OLG Oldenburg rügt mangelhafte Fahreridentifizierung
Das Urteil des OLG Oldenburg (Az.: 2 ORbs 168/23) hebt die Entscheidung des Amtsgerichts Norden aufgrund von Mängeln in der Fahreridentifizierung und den Urteilsgründen auf. Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen, um die einheitliche Rechtsprechung zu sichern, und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen. Besonders kritisiert wurde, dass das Amtsgericht nicht ausreichend auf ein Messfoto Bezug genommen und dieses nicht in einer Weise beschrieben hat, die eine Überprüfung der Identifizierung des Betroffenen als Fahrzeugführer ermöglicht.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Norden durch das OLG Oldenburg aufgrund von Mängeln in der Fahreridentifizierung und den Urteilsgründen.
- Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung.
- Rückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht.
- Kritik an der unzureichenden Bezugnahme und Beschreibung des Messfotos durch das Amtsgericht.
- Die Notwendigkeit einer präzisen und nachprüfbaren Begründung für die Identifizierung des Fahrzeugführers.
- Erhalt der objektiven Feststellungen zur Geschwindigkeitsüberschreitung und Nutzung eines Mobiltelefons.
- Anforderungen an die Urteilsgründe gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung.
- Hinweise für die neue Hauptverhandlung, insbesondere bezüglich der Inaugenscheinnahme von Lichtbildern.
Übersicht
- OLG Oldenburg rügt mangelhafte Fahreridentifizierung
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- ✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt
- Warum ist eine präzise Fahreridentifizierung im Verkehrsrecht so wichtig?
- Wie muss ein Tatrichter das Beweisfoto im Urteil berücksichtigen, um den rechtlichen Anforderungen zu genügen?
- Inwiefern beeinflusst die Qualität eines Beweisfotos die Identifizierung des Fahrers?
- Welche Konsequenzen ergeben sich aus unzureichenden Urteilsgründen für das weitere Verfahren?
- Das vorliegende Urteil
Fahreridentifizierung und Urteilsbegründung im Straßenverkehr
Die Identifizierung von Fahrzeugführern bei Verkehrsordnungswidrigkeiten stellt die Justiz vor besondere Herausforderungen. Um eine korrekte Fahreridentifizierung zu gewährleisten und eine solide Grundlage für Urteile zu schaffen, bestehen klare rechtliche Anforderungen an die Tatrichter und ihre Urteilsbegründungen. Diese Anforderungen zielen darauf ab, die Rechte der Betroffenen zu schützen und eine einheitliche Rechtsprechung zu gewährleisten.
In der Einleitung wird das Thema der Fahreridentifizierung und Urteilsbegründung im Straßenverkehr vorgestellt. Die rechtlichen Herausforderungen werden kurz erläutert und das Interesse an einem detaillierteren Einblick in ein konkretes Urteil zu diesem Thema geweckt. Die Einleitung regt den Leser dazu an, sich weiter mit der Materie zu befassen und die Hintergründe und Auswirkungen der rechtlichen Anforderungen zu verstehen.
Im Zentrum des Falles steht die Rechtsbeschwerde eines Betroffenen gegen ein Urteil des Amtsgerichts Norden. Der Vorwurf: eine fahrlässige Geschwindigkeitsüberschreitung in Verbindung mit der vorschriftswidrigen Nutzung eines elektronischen Gerätes beim Führen eines Kraftfahrzeugs. Das Amtsgericht hatte den Betroffenen zu einer Geldbuße verurteilt, eine Entscheidung, die aufgrund von Mängeln in der Fahreridentifizierung und den Urteilsgründen nun vom Oberlandesgericht Oldenburg (Az.: 2 ORbs 168/23) aufgehoben wurde.
