seien keine weiteren Unterlagen vorhanden, Einwände habe die Antragstellerin im Bußgeldverfahren nicht erhoben. Die Antragstellerin wandte ein, dass sie im Bußgeldverfahren lediglich Zeugin gewesen sei, sich als solche dort nicht zu verteidigen gehabt habe und sich nun nicht äußern könne, wenn der Antragsgegner über keine ausreichenden Unterlagen für die Prüfung der behaupteten Zuwiderhandlung verfüge.
Nachfolgend erging der angefochtene Bescheid, den der Antragsgegner unter anderem damit begründete, die Straßenverkehrsbehörde sei zwar grundsätzlich gehalten, alle objektiven Tatbestandsmerkmale einer Verkehrsordnungswidrigkeit selbständig zu prüfen. Die Prüfungsdichte dürfe sie aber am gebotenen sachlichen und zeitlichen Aufwand orientieren und sich an den Feststellungen des Bußgeldverfahrens orientieren, wenn nicht konkrete Einwände gegen diese erhoben würden. Solche konkreten Einwände habe die Antragstellerin mit ihrem allgemeinen Einwand, dass Abstandsunterschreitungen infolge von Spurwechseln und abbremsenden vorausfahrenden Fahrzeugen verursacht sein könnten, nicht dargelegt.
Das Verwaltungsgericht hat seine angefochtene Entscheidung unter anderem begründet wie folgt:
(1) Die bei einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO durch das Gericht zu treffende Ermessensentscheidung setze eine Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen voraus, in die auch die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs in der Hauptsache mit einzubeziehen seien. Ergebe eine summarische Einschätzung des Gerichts, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache erfolglos bleiben werde, sei der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz unbegründet; denn ein begründetes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung entfalle nicht dadurch, dass der Verwaltungsakt offenbar zu Unrecht angegriffen werde. Ausgehend von diesen Abwägungsgrundsätzen überwiege das öffentliche Interesse gegenüber dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin; denn bei summarischer Prüfung bleibe die Anfechtungsklage voraussichtlich ohne Erfolg.
(2) Die Anordnung, für sechs Monate ein Fahrtenbuch zu führen, sei rechtmäßig.
Der Einwand der Antragstellerin, dass bereits der Verkehrsverstoß nicht zweifelsfrei nachgewiesen sei, greife nicht durch.
(a) Zwar müsse die Behörde, die die Auferlegung eines Fahrtenbuchs prüfe, alle (objektiven) Tatbestandsmerkmale der Bußgeld- bzw. Strafvorschrift selbständig prüfen. Der Amtsermittlungsgrundsatz verpflichte sie aber nicht, ohne konkreten Anlass gewissermaßen „ins Blaue hinein“ das Ergebnis einer Abstandsmessung zu hinterfragen. Wenn ein Halter, der ein Fahrtenbuch führen solle, den Verkehrsverstoß als solchen bestreite, müsse er im Verwaltungs- oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren substantiierte Angaben machen, die seine Schilderung plausibel erscheinen ließen. Er müsse auf Unstimmigkeiten der Messung oder deren Dokumentation hinweisen oder auf andere Weise die Möglichkeit eines Messfehlers aufzeigen. Hinreichende Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen seien auch dann gegeben, wenn sich der Behörde die fehlende Plausibilität der Messung aufdrängen müsse. Der bloße Hinweis auf ein schlecht erkennbares Foto und ein möglicherweise entlastendes Geschehen in einer Videosequenz genüge insoweit nicht, zumal in dem Messprotokoll ausdrücklich vermerkt sei, dass ein Fahrstreifenwechsel oder Abbremsen durch vorausfahrende Fahrzeuge, die das Fahrverhalten hätten beeinträchtigen können, auf dem Videomaterial innerhalb der Beobachtungsstrecke nicht ersichtlich sei. Als öffentliche Urkunde im Sinne des § 98 VwGO i. V. m. § 418 Abs. 1 ZPO begründe das Protokoll vollen Beweis über die darin festgehaltenen Sachverhalte. Nach § 98 VwGO i. V. m. § 418 Abs. 2 ZPO sei zwar der Gegenbeweis möglich; auch hierzu genügten jedoch nicht bloße Zweifel an der Richtigkeit der Urkunde, sondern es sei voller Gegenbeweis zu führen. Hierzu müsste die Antragstellerin substantiiert vortragen, warum der Urkundeninhalt unzutreffend sei; bloßes Bestreiten oder der hypothetische Hinweis auf bloß mögliche andere Geschehensabläufe genügten nicht.
