Skip to content
Menü

Anforderungen an tatrichterliche Fahreridentifizierung des Betroffenen als Fahrzeugführer

Das Oberlandesgericht Oldenburg hebt ein Urteil wegen fehlerhafter Fahreridentifizierung auf und verweist die Sache zurück an das Amtsgericht. Ein gravierender Mangel lag in der unzureichenden Beschreibung des Beweisfotos und der Nichtvernehmung eines benannten möglichen Fahrers als Zeuge.

→ Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 ORbs 168/23 (310 Js 10057/23)

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das Gericht muss in den Urteilsgründen konkret auf das Beweisfoto (Messfoto) verweisen oder es so detailliert beschreiben, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob es zur Identifizierung geeignet ist.
  • Bei Bezugnahme auf das Foto sind zusätzliche Beschreibungen der Person nur erforderlich, wenn die Bildqualität eingeschränkt ist; anderenfalls genügt die Bezugnahme.
  • Verzichtet das Gericht auf die Bezugnahme, muss es das Foto umfassend beschreiben (Bildqualität, Merkmale etc.), damit das Rechtsmittelgericht die Ergiebigkeit prüfen kann.
  • Wird ein Dritter als Fahrer benannt, muss dieser in der Regel als Zeuge geladen und vernommen werden, es sei denn, besondere Umstände sprechen dagegen.
  • Feststellungen zur Geschwindigkeitsüberschreitung und zum Handyverstoß können aufrechterhalten werden, die Sache ist aber zur neuen Verhandlung zurückzuverweisen.
  • Die Inaugenscheinnahme von Lichtbildern muss sich aus dem Protokoll ergeben.

Fehlerhafte Fahreridentifizierung: Oberlandesgericht Oldenburg hebt Urteil auf

Einleitung:

Die Identifizierung eines Fahrzeugführers im Rahmen von Verkehrsverstößen ist ein wichtiges, aber häufig komplexes Thema im Verkehrsrecht. Gerichte müssen in solchen Fällen sorgfältig prüfen, ob die vorliegenden Beweise eine eindeutige Zuordnung des Fahrers zum Betroffenen zulassen. Dabei spielen insbesondere Lichtbilder und deren Verwertbarkeit eine entscheidende Rolle.

Die rechtlichen Anforderungen an die tatrichterliche Beweiswürdigung sind durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs klar definiert. Gerichte müssen entweder konkret auf die vorliegenden Beweisfotos Bezug nehmen oder diese so detailliert beschreiben, dass das Rechtsmittelgericht die Eignung der Fotos zur Identifizierung beurteilen kann. Nur so lässt sich sicherstellen, dass das Urteil einer rechtlichen Überprüfung standhält.

In der Praxis ergeben sich dabei mitunter Schwierigkeiten, etwa wenn Dritte als Fahrer benannt werden. In solchen Fällen kommt der Vernehmung des benannten Zeugen eine entscheidende Bedeutung zu. Das folgende Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg befasst sich eingehend mit diesen Anforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung.

Der Fall vor dem Oberlandesgericht Oldenburg im Detail

Fehlerhafte Fahreridentifizierung führt zur Aufhebung des Urteils

In einem kürzlich ergangenen Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg (Az.: 2 ORbs 168/23) ging es um die Anforderungen an die Identifizierung eines Fahrzeugführers im Rahmen eines Bußgeldverfahrens. Der Betroffene war vom Amtsgericht Norden wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung in Tateinheit mit der vorschriftswidrigen Benutzung eines Mobiltelefons zu einer Geldbuße von 150 € verurteilt worden. Der Betroffene legte Rechtsbeschwerde ein und rügte die fehlerhafte Feststellung seiner Fahrereigenschaft.

Das Amtsgericht hatte sich in seinem Urteil zwar auf ein Messfoto bezogen, es jedoch weder dem Rechtsmittelgericht zugänglich gemacht noch dessen Inhalt und Qualität so beschrieben, dass die Eignung zur Identifizierung des Fahrers beurteilt werden konnte. Zudem war ein von dem Betroffenen benannter, möglicher Fahrer vom Amtsgericht nicht als Zeuge vernommen worden.

