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Fahrerlaubnisentziehung bei wiederholtem Cannabiskonsum

Verstoß gegen Trennungsgebot

VGH Baden-Württemberg – Az.: 13 S 1800/21 – Beschluss vom 08.07.2021

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 4. Mai 2021 – 17 K 1184/21 – geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamts Esslingen vom 9. Februar 2021 wird hinsichtlich Ziffer 1 des Bescheids wiederhergestellt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Aberkennung des Rechts, von seiner kroatischen Fahrerlaubnis im Gebiet der Bundesrepublik Gebrauch zu machen.

Dem Antragsteller wurde erstmals 2014 die Fahrerlaubnis der Klasse B erteilt. Nachdem er am 08.02.2017 unter Cannabiseinfluss ein Kraftfahrzeug geführt hatte – eine bei ihm durchgeführte Blutprobe ergab eine THC-Konzentration von 2,41 ng/ml und eine THC-COOH-Konzentration von 58,5 ng/ml – hörte die Stadt … ihn zu einer beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an. Der Antragsteller verzichtete daraufhin mit Erklärung vom 03.03.2017 auf seine Fahrerlaubnis.

Am 24.09.2020 wurde dem Antragsteller eine kroatische Fahrerlaubnis der Klasse B erteilt.

Am 04.11.2020 führte der Antragsteller ein Kleinkraftrad. Im Rahmen einer Verkehrskontrolle stellten die Polizeibeamten unter anderem ein deutliches Muskelzittern sowie ein extremes Liedflattern fest. Eine insoweit beim Antragsteller durchgeführte Blutprobe ergab eine THC-Konzentration von 2,3 ng/ml und eine THC-COOH-Konzentration von 39,1 ng/ml.

Mit – dem Antragsteller am 12.02.2021 zugestelltem – Bescheid vom 09.02.2021 entzog das Landratsamt pp. (im Folgenden: Landratsamt) dem Antragsteller nach vorheriger Anhörung seine kroatische Fahrerlaubnis bzw. erkannte ihm das Recht, von dieser im Gebiet der Bundesrepublik Gebrauch zu machen, ab (Ziff. 1 des Bescheids), forderte diesen auf, den Führerschein binnen einer Woche zur Eintragung eines Sperrvermerks vorzulegen (Ziff. 2 des Bescheids), ordnete die sofortige Vollziehbarkeit hinsichtlich Ziff. 1 an (Ziff. 3 des Bescheids) und setzte eine Gebühr von 200,– EUR fest (Ziff. 4 des Bescheids).

Der Antragsteller erhob am 10.03.2021 Widerspruch, über den – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden wurde. Gleichzeitig beantragte er beim Verwaltungsgericht Stuttgart die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Zur Begründung machte er im Wesentlichen geltend: Er sei Cannabispatient und könne zwischen dem medizinisch indizierten Konsum und den Anforderungen des Straßenverkehrs trennen. Soweit bei ihm am 04.11.2020 ein Zittern festgestellt worden sei, beruhe dies auf einer Unterkühlung.

Mit – dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 10.05.2021 zugestelltem – Beschluss vom 04.05.2021 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Die Aberkennung des Rechts, von der kroatischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, erweise sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig. Der Antragsteller könne sich wohl hinsichtlich der Fahrten am 08.02.2017 und am 04.11.2020 nicht auf das Arzneimittelprivileg berufen. Dies gelte ohne weiteres für die Fahrt am 08.02.2017, da zu diesem Zeitpunkt das Arzneimittelprivileg noch nicht eingeführt gewesen sei. Nichts anderes ergebe sich für die Fahrt am 04.11.2020. Den Ausführungen des Antragstellers und den vorgelegten ärztlichen Attesten lasse sich nicht entnehmen, dass dem nachgewiesenen Konsum im November 2020 tatsächlich Medizinal-Cannabis zugrunde gelegen habe. Weder der verantwortliche Arzt noch der Zeitraum der Verordnung seien hinreichend erkennbar, ebenso wenig auf Grund welcher Erkrankung die Verordnung erfolgt sei. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller den Ausweis als Cannabispatient nicht bereits bei der Polizeikontrolle oder zu einem sonstigen Zeitpunkt vor Erlass des angegriffenen Bescheids vorgelegt habe. Ausgehend hiervon könne offenbleiben, ob der Antragsteller regelmäßig Cannabis konsumiere. Er habe jedenfalls zweimal gegen das Trennungsgebot verstoßen und sei daher nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen.