Die Rolle der Fahreridentifizierung im Verkehrsrecht
Die Fahreridentifizierung spielt eine entscheidende Rolle im Verkehrsrecht, insbesondere bei der Ahndung von Verkehrsverstößen mittels automatisierter Verkehrsüberwachung. Im vorliegenden Fall kritisierte das OLG Oldenburg, dass das Amtsgericht Norden nicht hinreichend auf das Beweisfoto Bezug genommen hatte. Laut höchstrichterlicher Rechtsprechung muss die Bezugnahme auf das Foto so deutlich und zweifelsfrei erfolgen, dass das Rechtsmittelgericht die Identifizierung der Person prüfen kann. Dies umfasst die Möglichkeit für das Gericht, das Lichtbild aus eigener Anschauung zu würdigen und zu beurteilen, ob es als Grundlage einer Identifizierung tauglich ist.
Unzureichende Urteilsgründe als Kernproblem
Ein zentrales Problem in diesem Fall waren die unzureichenden Urteilsgründe des Amtsgerichts. Das OLG stellte fest, dass die Urteilsgründe im Hinblick auf die Identifizierung des Betroffenen als Fahrzeugführer der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht gerecht wurden. Das Gericht bemängelte, dass das Amtsgericht weder auf das Messfoto in einer Weise verwiesen noch es in einer Art und Weise beschrieben hatte, die es dem Senat ermöglicht hätte, die Eignung des Fotos zur Identifizierung zu prüfen. Die Qualität des Fotos und die darauf basierende Identifizierung des Betroffenen blieben somit für das OLG nicht nachvollziehbar.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg
Das Oberlandesgericht Oldenburg entschied daraufhin, das Urteil des Amtsgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die objektiven Feststellungen zur gefahrenen Geschwindigkeit sowie zur Nutzung eines Mobiltelefons wurden von der Aufhebung ausgenommen. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung präziser und nachvollziehbarer Urteilsgründe, insbesondere bei der Identifizierung von Fahrzeugführern anhand von Beweisfotos.
Wichtige Hinweise für zukünftige Verhandlungen
Das OLG Oldenburg wies zudem darauf hin, dass die Inaugenscheinnahme von Lichtbildern aus dem Verhandlungsprotokoll ersichtlich sein muss. Dies war im besprochenen Fall hinsichtlich des im Urteil erwähnten Lichtbildes nicht gegeben. Darüber hinaus wurde betont, dass, insbesondere wenn der Betroffene einen Dritten als Fahrer benennt, das Gericht diesen in aller Regel als Zeugen laden und gegebenenfalls vernehmen muss.
Das Oberlandesgericht Oldenburg hebt die Bedeutung transparenter und nachvollziehbarer Verfahrensweisen bei der Fahreridentifizierung hervor. Die korrekte Anwendung und Darlegung der Beweismittel sind für eine gerechte Urteilsfindung unerlässlich.
✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt
Warum ist eine präzise Fahreridentifizierung im Verkehrsrecht so wichtig?
Eine präzise Fahreridentifizierung im Verkehrsrecht ist aus mehreren Gründen von entscheidender Bedeutung. Zunächst ermöglicht sie die korrekte Zuordnung von Verkehrsverstößen zu den tatsächlichen Verursachern. Dies ist grundlegend für die Gerechtigkeit und Fairness im Rechtssystem, da es sicherstellt, dass nur die Personen zur Verantwortung gezogen werden, die einen Verstoß begangen haben. Eine genaue Identifizierung verhindert, dass Unschuldige fälschlicherweise belangt werden und trägt dazu bei, das Vertrauen in das Verkehrssystem und die Rechtsdurchsetzung zu stärken.
Darüber hinaus spielt die Fahreridentifizierung eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung von Verkehrsregeln und der Förderung der Verkehrssicherheit. Wenn Verkehrsteilnehmer wissen, dass Verstöße effektiv verfolgt und geahndet werden können, wirkt dies abschreckend und fördert ein verantwortungsbewusstes Fahrverhalten. Dies trägt zur Reduzierung von Unfällen und zur Verbesserung der allgemeinen Sicherheit auf den Straßen bei.