Mängel bei der Beweiswürdigung: Verstoß gegen höchstrichterliche Rechtsprechung

Das Oberlandesgericht Oldenburg sah in der Vorgehensweise des Amtsgerichts einen Verstoß gegen die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Identifizierung von Fahrzeugführern (BGHSt 41, 376 ff.). Demnach muss das Tatgericht entweder konkret auf das Beweisfoto verweisen oder dieses so detailliert beschreiben, dass das Rechtsmittelgericht die Eignung des Fotos zur Identifizierung beurteilen kann. Bei einer Bezugnahme sind zusätzliche Beschreibungen des Fahrers nur dann erforderlich, wenn die Bildqualität des Beweisfotos eingeschränkt ist. Verzichtet das Gericht hingegen auf eine Bezugnahme, muss es das Foto umfassend beschreiben (Bildqualität, Merkmale etc.), damit das Rechtsmittelgericht die Ergiebigkeit prüfen kann.

Im vorliegenden Fall hatte das Amtsgericht weder auf das Messfoto verwiesen, noch dieses ausreichend beschrieben, weshalb das Oberlandesgericht die Eignung des Fotos zur Identifizierung des Fahrers nicht beurteilen konnte.

Vernehmung von Zeugen: Bedeutung der Beweiserhebung

Ein weiterer Mangel des Urteils bestand darin, dass ein vom Betroffenen benannter möglicher Fahrer nicht als Zeuge vernommen wurde. Das Oberlandesgericht wies darauf hin, dass bei der Benennung eines Dritten als Fahrer dieser in der Regel als Zeuge geladen und vernommen werden muss. Nur so kann das Gericht feststellen, ob der benannte Zeuge als Fahrer in Betracht kommt. Eine Vernehmung kann nur dann unterbleiben, wenn besondere Umstände vorliegen, etwa wenn das Lichtbild von sehr guter Qualität ist und die abgebildete Person dem Betroffenen „wie ein Spiegelbild“ gleicht.

Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung an das Amtsgericht

Das Oberlandesgericht Oldenburg hob das Urteil des Amtsgerichts Norden auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück. Das Amtsgericht muss nun in einer neuen Hauptverhandlung die Mängel bei der Beweiswürdigung beheben und insbesondere den benannten Zeugen vernehmen.

Das Oberlandesgericht wies das Amtsgericht zudem darauf hin, dass sich die Inaugenscheinnahme von Lichtbildern aus dem Protokoll ergeben muss, was im vorliegenden Fall nicht geschehen war.

✔ FAQ zum Thema: Fahreridentifizierung


Wie wird ein Fahrzeugführer im Rahmen eines Bußgeldverfahrens identifiziert?

Die Identifizierung des Fahrzeugführers im Rahmen eines Bußgeldverfahrens ist von zentraler Bedeutung, da sich das Verfahren stets gegen den tatsächlichen Fahrer und nicht den Halter richtet. Die Behörden müssen zweifelsfrei feststellen, wer zum Zeitpunkt des Verstoßes das Fahrzeug geführt hat.

Die Fahreridentifizierung erfolgt in der Regel anhand von Beweisfotos, die bei der Geschwindigkeitsmessung oder anderen Verkehrskontrollen angefertigt wurden. Dabei müssen die Fotos eine ausreichende Qualität aufweisen, um individuelle Merkmale des Fahrers erkennen zu können. Sind die Fotos zur eindeutigen Identifizierung nicht geeignet, kann das Gericht ein anthropologisches Gutachten einholen, in dem charakteristische Merkmale des Fahrers mit dem Betroffenen verglichen werden.

Ist die Identifizierung anhand der Fotos möglich, genügt in den Urteilsgründen eine deutliche Bezugnahme auf das Beweisfoto gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO. Bei minderer Bildqualität müssen die für die Überzeugungsbildung maßgeblichen Merkmale detailliert beschrieben werden.

Kann der Fahrer nicht zweifelsfrei identifiziert werden, ist das Verfahren einzustellen. Der Halter ist nicht verpflichtet, den Fahrer zu benennen, kann dies aber freiwillig tun. Eine Fahrtenbuchauflage für den Halter ist in bestimmten Fällen möglich, wenn sich Verdachtsmomente für seine Fahrereigenschaft ergeben.


Welche Rolle spielen Beweisfotos bei der Fahreridentifizierung und was muss das Gericht berücksichtigen?