Fahrerlaubnisentziehung bei wiederholtem Cannabiskonsum
(Symbolfoto: Von oasisamuel/Shutterstock.com)

Der Antragsteller hat am 25.05.2021 Beschwerde erhoben und macht zur Begründung im Wesentlichen geltend: Bei der Fahrt am 05.11.2020 seien verkehrsbedingte Auffälligkeiten nicht festgestellt worden. Er nehme das Medizinal-Cannabis zuverlässig im Rahmen des medizinischen Behandlungsplans ein und halte sich strikt an die Vorgaben seines Arztes. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts dazu, dass naheliegender Weise zahlreiche cannabisaffine Personen versuchten, durch ärztliche Verschreibungen ihren Gebrauch zu legalisieren, widerspreche der Unschuldsvermutung und diffamiere Cannabispatienten. Der Antragsteller legalisiere keinen missbräuchlichen Konsum, sondern sei auf Medizinal-Cannabis angewiesen. Er sei im Sommer 2020 von pp. über die Trennung hinsichtlich des Konsums von Cannabis und der Teilnahme am Straßenverkehr belehrt worden. Soweit das Verwaltungsgericht nähere Ausführungen zu der ärztlichen Verordnung vermisse, missachte es strafprozessuale Rechte sowie Grundrechte und verkenne die Schweigepflicht des Arztes sowie die Interessen eines Kranken. Überdies könne beim Zeitablauf von mehreren Jahren zwischen zwei selbständigen Konsumeinheiten auch nicht von einem gelegentlichen Konsum ausgegangen werden. Selbst wenn man von gelegentlichem Cannabiskonsum ausgehe, sei davon auszugehen, dass er hinreichend trenne. Die vom Verwaltungsgericht zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts betreffe Erkenntnisse der Grenzwertkommission, die auf Untersuchungen aus dem Jahr 2002 basierten. Zwischenzeitlich gebe es neuere wissenschaftliche Erkenntnisse, insbesondere sei die Entscheidung nicht auf den Gebrauch von medizinischem Cannabis eins zu eins übertragbar. In einem solchen Fall sollte möglicherweise ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Beeinträchtigung in Betracht gezogen werden.

II.

1. Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig. Sie wurde fristgerecht erhoben und begründet (§ 146 Abs. 4 Satz 1, § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Auf Grundlage der – insoweit gerade noch den Darlegungsanforderungen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) genügenden – Beschwerdebegründung, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ist die verwaltungsgerichtliche Entscheidung abzuändern.

Das private Interesse des Antragstellers, vom Vollzug der kraft behördlicher Anordnung (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) sofort vollziehbaren Aberkennung des Rechts, von der kroatischen Fahrerlaubnis im Gebiet der Bundesrepublik Gebrauch zu machen, einstweilen verschont zu bleiben, überwiegt das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung. Denn bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung erweist sich die Aberkennungsverfügung als voraussichtlich rechtswidrig.

a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis hat die Entziehung die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 StVG, § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3, § 46 Abs. 5 FeV). Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken an der Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen eines Kraftfahrzeugs begründen, hat die Fahrerlaubnisbehörde unter den in den §§ 11 bis 14 FeV genannten Voraussetzungen durch die Anordnung der Vorlage von ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachten die Eignungszweifel aufzuklären (§ 3 Abs. 1 Satz 3 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens unterbleibt, wenn die Nichteignung des Fahrerlaubnisinhabers zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde bereits feststeht (§ 11 Abs. 7 FeV).

b) Ausgehend hiervon wäre das Landratsamt vorliegend wohl zwar zur Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens berechtigt gewesen, nicht aber zur unmittelbaren Entziehung der Fahrerlaubnis.

aa) Wohl zu Recht hat das Landratsamt angenommen, der Antragsteller sei gelegentlicher Cannabiskonsument.