(b) Soweit die Antragstellerin geltend mache, dass sie als Zeugin im Bußgeldverfahren keine Einwände gegen die Ahnung der Ordnungswidrigkeit habe erheben können, gehe ihr Einwand an der Sache vorbei. Der Antragsgegner halte ihr nicht entgegen, Einwendungen unterlassen zu haben.
(c) Dass infolge der fehlenden Mitwirkung ein Beschuldigter im Bußgeldverfahren nicht habe ermittelt werden können und daher niemand als Beschuldigter Einwände gegen die Feststellungen im Bußgeldverfahren habe erheben können, führe nicht zu erhöhten Anforderungen an die behördliche Amtsermittlung im nachgehenden Verfahren hinsichtlich der Anordnung eines Fahrtenbuchs.
(d) Ohne Erfolg stelle die Antragstellerin in Abrede, dass die „Fahrtenbuchauflage“ aus Gründen der Verkehrssicherheit und zur Aufklärung etwaiger zukünftiger Verstöße (noch) erforderlich sei. Bei der Anordnung eines Fahrtenbuchs komme es nicht auf eine konkrete Wiederholungsgefahr an. § 31a StVZO ziele vielmehr auf eine abstrakte Wiederholungsgefahr, die daran anknüpfe, dass der verantwortliche Fahrer bei Begehung des Verkehrsverstoßes anonym geblieben sei. Die Pflicht zur Dokumentation der einzelnen Fahrten habe eine disziplinierende Wirkung und eröffne Bußgeldbehörden Erkenntnisse über die jeweiligen Fahrer, ohne auf das Erinnerungsvermögen und die Mitwirkungsbereitschaft des Halters angewiesen zu sein. Dass seit dem Verkehrsverstoß am 28. September 2021 keine weiteren Verstöße begangen worden seien, sei angesichts dessen unerheblich.
(3) Aus der abstrakten Gefährlichkeit künftiger Verkehrsverstöße und dem Zweck der Fahrtenbuchanordnung, künftige Nutzer des Fahrzeugs der Antragstellerin zu disziplinieren und Bußgeldbehörden Erkenntnisse über die jeweiligen Fahrer zu eröffnen, ohne auf das Erinnerungsvermögen und die Mitwirkungsbereitschaft des Halters angewiesen zu sein, folge auch ein besonderes Vollzugsinteresse, das angesichts der geringen Erfolgsaussichten der Klage das Aussetzungsinteresse ohne weiteres überwiege.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover vom 5. September 2022 hat keinen Erfolg.
Teilweise genügen die Beschwerdegründe der Antragstellerin, die allein der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu prüfen hat, bereits nicht den Anforderungen, die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO an ihre Darlegung unter Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung zu stellen sind. Im Übrigen vermögen sie in der Sache nicht zu überzeugen.
Um sich im Sinne des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO mit der angefochtenen Entscheidung auseinanderzusetzen, muss ein Beschwerdeführer von der Begründungsstruktur dieser Entscheidung ausgehen und das Entscheidungsergebnis in Frage stellen (Stuhlfauth, in: Bader u. a., VwGO, 8. Aufl. 2021, § 146 Rn. 31). Die erforderliche Dichte seiner eigenen Ausführungen hat sich dabei an der Dichte der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu orientieren (Happ, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 146 Rn. 22a). Je intensiver die gerichtliche Entscheidung begründet ist, umso eingehender muss der Beschwerdeführer die sie tragende Argumentation entkräften. Es reicht deshalb grundsätzlich nicht aus, wenn er lediglich eine eigene Würdigung der Sach- und Rechtslage vorträgt, die im Ergebnis von derjenigen des Verwaltungsgerichts abweicht. Vielmehr muss er in der Regel den einzelnen tragenden Begründungselementen der angefochtenen Entscheidung geeignete Gegenargumente konkret gegenüberstellen und – soweit möglich – deren Vorzugswürdigkeit darlegen (Nds. OVG, Beschl. v. 16.11.2016 – 12 ME 132/16 -, ZNER 2017, 70 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 56, und Beschl. v. 10.2.2014 – 7 ME 105/13 -, juris, Rn. 26). Hieraus folgt, dass es regelmäßig nicht genügt, wenn er pauschal auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug nimmt oder dieses unverändert wiederholt (vgl. Stuhlfauth, in: Bader u. a., VwGO, 8. Aufl. 2021, § 146 Rn. 31, m. w. N.). Hinweise auf Fundstellen ersetzen ebenfalls nicht die eigene Argumentation des Beschwerdeführers innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist. Denn die zu prüfenden Beschwerdegründe sind darzulegen, sodass sie sich das Oberverwaltungsgericht nicht anhand ihm lediglich bezeichneter Fundstellen selbst zusammenzustellen hat (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 30.11.2016 – 12 ME 131/16 -, juris, Rn. 30, und Beschl. v. 15.4.2014 – 7 ME 121/13 -, Nds. VBl. 2014, 286 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 41).