Beweisfotos spielen eine zentrale Rolle bei der Identifizierung des Fahrzeugführers im Bußgeldverfahren. Das Gericht muss dabei folgende Punkte berücksichtigen:

  • Die Fotos müssen eine ausreichende Qualität aufweisen, um individuelle Merkmale des Fahrers wie Gesichtszüge, Haaransatz etc. eindeutig erkennen zu können. Unscharfe oder kontrastarme Aufnahmen erschweren die zweifelsfreie Identifizierung und können zu Fehlzuordnungen führen.
  1. In den Urteilsgründen muss das Gericht deutlich auf das Beweisfoto Bezug nehmen, indem es gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO als Bestandteil der Urteilsurkunde aufgenommen wird. Bei minderer Bildqualität müssen die für die Überzeugungsbildung maßgeblichen Merkmale detailliert beschrieben werden.
  • Kann der Fahrer anhand der Fotos nicht zweifelsfrei identifiziert werden, ist das Verfahren einzustellen. Eine Verurteilung allein aufgrund des Fahrzeughalters ist nicht zulässig.
  1. Das Gericht kann bei unzureichender Beweislage ein anthropologisches Gutachten einholen, in dem charakteristische Merkmale des Fahrers mit dem Betroffenen verglichen werden.

Die sorgfältige Prüfung der Beweisfotos ist unerlässlich, um die Rechte des Beschuldigten zu wahren und eine solide Grundlage für das Urteil zu schaffen. Die Anforderungen dienen der Rechtssicherheit und Gerechtigkeit.


Was geschieht, wenn das Gericht die Identität des Fahrers nicht eindeutig feststellen kann?

Kann das Gericht die Identität des Fahrers nicht zweifelsfrei feststellen, muss das Verfahren eingestellt werden.

Die Fahreridentifizierung ist von zentraler Bedeutung, da sich das Bußgeldverfahren stets gegen den tatsächlichen Fahrzeugführer und nicht den Halter richtet. Besteht keine ausreichende Beweislage, um den Fahrer eindeutig zu identifizieren, greift der Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“.

Folgende Punkte sind dabei entscheidend:

  • Sind die Beweisfotos zur Identifizierung ungeeignet, z.B. durch mangelhafte Qualität, muss das Verfahren mangels Beweisen eingestellt werden. Eine Verurteilung allein aufgrund der Fahrzeughaltereigenschaft ist nicht zulässig.
  • Das Gericht kann bei unzureichender Beweislage ein anthropologisches Gutachten einholen, um charakteristische Merkmale des Fahrers mit dem Betroffenen zu vergleichen. Ergibt sich daraus keine zweifelsfreie Identifizierung, ist ebenfalls einzustellen.
  • Der Halter ist nicht verpflichtet, den Fahrer zu benennen. Er kann dies freiwillig tun, eine Aussagepflicht besteht jedoch nicht. Eine Fahrtenbuchauflage ist in bestimmten Fällen möglich.

Die Einstellung des Verfahrens bei fehlender Identifizierbarkeit des Fahrers dient der Rechtssicherheit und dem Schutz des Beschuldigten vor einer ungerechtfertigten Verurteilung. Die Behörden müssen zwingend den Fahrzeugführer zweifelsfrei feststellen können.


In welchen Fällen ist die Vernehmung von Zeugen zur Fahreridentifizierung erforderlich?

Das Gericht muss in der Regel Zeugen zur Fahreridentifizierung vernehmen, wenn der Betroffene einen Dritten namentlich als Fahrer benennt. Dies dient der umfassenden Sachaufklärung und Wahrung der Rechte des Betroffenen.

Folgende Fälle erfordern in aller Regel die Zeugenvernehmung:

Der Betroffene bestreitet die Fahrereigenschaft und benennt eine andere Person als Fahrer. Das Gericht muss dann diesen Dritten als Zeugen laden, um dessen Aussage zur Klärung der Fahrerfrage zu hören.

Die Beweislage zur Fahreridentifizierung ist unklar oder widersprüchlich. Etwa wenn Beweisfotos zur eindeutigen Identifizierung nicht ausreichen, muss das Gericht weitere Beweise wie Zeugenaussagen erheben.

Ein anthropologisches Gutachten zur Identifizierung kommt zu keinem klaren Ergebnis. Dann sind ergänzende Zeugenvernehmungen geboten, um die Fahrerfrage zweifelsfrei zu klären.

Das Gericht lehnt zunächst einen Beweisantrag auf Zeugenvernehmung ab, die Beweislage erweist sich aber später als unzureichend. In diesem Fall muss es die Ablehnung revidieren und den Zeugen doch noch vernehmen.

Eine Zeugenvernehmung ist entbehrlich, wenn die Beweislage bereits eindeutig ist, z.B. durch qualitativ hochwertige Beweisfotos oder Geständnis des Fahrers. Das Gericht darf dann weitere Beweisanträge ablehnen, wenn keine Zweifel mehr bestehen .