Ein gelegentlicher Konsum von Cannabis liegt vor, wenn in mindestens zwei selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis konsumiert wurde und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (vgl. BVerwG, Urteile vom 11.04.2019 – 3 C 9.18 – juris Rn. 13 und vom 23.10.2014 – 3 C 3.13 – juris Rn. 21). Der Antragsteller hat unstreitig sowohl am 08.02.2017 als auch am 04.11.2020 Cannabis konsumiert. Entgegen seiner Auffassung ist auch der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Cannabiskonsum im Jahr 2017 und dem im Jahr 2020 noch gegeben. Ob eine relevante Zäsur zwischen zwei einzelnen Konsumakten anzunehmen ist, ist nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen. Die schematische Festlegung von Zeiträumen verbietet sich insoweit (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.2014 a. a. O. Rn. 21). Dabei verkennt der Senat nicht, dass zwischen den beiden Konsumvorgängen mehr als drei Jahre liegen. Allerdings hat der Antragsteller lediglich pauschal behauptet, er habe sich „ab diesem Zeitpunkt an die gesetzlichen Vorgaben gehalten“, eine plausible Darlegung, dass er den Konsum von Cannabis eingestellt hätte, fehlt. Unabhängig davon hat der Antragsteller selbst angegeben, er nehme derzeit Cannabis ein. Zwar handelt es sich nach seinen Angaben insoweit um Medizinal-Cannabis. Insoweit besteht jedoch nach wie vor ein erheblicher Klärungsbedarf.

bb) Wohl ebenfalls zu Recht geht das Landratsamt davon aus, der Antragsteller habe wiederholt gegen das Trennungsgebot verstoßen.

Ein gelegentlicher Konsument von Cannabis trennt den Konsum und das Führen eines Kraftfahrzeugs nicht gemäß Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV, wenn wegen des Cannabiskonsums die Möglichkeit einer Beeinträchtigung seiner Fahrsicherheit besteht. Von einer solchen Möglichkeit kann auch unter Berücksichtigung der Empfehlung der Grenzwertkommission vom September 2015 nach wie vor ausgegangen werden, wenn eine Konzentration von 1,0 ng/ml THC oder mehr im Blutserum des Betroffenen festgestellt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.04.2019 – 3 C 14.17 – BVerwGE 165, 215 <219 ff. Rn. 17 ff >; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.09.2019 – 10 S 458/19 – n. v.).

Ausgehend hiervon stehen zwei Verstöße gegen das Trennungsgebot fest. Sowohl am 08.02.2017 als auch am 04.11.2020 führte der Antragsteller ein Kraftfahrzeug, obwohl er eine THC-Konzentration von 2,41 ng/ml bzw. 1,3 ng/ml im Blut aufwies. Darauf, ob insoweit Ausfallerscheinungen aufgetreten sind, kommt es entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht an.