1. Unter II. 2) a) (1) ihrer Beschwerdebegründungsschrift vom 20. Oktober 2022 kritisiert die Antragstellerin, bei der von dem Verwaltungsgericht vorzunehmenden Interessenabwägung sei auch zu berücksichtigen, ob ausnahmsweise der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht abgewartet werden könne. Hierzu verhalte sich der angegriffene Beschluss mit keinem Wort.
Dieses Vorbringen lässt bereits die gebotene inhaltliche Auseinandersetzung mit den oben unter I. 3. wiedergegebenen Erwägungen der Vorinstanz vermissen, denen mit hinreichender Klarheit entnommen werden kann, woraus das Verwaltungsgericht das besondere öffentliche Vollzugsinteresse herleitet, das seines Erachtens überwiegt und es daher rechtfertigt, mit einem Vollzug der Fahrtenbuchanordnung nicht bis zu deren Bestandskraft zu warten. Überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse, liegt darin die Eilbedürftigkeit des Vollzugs in dem Sinne, dass der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht abgewartet werden kann. Einer anders verstandenen Eilbedürftigkeit bedarf es nicht. Abweichendes legt die Antragstellerin im Übrigen schon nicht ausreichend dar.
2. Unter II. 2) a) (2) ihrer Beschwerdebegründungsschrift beanstandet die Antragstellerin, das Verwaltungsgericht setze sich mit keinem Wort mit ihrem Vortrag auseinander, wonach sich der Antragsgegner hinsichtlich der Eilbedürftigkeit bereits selbst wiederlegt habe. Der Antragsgegner stütze seine Begründung darauf, dass nicht auszuschließen sei, dass mit dem Fahrzeug in einer vergleichbaren Konstellation der Fahrzeugführer erneut nicht ermittelt werden könne. Zwischen der Einstellung des Bußgeldverfahrens und seiner Anordnung einer sechsmonatigen Fahrtenbuchführungspflicht seien aber bereits sechseinhalb Monate verstrichen. Dieser Zeitraum habe gezeigt, dass es keine vergleichbare Konstellation gegeben habe. Zudem sei bis heute keine weitere Ordnungswidrigkeit mit dem Fahrzeug begangen worden.
a) Da, wie die Antragstellerin selbst unter II. 1) ihrer Antragsbegründungsschrift zutreffend ausführt, „die inhaltliche Richtigkeit der Erwägungen, die von der Behörde zur Bejahung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung herangezogen werden, nicht zu den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des formellen Begründungserfordernisses nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gehören“, bestand von vornherein kein Anlass für das Verwaltungsgericht, sich insoweit unter dem Gesichtspunkt der inneren Widersprüchlichkeit mit Erwägungen des Antragsgegners über das besondere Vollzugsinteresse zu befassen.
b) Im Übrigen liegt es auf der Hand, dass die Prognose, ein Geschehen sei für einen künftigen Zeitraum „nicht ausgeschlossen“, keineswegs dadurch als falsch widerlegt wird, dass das Geschehen – aus der Rückschau betrachtet – nicht eingetreten ist; denn es hätte gleichwohl eintreten können. Mit derart unschlüssigen „Argumenten“ musste sich die Vorinstanz auch zur Wahrung rechtlichen Gehörs nicht näher befassen. Ihre oben unter I. 2. d) – am Ende – wiedergegebene Bekundung der Ablehnung dieses Ansatzes war ausreichend. Die zeitweilig mangelnde Begehung weiterer Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften mit dem betroffenen Fahrzeug widerlegt die Erforderlichkeit einer Fahrtenbuchanordnung ebenso wenig, wie etwa Zeiten der Unfallfreiheit die Notwendigkeit einer Haftpflichtversicherung infrage stellen.