Welche rechtlichen Folgen hat eine fehlerhafte Fahreridentifizierung im Bußgeldverfahren?

Kann das Gericht die Identität des Fahrers nicht zweifelsfrei feststellen, muss das Verfahren eingestellt werden.

Die Fahreridentifizierung ist von zentraler Bedeutung, da sich das Bußgeldverfahren stets gegen den tatsächlichen Fahrzeugführer und nicht den Halter richtet. Eine fehlerhafte oder unzureichende Identifizierung hat folgende rechtliche Konsequenzen:

  • Sind die Beweisfotos zur eindeutigen Identifizierung des Fahrers ungeeignet, z.B. durch mangelhafte Qualität, muss eingestellt werden. Eine Verurteilung allein aufgrund der Fahrzeughaltereigenschaft ist nicht zulässig.
  • Ergibt sich aus einem anthropologischen Gutachten keine zweifelsfreie Identifizierung, ist ebenfalls die Einstellung zwingend.
  • Das Gericht darf bei unzureichender Beweislage keine Verurteilung aussprechen, auch wenn es den Betroffenen für „sehr wahrscheinlich“ den Fahrer hält. Es greift der Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“.
  • Eine Einstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG wegen geringer Schuld kommt bei gravierenden Verfahrensfehlern wie einer fehlerhaften Identifizierung in der Regel nicht in Betracht.

Die Einstellung dient der Rechtssicherheit und dem Schutz des Beschuldigten vor einer ungerechtfertigten Verurteilung. Die Behörden müssen zwingend den Fahrzeugführer zweifelsfrei identifizieren können, andernfalls ist das Verfahren zu beenden.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG: Diese Vorschriften regeln die Bezugnahme auf Beweismittel im Urteil, insbesondere auf Fotos, die zur Identifizierung eines Fahrers in Verkehrsordnungswidrigkeiten verwendet werden. Eine klare und zweifelsfreie Bezugnahme auf das Foto ist notwendig, damit das Rechtsmittelgericht die Eignung des Fotos zur Identifizierung beurteilen kann. Dies ist zentral im vorliegenden Fall, da das Amtsgericht diese Anforderungen nicht erfüllt hat.
  • BGHSt 41, 376 ff.: Diese höchstrichterliche Entscheidung stellt die Anforderungen an die Urteilsgründe dar, wenn ein Foto zur Identifizierung eines Betroffenen herangezogen wird. Sie betont, dass das Foto ausreichend beschrieben oder darauf explizit Bezug genommen werden muss, damit das Rechtsmittelgericht die Identifizierung prüfen kann. Dies spiegelt sich in der Kritik des OLG Oldenburg am ursprünglichen Urteil wider.
  • Grundsatz der einheitlichen Rechtsprechung (Art. 20 Abs. 3 GG): Dieser Grundsatz verpflichtet Gerichte, ihre Urteile nach ständiger Rechtsprechung und Gesetzgebung auszurichten, was zur Zulassung der Rechtsbeschwerde im dargestellten Fall führte, um die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu wahren.
  • § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG: Diese Norm regelt die Vernehmung von Zeugen in Ordnungswidrigkeitenverfahren. Das Gericht muss einen Dritten als Zeugen vernehmen, wenn dieser namentlich als Fahrer benannt wird. Im analysierten Fall war dies ein strittiger Punkt, da der benannte Dritte nicht vernommen wurde.
  • BVerfG, Beschluss vom 27.10.2015 – 2 BvR 3071/14: Dieser Beschluss behandelt die Anforderungen an die Zulassung einer Rechtsbeschwerde zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung. Das BVerfG kritisierte, dass die Ablehnung der Rechtsbeschwerde auf der Annahme beruht, das Gericht werde den obergerichtlichen Hinweis beachten und den Fehler nicht wiederholen. Dieser Aspekt war entscheidend für die Entscheidung des OLG Oldenburg, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.


➜ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Oldenburg

OLG Oldenburg – Az.: 2 ORbs 168/23 (310 Js 10057/23) – Beschluss vom 23.10.2023

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Norden vom 11.07.2023 wird vom rechtsunterzeichnenden Einzelrichter zur Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

Die Sache wird vom rechtsunterzeichnenden Einzelrichter auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das vorbezeichnete Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. Ausgenommen von der Aufhebung werden die objektiven Feststellungen zur gefahrenen Geschwindigkeit sowie zur Nutzung eines Mobiltelefons. Insoweit wird die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung in Tateinheit mit vorschriftswidriger Benutzung eines elektronischen Gerätes, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, als Kraftfahrzeugführer zu einer Geldbuße von 150 € verurteilt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Die Generalstaatsanwaltschaft sieht Zulassungsgründe nicht als gegeben an, da zur Vermeidung der Wiederholung des im Folgenden genannten Fehlers ein Hinweis des Senats ausreiche.

