OLG Karlsruhe – Az.: 1 Rb 10 Ss 220/17 – Beschluss vom 04.07.2018
Auf die Rechtbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss des Amtsgerichts Z. vom 07. November 2016 mit den dazu gehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache zur neuen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Z. zurückverwiesen.
Gründe
I.
Mit Beschluss vom 07.11.2016 ordnete das Amtsgericht Z. gegen die Verfallsbeteiligte X-GmbH den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 13.034,50 Euro an, weil diese in der Zeit vom 17.02.2014 bis 21.02.2014 mit dem auf sie zugelassenen Lastkraftwagen mit Anhänger mit den amtlichen Kennzeichen – Y-AM 219/X-AM 216 vier und in der Zeit vom 07.01.2014 bis 18.02.2014 mit dem auf sie zugelassenen Lastkraftwagen mit Anhänger mit den amtlichen Kennzeichen Y-AM 178/Y-AM 208 25 im einzelnen aufgeführte Fahrten durchgeführt habe, obwohl bei beiden Fahrzeugen die zulässige Fahrzeugbreite überschritten gewesen sei; so habe bei der Fahrzeugkombination mit dem amtlichen Kennzeichen Y-AM 219/Y-AM 216 die Zugmaschine ein Breite von 2,59 Meter und der Anhänger eine Breite von 2,58 Meter und bei der Fahrzeugkombination mit dem amtlichen Kennzeichen Y-AM 178/Y-AM 208 die Zugmaschine ein Breite von 2,59 Meter und der Anhänger eine Breite von 2,57 Meter aufgewiesen. Im Hinblick auf weitere Fahrten hat das Amtsgericht von der Anordnung eines Verfallsbetrages abgesehen.
Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist zulässig. Diese hat auch in der Sache Erfolg und führt zur erneuten vollständigen Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
II.
Die Entscheidung kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil die getroffenen Feststellungen derart lückenhaft sind, dass sie eine vollständige Rechtskontrolle nicht ermöglichen. Auch die Begründung eines die beantragte Anordnung des Verfalls nach § 29 a OWiG ganz oder teilweise ablehnenden Beschlusses nach § 72 Abs. 5 OWiG hat sich an den Voraussetzungen eines Urteils in Strafsachen zu orientieren. Bei einer – wie hier teilweise aus tatsächlichen Gründen erfolgten – Ablehnung müssen nicht nur die vom Gericht als erwiesen angesehenen Tatsachen und die Umstände bezeichnet werden, aus denen sich das (teilweise) Fehlen der Verfallsvoraussetzungen ergibt (vgl. dazu § 72 Abs. 5; OWiG OLG Frankfurt DAR 2010, 216; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg NStZ 2006, 528; Seitz/Bauer in Göhler, OWiG, 17. Aufl. 2017, § 72 Rn. 63), sondern vor allem bedarf es einer nachvollziehbaren Darlegung, was dem Verfallsbeteiligten überhaupt vorgeworfen wird (vgl. BGHSt 337, 21). Vorliegend hätte es zumindest einer Darstellung der im Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums – Zentrale Bußgeldstelle – X vom 04.07.2014 aufgeführten Taten bedurft, um dem Rechtsbeschwerdegericht eine umfassende Rechtskontrolle der die Anordnung des Verfalls teilweise ablehnenden Entscheidung zu ermöglichen. Hieran mangelt es, da sich aus der ohnehin dürftig begründeten Entscheidung weder die insgesamt gegen die Verfallsbeteiligte erhobenen Tatvorwürfe noch die nähere Ausgestaltung der Fahrten in zeitlicher und örtlicher Hinsicht mit den beiden Zugkombinationen ergeben. Dass dem Senat das Verfahren und der Inhalt der Verfallsanordnung mit einer Höhe von insgesamt 512.766,00 Euro aufgrund seines Beschlusses vom 20.06.2016 (1-8-SsBs 269/15-AK 99/15, abgedruckt in Justiz 2018, 382 und bei juris) bekannt ist, entbindet den Tatrichter nicht von einer vollumfänglichen, in sich nachvollziehbaren und verständlichen Sachdarstellung.