Die präzise Identifizierung ist auch für die Verfahrenseffizienz wichtig. Fehler bei der Fahreridentifikation können zu Verzögerungen und zusätzlichem Aufwand in der Verfolgung von Verkehrsdelikten führen. Korrekte Identifizierungen ermöglichen eine zügige Bearbeitung von Fällen, was die Ressourcen der Justiz schont und eine schnelle Klärung für alle Beteiligten gewährleistet.
Technische Hilfsmittel wie Radar- und Kameraaufnahmen spielen bei der Identifizierung eine wichtige Rolle, können jedoch auch Herausforderungen mit sich bringen, etwa bei unscharfen Bildern oder wenn das Gesicht des Fahrers nicht eindeutig zu erkennen ist. In solchen Fällen können zusätzliche Beweismittel oder Methoden, wie z.B. anthropologische Vergleichsgutachten, erforderlich sein, um die Identität des Fahrers festzustellen. Die rechtlichen Anforderungen an die Identifizierung eines Fahrzeugführers sind hoch, um sowohl die Rechte des Beschuldigten als auch die Durchsetzung des Verkehrsrechts zu gewährleisten.
Insgesamt ist die präzise Fahreridentifizierung im Verkehrsrecht also essentiell, um Rechtsgerechtigkeit zu gewährleisten, die Verkehrssicherheit zu erhöhen und die Effizienz von Verfahren zu sichern.
Wie muss ein Tatrichter das Beweisfoto im Urteil berücksichtigen, um den rechtlichen Anforderungen zu genügen?
Um den rechtlichen Anforderungen zu genügen, muss ein Tatrichter das Beweisfoto im Urteil in einer Weise berücksichtigen, die es dem Rechtsbeschwerdegericht ermöglicht, die Identifizierung des Fahrers nachzuvollziehen und zu überprüfen. Dies kann auf zwei Arten erfolgen:
- Bezugnahme auf das Foto in den Urteilsgründen: Der Tatrichter kann in den Urteilsgründen auf das in der Akte befindliche Foto gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG Bezug nehmen. Durch eine solche Bezugnahme, die deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht werden muss, wird das Lichtbild zum Bestandteil der Urteilsgründe. Das Rechtsmittelgericht kann dann das Foto aus eigener Anschauung würdigen und beurteilen, ob es als Grundlage einer Identifizierung tauglich ist.
- Ausführliche Beschreibung des Fotos: Wenn der Tatrichter von der Bezugnahme absehen sollte, ist eine detaillierte Beschreibung des Fotos in den Urteilsgründen erforderlich. Dabei müssen die charakteristischen Merkmale der abgebildeten Person, die für die Überzeugungsbildung des Tatrichters entscheidend waren, benannt und beschrieben werden. Es genügt nicht, lediglich das Ergebnis der Überzeugungsbildung mitzuteilen oder die zur Identifizierung herangezogenen Merkmale aufzulisten. Die Beschreibung muss so detailliert sein, dass das Rechtsmittelgericht die Eignung des Fotos für die Identifizierung prüfen kann.
Die Anforderungen an die Urteilsgründe sind hoch, da das Rechtsbeschwerdegericht in der Lage sein muss, die Entscheidung des Tatrichters nachzuvollziehen und zu überprüfen. Dies schließt die Prüfung ein, ob das Beweisfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen.
Inwiefern beeinflusst die Qualität eines Beweisfotos die Identifizierung des Fahrers?
Die Qualität eines Beweisfotos hat einen erheblichen Einfluss auf die Identifizierung des Fahrers bei Verkehrsverstößen. Ein scharfes und detailreiches Foto ermöglicht es, charakteristische Merkmale des Fahrers wie Gesichtszüge, Haaransatz oder besondere Kennzeichen zu erkennen und mit dem tatsächlichen Fahrer oder Halter des Fahrzeugs abzugleichen.