cc) Nach derzeitigem Erkenntnisstand kann sich der Antragsteller wohl auch nicht auf das Arzneimittelprivileg berufen. Hinsichtlich des Cannabiskonsums am 08.02.2017 hat der Antragsteller schon nicht geltend gemacht, dass es sich um Medizinal-Cannabis gehandelt habe. Dies ist auch fernliegend, da zu diesem Zeitpunkt lediglich bestimmte Fertigarzneimittel auf Cannabisbasis verkehrs- und verschreibungsfähig waren. Hinsichtlich des Cannabiskonsums am 04.11.2020 hat der Antragsteller zwar im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht, es habe sich um Medizinal-Cannabis gehandelt. Er hat dies jedoch nicht hinreichend belegt. Die Verschreibung eines Betäubungsmittels setzt nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BtMG voraus, dass seine Anwendung am oder im menschlichen Körper begründet ist. Daran fehlt es nach § 13 Abs. 1 Satz 2 BtMG insbesondere, wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann. Die Verschreibung eines Betäubungsmittels darf daher immer nur die ultima ratio darstellen (vgl. Hochstein in BeckOK BtMG, § 13 Rn. 25; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 13 Rn. 20). Vorliegend hat der Antragsteller schon nicht mitgeteilt, aufgrund welcher Erkrankung bei ihm die Einnahme von Medizinal-Cannabis indiziert sein soll. Darüber hinaus wurde weder eine konkrete Verordnung für Medizinal-Cannabis noch ein detaillierter Behandlungsplan vorgelegt. Insbesondere ist schon nicht erkennbar, in welchem konkreten Zeitraum eine entsprechende Verordnung erfolgt wäre. Hierauf hat bereits das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen. Weder die ärztlichen Bescheinigungen des … … vom 25.02.2021 und vom 20.04.2021 noch der „Cannabisausweis“ sind insoweit ausreichend. Der Bescheinigung vom 25.02.2021 lässt sich lediglich entnehmen, dass der Antragsteller Cannabisprodukte aus medizinischen Gründen einnimmt, bezüglich des Abstands der Anwendungen zur Teilnahme am Straßenverkehr im Spätsommer 2020 belehrt wurde und dass keine Hinweise auf eine Überdosierung vorliegen. Der Bescheinigung vom 20.04.2021 lässt sich nur entnehmen, dass der Wirkstoff „Red No2 Bakerstreet“ dreimal pro Woche mit jeweils 0,5 g konsumiert wird. Indes ist weder die Konsumform noch zu welchen Zeitpunkten das Präparat eingenommen wird erkennbar. Dem „Cannabisausweis“ lässt sich lediglich entnehmen, dass „Medizinalcannabis flos“ und „Medizinalcannabis Granulat“ verordnet wurde; er verhält sich jedoch weder zum Verordnungszeitraum noch zu den einzunehmenden Mengen. Soweit der Antragsteller meint, weder müsse noch solle er sich auf das Arzneimittelprivileg berufen, ferner würden die ärztliche Schweigepflicht sowie strafprozessuale Rechte und Grundrechte verkannt, liegt dies neben der Sache. Auf strafprozessuale Rechte kann sich der Antragsteller im Rahmen der Überprüfung seiner Fahreignung schon deshalb nicht berufen, weil hier keine Maßnahmen der Strafverfolgung, sondern solche der Gefahrenabwehr in Rede stehen, die dem Schutz Dritter dienen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.06.2012 – 10 S 452/10 – juris Rn. 60; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.10.2016 – 16 A 1237/14 – juris Rn. 49). Unabhängig davon erkennt der Antragsteller selbst, dass der Konsum von Cannabis nur dann nicht unter Ziff. 9.2 der Anlage 4 zur FeV fällt, wenn dieses ärztlich verordnet und entsprechend der ärztlichen Verordnung eingenommen wird. Dies darzulegen ist jedoch gerade Sache des Fahrerlaubnisinhabers.

dd) Wohl zu Unrecht hat das Landratsamt jedoch angenommen, aufgrund der zweimaligen Verstöße gegen das Trennungsgebot stehe die Ungeeignetheit des Antragstellers fest.

Die zweimalige Auffälligkeit im Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss genügt für sich genommen nicht, um – ohne Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens – von der Ungeeignetheit eines Fahrerlaubnisinhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen.

Ein gelegentlicher Cannabiskonsument hat sich nicht durch einen einmaligen Verstoß gegen das Trennungsgebot gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV i. V. m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist die Fahreignung bei Trennung von Konsum und Fahren zu bejahen, wenn keine der anderen Zusatztatsachen vorliegt. Dass die Fahreignung bei einem einmaligen Verstoß gegen das Trennungsgebot zwingend zu verneinen ist, folgt daraus nicht. Ein einmaliger Verstoß gegen das Trennungsgebot ist vielmehr eine Tatsache, die Bedenken gegen die Fahreignung begründet und nach § 46 Abs. 3 FeV zur Anwendung der §§ 11 bis 14 FeV führt. Die durch den Verstoß gegen das Trennungsgebot aufgeworfenen Zweifel an der Fahreignung hat die Fahrerlaubnisbehörde zu klären. Damit sie über eine hinreichend abgesicherte Beurteilungsgrundlage für die Prognose verfügt, ob der Betroffene auch künftig nicht zwischen einem möglicherweise die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennen wird, bedarf es in solchen Fällen in der Regel einer medizinisch-psychologischen Begutachtung (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.04.2019 a. a. O. <215 Rn. 37>).