Die somit bereits aus formalen Gründen erfolgte Aufhebung umfasst auch den die Anordnung des Verfalls aussprechenden Teil des Beschlusses, da dem Tatgeschehen die Begehung zweier Dauerdelikte zugrunde liegen könnte, so dass eine getrennte Aburteilung von Einzelakten nicht in Betracht kommt.
Der Senat sah sich nunmehr allerdings veranlasst, von der Möglichkeit des § 79 Abs. 6 OWiG Gebrauch zu machen, und hat die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Karlsruhe zurückverwiesen.
III.
Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:
Die Festsetzung eines Verfallsbetrages nach der in Betracht kommenden Vorschrift des § 29a OWiG wird nach Bejahung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm (vgl. unten III. 1) grundsätzlich in zwei weiteren Schritten vollzogen (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.11.2017, 2 Rb 4 Ss 699/17, abgedruckt bei juris). Insoweit ist zunächst der Wert des durch die Tat Erlangten (vgl. unten III. 2) und sodann in einem zweiten Schritt im Rahmen einer Ermessensentscheidung der konkret für verfallen zu erklärende Betrag zu bestimmen (vgl. unten III. 3).
III 1.1 Soweit das Amtsgericht bei beiden Fahrzeugkombinationen hinsichtlich weiterer Fahrten eine Verfallsanordnung deshalb abgelehnt hat, weil der Abfahrtsort und das Ziel nicht bekannt und daher unklar sei, ob die Fahrten zumindest teilweise auf deutschen Straßen durchgeführt worden seien, ist diese Erwägung für den Senat schon deshalb nicht nachvollziehbar und überprüfbar, weil – wie oben unter II. ausgeführt – die dieser Erwägung zugrunde liegenden Taten nicht dargestellt sind. Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof aufgrund einer Vorlage des OLG Oldenburg entschieden (BGHSt 62, 114), dass bei einem unter Verstoß gegen deutsche Straßenverkehrsvorschriften durchgeführten internationalen Transport – bei Vorliegen der sonstigen hierfür erforderlichen Voraussetzungen nach § 29a OWiG – der Verfall in Höhe des gesamten Transportlohns angeordnet werden kann. Nach dieser Vorschrift kann der Verfall eines Geldbetrages bis zu der Höhe angeordnet werden, die dem Wert des Erlangten entspricht. Maßgeblich ist daher die Bestimmung des wirtschaftlichen Wertes des Vorteils, welcher dem Verfahrensbeteiligten infolge der mit Geldbuße bedrohten Handlung zugeflossen ist. Dabei muss – entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift („dadurch“) – eine unmittelbare Kausalbeziehung zwischen bußgeldbewehrter Handlung und erlangtem Vorteil bestehen; die hieran anknüpfende Abschöpfung hat spiegelbildlich dem Vermögensvorteil zu entsprechen, welcher aus der Begehung der mit Bußgeld bedrohten Handlung gezogen wurde. Bei einem internationalen Transport werde – so der Bundesgerichtshof – eine solche unmittelbare Kausalbeziehung zwischen der mit Bußgeld bedrohten Handlung und dem wirtschaftlichen Vorteil des gesamten Transportlohns nicht dadurch in Frage gestellt, dass nur auf einem Teilstück der Transportstrecke gegen Straßenverkehrsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland verstoßen wird. Zwar stelle nicht der (Gesamt-)Transport als solcher die mit Bußgeld bedrohte Handlung (§ 1 Abs. 2 OWiG) im Sinne von § 29a OWiG dar, sondern Anknüpfungspunkt des Verfalls sei nur der jeweilige Verstoß gegen deutsche Straßenverkehrsvorschriften. Dies stehe der unmittelbaren Kausalbeziehung zwischen einem entsprechenden Verstoß und der Erlangung des gesamten Transportlohns jedoch nicht entgegen. Vielmehr bestehe eine Ursächlichkeit auch dann, wenn mehrere Handlungen einen Erfolg erst durch ihr Zusammenwirken – kumulativ – herbeiführen. Dieser Ansicht schließt sich der Senat an. Danach ist im Rahmen der nach Sachlage durchzuführenden neuen Hauptverhandlung festzustellen, ob bezüglich der nicht näher beschriebenen Fahrten der beiden Zugkombinationen entweder der Abfahrts- oder der Zielort auf deutschem Boden lag.