Die Schärfe eines Fotos wird durch die Unterscheidbarkeit von Details bestimmt und ist abhängig von Faktoren wie Kontrast, Auflösung und der Vermeidung von Unschärfekreisen. Ein hoher Kontrast an Kanten und eine hohe Auflösung tragen dazu bei, dass ein Bild schärfer und somit für die Identifizierung geeigneter erscheint.
Unscharfe oder kontrastarme Fotos hingegen erschweren die Identifizierung, da wesentliche Merkmale nicht klar erkennbar sind und somit die Zuordnung zu einer Person nicht zweifelsfrei erfolgen kann. In solchen Fällen kann es zu Fehlidentifikationen kommen oder es wird notwendig, zusätzliche Beweismittel heranzuziehen, um die Identität des Fahrers festzustellen.
Die rechtlichen Anforderungen an die Identifizierung eines Fahrzeugführers sind hoch, um sowohl die Rechte des Beschuldigten als auch die Durchsetzung des Verkehrsrechts zu gewährleisten. Daher muss das Beweisfoto grundsätzlich zur Identifizierung geeignet sein, und das Gericht muss in der Lage sein, die Entscheidung des Tatrichters nachzuvollziehen und zu überprüfen.
Bei der Beurteilung der Qualität eines Beweisfotos und dessen Eignung für die Fahreridentifizierung spielen somit sowohl technische Aspekte der Fotografie als auch rechtliche Anforderungen eine entscheidende Rolle.
Welche Konsequenzen ergeben sich aus unzureichenden Urteilsgründen für das weitere Verfahren?
Unzureichende Urteilsgründe können erhebliche Konsequenzen für das weitere Verfahren haben. Sie können zu einer Revision oder Rechtsbeschwerde führen, bei der das Urteil aufgehoben und der Fall zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Ausgangsgericht zurückverwiesen wird.
In der Regel muss das Revisionsgericht die Verfahrensakten nicht einsehen, es stützt sich ausschließlich auf die Urteilsgründe. Wenn diese unzureichend sind, kann das Revisionsgericht das Urteil nicht angemessen überprüfen. Dies kann dazu führen, dass das Revisionsgericht die Revision als unzulässig oder unbegründet verwirft.
Ein Urteil ist nur dann im Sinne von § 119 Nr. 6 FGO nicht mit Gründen versehen, wenn die Urteilsgründe ganz oder zum Teil fehlen und sie den Prozessbeteiligten keine Kenntnis auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Überlegungen das Urteil beruht.
Unzureichende Urteilsgründe können auch zu Verfahrensfehlern führen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens erfordern. Beispielsweise können unzureichende Urteilsgründe dazu führen, dass nicht beschiedene Hilfs- oder andere bedingte Beweisanträge in den Urteilsgründen auftauchen.
Darüber hinaus kann ein Mangel an ausreichenden Urteilsgründen dazu führen, dass eine Verfassungsbeschwerde unzulässig ist. Eine ordnungsgemäße Begründung erfordert, dass der Beschwerdeführer sich mit den Grundlagen und dem Inhalt gerichtlicher Entscheidungen auseinandersetzt.
Schließlich kann ein Mangel an ausreichenden Urteilsgründen dazu führen, dass die Strafzumessung in einem Strafverfahren überprüft werden muss. Wenn die Bemessungsgrundlage erheblich verändert wird, kann dies die Notwendigkeit einer erneuten Überprüfung der verhängten Strafen zur Folge haben.
Das vorliegende Urteil
OLG Oldenburg – Az.: 2 ORbs 168/23 (310 Js 10057/23) – Beschluss vom 23.10.2023
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Norden vom 11.07.2023 wird vom rechtsunterzeichnenden Einzelrichter zur Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.
Die Sache wird vom rechtsunterzeichnenden Einzelrichter auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. Ausgenommen von der Aufhebung werden die objektiven Feststellungen zur gefahrenen Geschwindigkeit sowie zur Nutzung eines Mobiltelefons. Insoweit wird die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung in Tateinheit mit vorschriftswidriger Benutzung eines elektronischen Gerätes, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, als Kraftfahrzeugführer zu einer Geldbuße von 150 € verurteilt.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde.