Auch ein wiederholter Verstoß gegen das Trennungsgebot genügt für sich genommen regelmäßig nicht, um ohne weitere Sachverhaltsaufklärung von der Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen. Denn § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV sieht vor, dass die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens für die Zwecke nach § 14 Abs. 1 FeV anzuordnen ist, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr nach § 24a StVG begangen wurden. Darunter können zwar auch zeitlich nacheinander liegende Fahrten unter einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Einfluss von Alkohol bei der ersten und von Cannabis bei der/den nächsten Fahrt(en) fallen (sog. „Mischfälle“); der Wortlaut der Regelung erfasst aber ebenso auch mehrere Fahrten unter einer die Fahrsicherheit möglicherweise beeinträchtigenden Wirkung von Cannabis (vgl. BVerwG Urteil vom 11.04.2019 a. a. O. Rn. 40; Senatsbeschluss vom 15.04.2021 – 13 S 664/21 – n. v.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 17.02.2020 – 16 B 885/19 – juris Rn. 12 und vom 18.02.2020 – 16 B 210/19 – juris Rn. 7; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl., FeV § 14 Rn. 25).

Auf die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens kann daher in Fällen eines wiederholten Verstoßes gegen das Trennungsgebot nur dann nach § 11 Abs. 7 FeV verzichtet werden, wenn die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde bereits feststeht. Davon kann jedoch nur dann ausgegangen werden, wenn besondere Umstände des Einzelfalls vorliegen, aus denen die zuständige Behörde die mangelnde Fahreignung ohne weiteres selbst feststellen kann (vgl. BVerwG Urteil vom 11.04.2019 a. a. O. Rn. 40; Senatsbeschluss a. a. O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.02.2020 a. a. O. Rn. 16).

Derartige Umstände sind vorliegend wohl nicht gegeben. Insbesondere ergeben sich solche nicht aus der Höhe der in der Blutprobe des Antragstellers festgestellten Werte.

Ausgehend hiervon wäre das Landratsamt gehalten gewesen, die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Frage, ob der Antragsteller in der Lage ist, den Konsum von Cannabis und das Führen von Kraftfahrzeugen hinreichend zu trennen, zu fordern. Soweit sich im Rahmen der Begutachtung herausstellen sollte, dass der Antragsteller tatsächlich Medizinal-Cannabis konsumiert, könnte gegebenenfalls in Erwägung zu ziehen sein, ob angesichts des illegalen Cannabiskonsums des Antragstellers in der Vergangenheit weiterer Aufklärungsbedarf dazu besteht, ob insoweit die erforderliche Compliance sowie ob eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen unter das erforderliche Maß besteht. Denn soll eine Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis nicht zum Verlust der Fahreignung führen, setzt dies mit Blick auf die Nrn. 9.6.2 und 9.4 der Anlage 4 zur FeV voraus, dass die Einnahme von Cannabis indiziert und ärztlich verordnet ist, das Medizinal-Cannabis zuverlässig nach der ärztlichen Verordnung eingenommen wird, keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit festzustellen sind, die Grunderkrankung bzw. die vorliegende Symptomatik keine verkehrsmedizinisch relevante Ausprägung aufweist, die eine sichere Verkehrsteilnahme beeinträchtigt, und nicht zu erwarten ist, dass der Betroffene in Situationen, in denen seine Fahrsicherheit durch Auswirkungen der Erkrankung oder der Medikation beeinträchtigt ist, am Straßenverkehr teilnehmen wird (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.01.2017 – 10 S 1503/16 – juris Rn. 8; BayVGH, Beschluss vom 30.03.2021 – 11 ZB 20.1138 – juris Rn. 19).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. den Empfehlungen in den Nrn. 1.5 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt z. B. in Schoch/Schneider, VwGO, unter § 163).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

 

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