III. 1.2 Soweit das Amtsgericht die Anordnung eines Verfalles bei der Fahrzeugkombination mit dem amtlichen Kennzeichen Y-AM 178/Y-AM 208 mangels Nachweisbarkeit einer Kenntnis der Verfallsbeteiligten von den Umbaumaßnahmen wegen Eintritts der Verjährung abgelehnt hat, sind die Erwägungen für den Senat nicht nachvollziehbar.
Insoweit hat der Senat bezüglich der Fahrzeugkombination mit dem amtlichen Kennzeichen Y-AM 219/Y-AM 216 bereits im Beschluss vom 20.06.2016 (Die Justiz 2018, 382) ausgeführt, dass vom Vorliegen einer Dauerordnungswidrigkeit nach §§ 32 Abs. 1, 69a Abs. 3 Nr. 2 StVZO, 24 StVG auszugehen ist. Eine solche liege vor, wenn der Täter den von ihm geschaffenen ordnungswidrigen Zustand aufrecht erhalte oder die bußgeldbewehrte Tätigkeit ununterbrochen fortsetze, so dass sich der Vorwurf sowohl auf die Herbeiführung als auch auf die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustandes beziehe (OLG Düsseldorf VRS 92, 338: Überladung; Thüringer Oberlandesgericht DAR 2006, 162: Parkverstoß; OLG Zweibrücken NZV 2002, 97: Geschwindigkeitsbegrenzer; OLG Bamberg, Beschluss vom 30.01.2014, 3 Ss OWi 284/13: Zulassung von Lenkzeitüberschreitungen; OLG Koblenz VRS 102, 291: Verletzung der Pflicht zur Überwachung des Fahrpersonals). Auch ein pflichtwidriges Unterlassen könne zu einer Dauerordnungswidrigkeit führen, wenn auf diese Weise ermöglicht werde, dass durch fortlaufende selbständige Handlungen anderer Personen der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit verwirklicht werde (BayOblG NJW 1997, 2394). Hingegen reiche die ständige Wiederholung einer Ordnungswidrigkeit hierfür nicht aus, wenn der vorschriftswidrige Zustand immer wieder beendet und sodann erneut und selbständig neu begründet und geschaffen werde (Gürtler in Göhler, a.a.O., Vor § 19 Rn. 20). Danach sei bezüglich der Fahrzeugkombination mit dem amtlichen Kennzeichen Y-AM 219/Y-AM 216 vom Vorliegen einer Dauerordnungswidrigkeit der Verfallsbeteiligten auszugehen, da dieser die dauerhafte und nicht unterbrochene Duldung von Verkehrsverstößen mit – soweit hier erheblich – einer Überbreite aufweisenden und damit nicht im Straßenverkehr zugelassenen Kombinationsfahrzeuges vorgeworfen werde (§ 32 Abs. 1, 69 a Abs. 3 Nr. 2 StVZO, § 24 StVG). Da auch die vom Amtsgericht bezüglich der Fahrzeugkombination mit dem amtlichen Kennzeichen Y-AM 178/Y-AM 208 festgestellte Überbreite auf einem Umbau des Fahrzeugs beruhen dürfte, hätte es insoweit näherer Ausführungen im angefochtenen Beschluss bedurft, aus welchen Gründen dem Verfallsbeteiligten und eigentlichen Verantwortlichen der Firma eine solche auch kostenintensive Maßnahme nicht bekannt gewesen sein sollte, zumal es naheliegt, dass sie von dieser selbst in Auftrag gegeben wurde. Mit dieser Frage wird sich der neue Tatrichter daher zu befassen haben, da bei einem Dauerdelikt die Verjährung frühestens mit der Beendigung des rechtswidrigen Zustands zu laufen beginnt (vgl. Gürtler in Göhler, a.a.O., § 31 Rn. 10), so dass in diesem Falle für eine solche Bewertung kein dargelegter Anlass besteht.