3. Unter I. 2) b) ihrer Beschwerdebegründungsschrift rügt die Antragstellerin, das Verwaltungsgericht räume zwar selbst ein, dass die Behörde, welche die Auferlegung eines Fahrtenbuchs prüfe, dabei alle (objektiven) Tatbestandsmerkmale der Bußgeldvorschrift selbstständig prüfen müsse. Das Gericht treffe dann aber keine Feststellungen dazu, ob und wie die anordnende Behörde sich selbstständig über das Vorliegen eines vermeintlichen Verstoßes vergewissert habe. Deshalb trügen schon die (unvollständigen) Entscheidungsgründe nicht die getroffene Entscheidung.
Diese Argumentation verkennt den richtigen rechtlichen Ansatz. Im Rahmen der summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage und damit der Rechtmäßigkeit (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) der angefochtenen Verfügung ist nur das objektive Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen erheblich, an welche die Ermächtigung des § 31a Abs. 1 StVZO zu der Ermessensausübung über die Rechtsfolge geknüpft ist. Mit anderen Worten ist nicht entscheidend, ob die Behörde ihre Überzeugung vom Vorliegen dieser Voraussetzungen auf einer zureichenden eigenen Prüfung des tatsächlichen Geschehens gewonnen hatte. Denn in der Beurteilung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigung ist die behördliche Entscheidung rechtlich gebunden. Etwaige Verfahrensfehler, die der Behörde in gerade dieser Beurteilung unterlaufen, führen deshalb gemäß § 46 VwVfG (i. V. m. § 1 Abs. 1 NVwVfG) nicht zur Aufhebung des Verwaltungsaktes.
Folglich musste das Verwaltungsgericht keine tatsächlichen Feststellungen dazu treffen, ob die Behörde das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigung hinreichend selbst geprüft hat, sondern nur auf der Grundlage seiner eigenen summarischen Prüfung der Tatsachen die Einschätzung vornehmen, dass im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach zureichende gerichtliche Feststellungen über das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage getroffen werden würden.
4. Unter II. 2) c) ihrer Beschwerdebegründungsschrift beanstandet die Antragstellerin, der angefochtenen Beschluss verletze das Grundrecht auf ein faires Verfahren, weil das Verwaltungsgericht von ihr Prozessvortrag und hinsichtlich des Messprotokolls sogar einen Gegenbeweis erwarte, obwohl gleichzeitig die dafür notwendige Akteneinsicht insbesondere in die Videosequenz weder vom Antragsgegner noch vom Verwaltungsgericht gewährt worden sei. Sie meint, richtigerweise hätte die Vorinstanz die Videosequenz anfordern und Akteneinsicht gewähren müssen. Damit wendet sie sich gegen die oben unter II. 2. c) wiedergegebene Quintessenz der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass es keiner gesteigerten Amtsermittlung bedurft habe. Sie hält es für einen „Zirkelschluss“, von einem „Betroffenen“ substantiierte Einwände zu erwarten, während gleichzeitig vereitelt worden sei, dass dieser solche Einwände habe erheben können, indem ihm die dafür notwendige vollständige Akteneinsicht versagt worden sei. Hierzu verweist sie auf verfassungsgerichtliche Rechtsprechung, die gerichtliche Verfahren über den Einspruch gegen Bußgeldbescheide betraf, ohne die verfassungsgerichtliche Argumentation im Einzelnen darzulegen oder in Anknüpfung an bestimmte rechtliche Normen deren Übertragbarkeit auf den Verwaltungsprozess über Rechtsbehelfe gegen eine Fahrtenbuchanordnung aufzuzeigen, die gegen einen Dritten ergangen ist, der am Bußgeldverfahren nicht als Betroffener beteiligt war. Die Antragstellerin macht geltend, ohne die Videosequenz habe sie die (erst im Rahmen der Auswertung manuell erfolgende) Platzierung der Auswertelinien durch einen Sachverständigen nicht überprüfen lassen können, obwohl aufgrund des „menschlichen Faktors“ dabei regelmäßig Fehler aufträten. Sie wirft dem Verwaltungsgericht zudem vor, den – zur Entkräftung des mithilfe des Messprotokolls möglichen Urkundenbeweises – erforderlichen Gegenbeweis vereitelt zu haben, indem es die Videosequenz nicht angefordert habe. Darüber hinaus macht sie geltend, dass neben der fehlenden Videosequenz nicht einmal ein Foto vorliege, auf dem die genaue Platzierung der Messlinien an den Reifen der gemessenen Fahrzeuge zu erkennen sei und auf dem auch die Zahlen, die das Ergebnis der – manuellen – Auswertung darstellen sollten, lesbar seien. Gleichwohl meine das Verwaltungsgericht, der bloße Hinweis auf ein schlecht erkennbares Foto und ein möglicherweise entlastendes Geschehen in einer Videosequenz reichten für die Erhebung von substantiierten Einwendungen nicht aus. Es verkenne, dass dieser Vortrag keine Einwendung gegen die Messung selbst sei, sondern zur Begründung dafür habe dienen sollen, dass zunächst der Antragsgegner diese Einwendungen vereitelt habe, indem er – bis heute – keine Akteneinsicht in die Informationen gewährt habe. Durch sein Vorgehen habe das Verwaltungsgericht ihr auch das rechtliche Gehör versagt.