Die Generalstaatsanwaltschaft sieht Zulassungsgründe nicht als gegeben an, da zur Vermeidung der Wiederholung des im Folgenden genannten Fehlers ein Hinweis des Senats ausreiche.
Die Rechtsbeschwerde ist vom rechtsunterzeichnenden Einzelrichter zur Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung zugelassen worden, da die Urteilsgründe im Hinblick auf die Identifizierung des Betroffenen als Fahrzeugführer der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht gerecht werden.
Insoweit wird verwiesen auf die grundlegende Entscheidung BGHSt 41, 376 ff:
„Daraus folgt für die Anforderungen an die Urteilsgründe: Diese müssen so gefaßt sein, daß das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Belegfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen.
aa) Diese Forderung kann der Tatrichter dadurch erfüllen, daß er in den Urteilsgründen auf das in der Akte befindliche Foto gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG Bezug nimmt. Aufgrund der Bezugnahme, die deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht sein muß (Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 42. Aufl. § 267 Rdn. 8; vgl. auch BayObLG NZV 1995, 163, 164), wird das Lichtbild zum Bestandteil der Urteilsgründe. Das Rechtsmittelgericht kann die Abbildung aus eigener Anschauung würdigen (Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 267 Rdn. 10) und ist daher auch in der Lage zu beurteilen, ob es als Grundlage einer Identifizierung tauglich ist (vgl. OLG Celle VM 1985, 53; OLG Stuttgart VRS 77, 365; OLG Karlsruhe DAR 1995, 337).
Macht der Tatrichter von der Möglichkeit des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Gebrauch, so sind darüber hinausgehende Ausführungen zur Beschreibung des abgebildeten Fahrzeugführers entbehrlich, wenn das Foto – wie etwa ein (Front-) Radarfoto, das die einzelnen Gesichtszüge erkennen läßt – zur Identifizierung uneingeschränkt geeignet ist. Es bedarf weder einer Auflistung der charakteristischen Merkmale, auf die sich die Überzeugung von der Identität mit dem Betroffenen stützt, noch brauchen diese Merkmale und das Maß der Übereinstimmung beschrieben zu werden. Solche Ausführungen wären auch überflüssig und ohne Wert: Die Überprüfung, ob der Betroffene mit dem abgebildeten Fahrer identisch ist, steht dem Rechtsmittelgericht ohnehin nicht zu und wäre ihm zudem unmöglich. Als Grundlage für die Überprüfung der generellen Ergiebigkeit des Fotos könnten Beschreibungen der Abbildung dem Rechtsmittelgericht keine besseren Erkenntnisse vermitteln, als sie ihm aufgrund der – durch die Bezugnahme ermöglichten – eigenen Anschauung zur Verfügung stehen.
Daraus, daß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO eine Verweisung nur „wegen der Einzelheiten“ erlaubt, folgt nicht, daß der Tatrichter auch im Falle der Bezugnahme die abgebildete Person (nach Geschlecht, geschätztem Alter, Gesichtsform und weiteren, näher konkretisierten Körpermerkmalen) zu beschreiben habe. Mit der Beschränkung der Verweisungsbefugnis auf „die Einzelheiten“ will das Gesetz sicherstellen, daß die Schilderung des „Aussagegehalts“ der in Bezug genommenen Abbildung nicht ganz entfällt; die Urteilsgründe müssen aus sich selbst heraus verständlich bleiben (LR-Gollwitzer StPO 24. Aufl. § 267 Rdn. 11). In den hier zu beurteilenden Fallgestaltungen – Foto aus einer Verkehrsüberwachung – reicht es dazu aber aus, wenn das Urteil mitteilt, daß es sich bei dem in Bezug genommenen Lichtbild um ein – nach Aufnahmeort und -zeit näher bezeichnetes – Radarfoto (Foto einer Rotlichtüberwachungsanlage usw.) handelt, das das Gesicht einer männlichen oder weiblichen Person zeigt. Weitere Angaben sind, um den Verständniszusammenhang zu wahren, nicht erforderlich (OLG Stuttgart VRS 77, 365). Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die vom vorlegenden Oberlandesgericht angeführte Entscheidung vom 4. September 1979 – 5 StR 445/79 (bei Pfeiffer NStZ 1981, 296) – betrifft nicht den Fall einer Bezugnahme auf Lichtbilder gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO. Auch das Urteil vom 20. November 1990 – 1 StR 588/90 (BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 3 Verweisung 1) – verhält sich nicht dazu, wie der Begriff „Einzelheiten“ im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist.