III. 2 Soweit der bisherige Tatrichter hinsichtlich beider Fahrzeugkombinationen die Anordnung eines Verfalls nach § 29a OWiG bezüglich solcher Fahrten, bei welchen der Fahrtlohn nicht konkret habe festgestellt werden können, mangels hinreichender Anknüpfungspunkte für eine Schätzung abgelehnt hat, hat er die Bedeutung und die Reichweite der Vorschrift des § 29a Abs. 3 OWiG verkannt. Nach dieser Vorschrift kann der Umfang des Erlangten und dessen Wert geschätzt werden. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ist eine solche Schätzung aber erst zulässig, wenn bei einer Verfallsanordnung nach § 29a OWiG das aus der Tat oder für die Tat Erlangte nicht bzw. nicht genau zu bestimmen ist. Insoweit hat das Urteil zunächst Ausführungen dazu zu enthalten, ob eine solche Bestimmung möglich bzw. warum dies nicht möglich ist (OLG Celle VRS 129, 324). Schon hieran mangelt der angefochtene Beschluss, weil es ohne nähere Darlegung von Gründen die Nichtfeststellbarkeit des Transportlohnes für einzelne Fahrten einfach behauptet.
Eine Schätzung der Höhe des Erlangten nach § 29 a Abs. 3 OWiG kann in einem zweiten Schritt erst dann erfolgen, wenn die Höhe des Vorteils aus der Tat nach Ausschöpfen aller Beweismittel, die ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten erlangt werden können, nicht genau zu bestimmen ist (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 04.10.2017, 2 Rb 9 Ss 298/17, abgedruckt bei juris). Für diese Schätzung bedarf es der Mitteilung der sie tragenden Grundlagen im Urteil (OLG Karlsruhe NZV 2013, 98; OLG Stuttgart StraFo 2014, 26; OLG Braunschweig ZfSch 2014, 230; OLG Celle VRS 129, 324; vgl. Gürtler in Göhler, a.a.O., § 29 a Rn. 27 und § 17 Rn. 45 ff.). Sollte keine andere Möglichkeit der Feststellung des Erlangten mangels Aufklärung der im Einzelfall gefahrenen Wegstrecken und des angefallenen Frachtlohns bestehen, hält es der Senat in Anbetracht der Vielzahl der festgestellten Verstöße vorliegend für rechtlich zulässig, das Erlangte aus den Mittelwerten der kostenmäßig festgesellten Fahrten zu berechnen, wobei insoweit jedoch ein Sicherheitsabschlag von – mindestens – 10% vorzunehmen wäre.
III. 3 Nachdem der neue Tatrichter nach diesen Maßgaben die Höhe des insgesamt erhaltenen Transportentgelts festgestellt haben wird, hat er in einem weiteren Schritt den konkret für verfallen zu erklärenden Betrag zu bestimmen. Hierbei hat er vor allem abzuwägen, ob die Abschöpfung des gesamten Erlöses für die Verfallsbeteiligte eine unbillige Härte darstellen würde (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.11.2017, 2 Rb 4 Ss 699/17, abgedruckt bei juris). Insoweit hat der Tatrichter eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen und darf sich nicht auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung der Verwaltungsbehörde beschränken, sollte diese überhaupt eine solche Erwägung vorgenommen haben (OLG Stuttgart StraFo 2014, 26). Dabei sind vor allem folgende Aspekte zu berücksichtigen: Bedeutung und Folgen der Tat, der Umfang des Erlangten, die Gefahr einer Wiederholung durch andere, das Bedürfnis nach einer Befriedung der Rechtsordnung, die Auswirkungen des Verfalls für den davon Betroffenen, der zur Aufklärung des Sachverhalts erforderliche Aufwand sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wobei unter dem letztgenannten Gesichtspunkt von einer Verfallsanordnung abgesehen werden soll, wenn diese den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Adressaten oder sonst eine unbillige Härte zur Folge hätte (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 04.10.2017, 2 Rb 9 Ss 298/17; OLG Stuttgart Justiz 2017, 351; Göhler, a.a.O., § 29 a Rn. 24 m.w.N.). So kann ein erheblicher Abschlag insbesondere dann veranlasst sein, wenn der tatsächlich erlangte Vermögensvorteil – was vorliegend zu bewerten wäre – gering ist (Göhler, a.a.O., § 29 a Rn. 24 m.w.N.). Auch wird zu berücksichtigen sein, dass die Taten in den Jahren 2013/2014 begangen wurden und daher schon länger zurückliegen.
III. 4 Abschließend weist der Senat darauf hin, dass sich die Sache in Anbetracht der Vielzahl der noch aufzuklärenden und zu bewertenden Fragen nicht für eine Entscheidung im Beschlussverfahren nach § 72 OWiG eignet.