Diese Darlegungen der Antragstellerin führen ebenfalls nicht zu einem Erfolg der Beschwerde. Denn sie kann sich hier nicht mit Erfolg auf eine Verletzung ihres Rechtes auf ein faires Verfahren bei der Straßenverkehrsbehörde oder im ersten Rechtszug berufen. Sie legt nämlich nicht dar, dass sie sich nicht nur während, sondern nochmals nach der Einstellung des Bußgeldverfahrens – und damit nach Wegfall eines (etwaigen) Versagungsgrundes gemäß § 49b Nr. 3 OWiG i. V. m. § 479 Abs. 1 StPO (vgl. Bücherl, in: Graf [Hrsg.], BeckOK OWiG, 36. Edition [Stand: 1.10.2022], § 49b Rn. 37) – erfolglos gemäß § 49b OWiG i. V. m. § 475 Abs. 2 und 3 StPO (vgl. Gassner, in: Gassner/Seith, OWiG, 2. Aufl. 2020, § 49b Rnrn. 9 ff.; siehe auch BVerwG, Beschl. v. 18.12.2019 – BVerwG 10 B 14.19 -, WM 2020, 504 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 15) und § 49b Nr. 4 OWiG i. V. m. § 479 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 StPO an die nach § 49b OWiG i. V. m. § 480 Satz 1 StPO zuständige Bußgeldstelle des Antragsgegners gewandt habe, um von dieser unter Hinweis auf ein sich aus dem Verwaltungsverfahren zur Anordnung der Fahrtenbuchführungspflicht ergebendes berechtigtes Interesse Zugang zu den ihres Erachtens benötigten Objekten der Einnahme des Augenscheins zu erhalten. Sie legt erst recht nicht dar, dass sie – was indessen notfalls geboten gewesen wäre – gegen eine Versagung des begehrten Zugangs durch die Bußgeldstelle des Antragsgegners auch den in § 49b Nr. 5 OWiG i. V. m. § 480 Abs. 3 StPO vorgesehenen Rechtsbehelf (vgl. van Endern, in: Ory/Weth, jurisPK-ERV, Bd. 4, 2. Aufl., § 49b OWiG [Stand: 1.6.2022] Rn. 4) ergriffen und das nach § 68 OWiG zuständige Amtsgericht dagegen angerufen habe.
Es ist aber weder ersichtlich, dass der Antragstellerin ein solches Vorgehen unzumutbar gewesen wäre, noch steht fest, dass die Bußgeldstelle des Antragsgegners oder notfalls das Amtsgericht ihr Anliegen abgelehnt hätten, zumal auch Zeugen den Regelungen des § 475 StPO (i. V. m. § 49b OWiG) unterfallen (vgl. Gieg, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 9. Aufl. 2023, § 475, Rn. 1a, m. w. N.).
Einen entsprechenden Versuch hätte die Antragstellerin selbst dann unternehmen müssen, wenn es fehlerhaft gewesen sein sollte, dass die Straßenverkehrsbehörde des Antragsgegners das ihr gegenüber nochmals geäußerte Verlangen der Antragstellerin nach Zugang zu den genannten Objekten nicht zuständigkeitshalber an die Bußgeldstelle des Antragsgegners weitergab. Die Antragstellerin hat nämlich – obwohl anwaltlich vertreten – daraufhin nicht versucht, eine solche Abgabe zu erreichen.
Dementsprechend ist davon auszugehen, dass der Antragstellerin der von ihr begehrte Informationszugang zwar rechtlich eröffnet war, sie es aber – obwohl anwaltlich vertreten – unterlassen hat, ihn auf die gesetzlich vorgesehene Weise anzustreben und durchzusetzen. Das führt nicht zu einer Ausweitung der Amtsermittlungspflichten der für die Fahrtenbuchanordnung zuständigen Straßenverkehrsbehörde oder des Verwaltungsgerichts.
Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der von der Antragstellerin angeführten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung. Denn nach dieser ist gerade zwischen dem Begehren nach Informationszugang und einem Beweis(ermittlungs)antrag zu differenzieren (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18 -, NJW 2021, 455 ff., hier zitiert nach juris, Rnrn. 64 f. und 67). Entscheidend ist in der vorliegenden Fallgestaltung lediglich, ob ein Anspruch des Fahrzeughalters, nur aufgrund ordnungsgemäß gewonnener Messdaten wegen einer in Ansehung des Täters nicht aufklärbaren Verkehrsordnungswidrigkeit mit einer Fahrtenbuchführungspflicht belegt zu werden, gewahrt bleibt. Das ist der Fall, wenn dem Halter – hier der Antragstellerin – die Möglichkeit eröffnet ist, das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Einlassung auf Zweifel aufmerksam zu machen und (im Verfahren zur Hauptsache) einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen (vgl. BVerfG, a. a. O., juris, Rn. 45). Diese Möglichkeit ist dem Halter allerdings weder zwingend als Bestandteil des Verwaltungsverfahrens zur Anordnung der Fahrtenbuchführungspflicht noch als Teil des gerichtlichen Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Sofortvollzug einer Fahrtenbuchanordnung durch die dort jeweils verfahrensführenden Behörden bzw. Gerichte zu verschaffen. Der Halter kann vielmehr darauf verwiesen werden, sich mit seinem Begehren nach Informationszugang beizeiten an die im Bußgeldverfahren aktenführende Verfolgungsbehörde und sodann ggf. an die zur Überprüfung von zugangsverweigernden Entscheidungen dieser Behörde zuständige ordentliche Gerichtsbarkeit zu wenden. Allein der Umstand, dass der Verwaltungsträger der Verfolgungsbehörde (Bußgeldstelle) hier (zufällig) mit demjenigen zusammenfällt, der auch die Straßenverkehrsbehörde trägt, die für die Anordnung von Fahrtenbuchführungspflichten zuständig ist, ändert daran nichts. Es führt insbesondere nicht dazu, dass nun anstelle der ordentlichen Gerichtsbarkeit primär die Verwaltungsgerichtsbarkeit dafür zuständig würde, den Informationszugang der Antragstellerin gegenüber der Verfolgungsbehörde durchzusetzen oder durch eine verwaltungsgerichtliche Beiziehung von Akten oder Beweismitteln zu ersetzen.
Das Verwaltungsgericht hat der Antragstellerin nicht das rechtliche Gehör versagt, indem es – teilweise – ihr Vorbringen nicht bis ins Einzelne überzeugend gewürdigt und den Sachverhalt fragwürdig (vgl. I. 2. b) gedeutet hat.
5. Unter II. 3) ihrer Beschwerdebegründungschrift macht die Antragstellerin geltend, das Verwaltungsgericht verkenne den Zweck der Fahrtenbuchanordnung, da es ihr eine disziplinierende (vgl. unter I. 2. d), und d. h. erzieherische, Wirkung zuschreibe. Indessen liegt es auf der Hand, dass die Fahrtenbuchanordnung eine von ihrem Zweck gedeckte mittelbare – präventive – disziplinierende Wirkung auf künftige Fahrzeugführer ausübt, weil sie den Nachweis der Täterschaft an deren (etwaigen) Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften erleichtert und damit auch das Bestreben fördert, sich zur Vermeidung einer Ahndung rechtstreu zu verhalten (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 28.5.2013 – BVerwG 3 C 13.14 – BVerwGE 152, 180, hier zit. nach juris, Rn. 19 a. E., m. w. N.). Die Antragstellerin verwechselt insoweit die Ausführungen des Verwaltungsgerichts mit der – in der Tat unzutreffenden – These, die Fahrtenbuchanordnung solle durch die Lästigkeit ihrer Erfüllung disziplinierend auf den ehedem nicht identifizierten Fahrer oder den Halter einwirken.
6. Vor diesem Hintergrund kann sich aus der – nur vermeintlichen – Verkennung des Zwecks der Anordnung durch die Vorinstanz auch kein von der Antragstellerin unter III. der Beschwerdebegründungsschrift gerügter Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben. Soweit dort (und bereits II. 3) erneut in Anknüpfung an eine verfehlungsfrei verstrichene Zeitspanne die Erforderlichkeit der Anordnung in Abrede gestellt wird, wurde dazu bereits oben unter II. 2. das Erforderliche ausgeführt.
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
8. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an den Vorschlägen unter Nrn. 1.5 Satz 1 und 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).