Ist das Foto – etwa aufgrund schlechterer Bildqualität (z.B. erhebliche Unschärfe) oder aufgrund seines Inhalts – zur Identifizierung eines Betroffenen nur eingeschränkt geeignet, so hat der Tatrichter zu erörtern, warum ihm die Identifizierung gleichwohl möglich erscheint. Dabei sind um so höhere Anforderungen an die Begründung zu stellen, je schlechter die Qualität des Fotos ist. Die – auf dem Foto erkennbaren – charakteristischen Merkmale, die für die richterliche Überzeugungsbildung bestimmend waren, sind zu benennen und zu beschreiben.
bb) Sieht der Tatrichter hingegen von der die Abfassung der Urteilsgründe erleichternden Verweisung auf das Beweisfoto ab, so genügt es weder, wenn er das Ergebnis seiner Überzeugungsbildung mitteilt, noch, wenn er die von ihm zur Identifizierung herangezogenen Merkmale auflistet. Vielmehr muß er dem Rechtsmittelgericht, dem das Foto dann nicht als Anschauungsobjekt zur Verfügung steht, durch eine entsprechend ausführliche Beschreibung die Prüfung ermöglichen, ob es für eine Identifizierung geeignet ist. In diesem Fall muß das Urteil Ausführungen zur Bildqualität (insbesondere zur Bildschärfe) enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere Identifizierungsmerkmale (in ihren charakteristischen Eigenarten) so präzise beschreiben, daß dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung der Ergiebigkeit des Fotos ermöglicht wird. Die Zahl der zu beschreibenden Merkmale kann dabei um so kleiner sein, je individueller sie sind und je mehr sie in ihrer Zusammensetzung geeignet erscheinen, eine bestimmte Person sicher zu erkennen. Dagegen muß die Beschreibung um so mehr Merkmale umfassen, wenn die geschilderten auf eine Vielzahl von Personen zutreffen und daher weniger aussagekräftig sind. Umstände, die eine Identifizierung erschweren können, sind ebenfalls zu schildern.“ (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1995 – 4 StR 170/95 –, BGHSt 41, 376-385, Rn. 21 – 26)
Das Amtsgericht hat betreffend die Identifizierung aber weder auf das Messfoto verwiesen, so dass es dem Senat nicht zugänglich ist, noch hat es das Foto in einer Art und Weise beschrieben, dass dem Senat allein anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei der Betrachtung des Fotos die Prüfung ermöglicht worden wäre, ob das Foto generell zur Identifizierung geeignet ist. Weder die Qualität des Messfotos, noch die Feststellung des Amtsgerichtes, auf dem Messfoto sei keine x-jährige Person zu erkennen, ist für den Senat damit überprüfbar. Der Hinweis auf das Messfoto auf Seite 4 Abs. 3 der Urteilsgründe ist im Zusammenhang mit den Feststellungen zur Geschwindigkeitsüberschreitung erfolgt und angesichts der auch im Übrigen verwendeten Klammerzusätze „(Bl. …d.A.)“, die auch Urkunden betreffen, als Verweis ungeeignet.
Der Senat hatte in der Vergangenheit in denjenigen Fällen, in denen zu erwarten war, dass das Amtsgericht die im Beschluss über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde erteilten Hinweise zukünftig berücksichtigen werde, von der Zulassung der Rechtsbeschwerde abgesehen.
An dieser von der Generalstaatsanwaltschaft angeregten Handhabung sieht er sich jedoch bereits seit längerem durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.10.2015 – 2 BvR 3071/14, BeckRs 2016, 40852 gehindert.
Dort hatte das Bundesverfassungsgericht beanstandet, dass das Oberlandesgericht eine Rechtsbeschwerde nicht ohne weiteres mit der Begründung als unzulässig habe verwerfen dürfen, dass die Entscheidung auf einem Fehler im Einzelfall beruhe, sich das Gericht nicht bewusst über die obergerichtliche Rechtsprechung hinweggesetzt habe und den Fehler angesichts der Ausführungen des Oberlandesgerichts nicht wiederholen werde. Da die Annahme des Oberlandesgerichts, es habe sich nur um einen Fehler im Einzelfall gehandelt, keine andere Grundlage als die Vermutung habe, dass sich das Gericht durch die Ausführungen des Oberlandesgerichts belehren lassen werde, werde der Zulassungsgrund der Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung in einer Weise ausgelegt und angewendet, die jede Vorhersehbarkeit zunichtemache und die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde weitgehend leerlaufen lasse.
Der Senat konnte es deshalb nicht allein mit einem Hinweis auf die entgegenstehende Rechtsprechung bewenden lassen (so bereits OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 2. Januar 2018 – 2 Ss (OWi) 354/17 –, Rn. 8 – 11, juris).
Rechtsfehlerfrei sind die objektiven Feststellungen zur Geschwindigkeitsüberschreitung als solcher sowie zum „Handyverstoß“ getroffen worden, sodass diese aufrechterhalten werden konnten. Insoweit war die Rechtsbeschwerde zu verwerfen.
Im Umfang der Aufhebung war die Sache allerdings zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass sich die Inaugenscheinnahme von Lichtbildern aus dem Protokoll ergeben muss, was hier hinsichtlich des im Urteil erwähnten Lichtbildes Blatt 20 der Akte nicht der Fall war.
Im Übrigen verweist er auf seinen Beschluss vom 5. Oktober 2021 – 2 Ss (OWi) 211/21 –, Rn. 7, juris):
„Insbesondere wenn der Betroffene einen Dritten namentlich als Fahrer benennt, muss das Gericht in aller Regel diesen als Zeugen laden und gegebenenfalls vernehmen. Die bei der Verkehrsüberwachung zur Identifizierung des Täters gefertigten Lichtbilder sind nicht immer so klar und deutlich, dass es ausgeschlossen erscheint, eine andere Person als der Betroffene sei gefahren. Gerade weil das Gericht bei Anwesenheit des benannten Zeugen feststellen kann, ob dieser als Fahrer in Betracht kommt, ist die Beweiserhebung gemäß § 77 Abs. 2 Nummer 1 OWiG im Einzelfall nur bei Vorliegen besonderer Umstände abzulehnen. Derartige Umstände können zum Beispiel gegeben sein, wenn das Lichtbild von sehr guter Qualität ist, die auf dem Lichtbild abgebildete Person dem erschienenen Betroffenen „wie ein Spiegelbild“ gleicht und der Betroffene nicht geltend macht, dass der benannte Zeuge ihm täuschend ähnlich sieht.“ (Bayerisches Oberstes Landesgericht NJW 1997, 1864)
Einer Vernehmung des Sohnes des Betroffenen bedarf es natürlich nicht, wenn sich anhand des Messfotos sicher ausschließen lässt, dass der Fahrer x Jahre alt ist oder sich das Amtsgericht mit Hilfe eines Lichtbildes des Zeugen (soziale Medien?) die sichere Überzeugung verschaffen kann, dass er nicht Fahrer gewesen ist.