Die Rechtsbeschwerde ist vom rechtsunterzeichnenden Einzelrichter zur Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung zugelassen worden, da die Urteilsgründe im Hinblick auf die Identifizierung des Betroffenen als Fahrzeugführer der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht gerecht werden.

Insoweit wird verwiesen auf die grundlegende Entscheidung BGHSt 41, 376 ff:

„Daraus folgt für die Anforderungen an die Urteilsgründe: Diese müssen so gefaßt sein, daß das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Belegfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen.

aa) Diese Forderung kann der Tatrichter dadurch erfüllen, daß er in den Urteilsgründen auf das in der Akte befindliche Foto gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG Bezug nimmt. Aufgrund der Bezugnahme, die deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht sein muß (Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 42. Aufl. § 267 Rdn. 8; vgl. auch BayObLG NZV 1995, 163, 164), wird das Lichtbild zum Bestandteil der Urteilsgründe. Das Rechtsmittelgericht kann die Abbildung aus eigener Anschauung würdigen (Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 267 Rdn. 10) und ist daher auch in der Lage zu beurteilen, ob es als Grundlage einer Identifizierung tauglich ist (vgl. OLG Celle VM 1985, 53; OLG Stuttgart VRS 77, 365; OLG Karlsruhe DAR 1995, 337).

Macht der Tatrichter von der Möglichkeit des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Gebrauch, so sind darüber hinausgehende Ausführungen zur Beschreibung des abgebildeten Fahrzeugführers entbehrlich, wenn das Foto – wie etwa ein (Front-) Radarfoto, das die einzelnen Gesichtszüge erkennen läßt – zur Identifizierung uneingeschränkt geeignet ist. Es bedarf weder einer Auflistung der charakteristischen Merkmale, auf die sich die Überzeugung von der Identität mit dem Betroffenen stützt, noch brauchen diese Merkmale und das Maß der Übereinstimmung beschrieben zu werden. Solche Ausführungen wären auch überflüssig und ohne Wert: Die Überprüfung, ob der Betroffene mit dem abgebildeten Fahrer identisch ist, steht dem Rechtsmittelgericht ohnehin nicht zu und wäre ihm zudem unmöglich. Als Grundlage für die Überprüfung der generellen Ergiebigkeit des Fotos könnten Beschreibungen der Abbildung dem Rechtsmittelgericht keine besseren Erkenntnisse vermitteln, als sie ihm aufgrund der – durch die Bezugnahme ermöglichten – eigenen Anschauung zur Verfügung stehen.

Daraus, daß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO eine Verweisung nur „wegen der Einzelheiten“ erlaubt, folgt nicht, daß der Tatrichter auch im Falle der Bezugnahme die abgebildete Person (nach Geschlecht, geschätztem Alter, Gesichtsform und weiteren, näher konkretisierten Körpermerkmalen) zu beschreiben habe. Mit der Beschränkung der Verweisungsbefugnis auf „die Einzelheiten“ will das Gesetz sicherstellen, daß die Schilderung des „Aussagegehalts“ der in Bezug genommenen Abbildung nicht ganz entfällt; die Urteilsgründe müssen aus sich selbst heraus verständlich bleiben (LR-Gollwitzer StPO 24. Aufl. § 267 Rdn. 11). In den hier zu beurteilenden Fallgestaltungen – Foto aus einer Verkehrsüberwachung – reicht es dazu aber aus, wenn das Urteil mitteilt, daß es sich bei dem in Bezug genommenen Lichtbild um ein – nach Aufnahmeort und -zeit näher bezeichnetes – Radarfoto (Foto einer Rotlichtüberwachungsanlage usw.) handelt, das das Gesicht einer männlichen oder weiblichen Person zeigt. Weitere Angaben sind, um den Verständniszusammenhang zu wahren, nicht erforderlich (OLG Stuttgart VRS 77, 365). Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die vom vorlegenden Oberlandesgericht angeführte Entscheidung vom 4. September 1979 – 5 StR 445/79 (bei Pfeiffer NStZ 1981, 296) – betrifft nicht den Fall einer Bezugnahme auf Lichtbilder gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO. Auch das Urteil vom 20. November 1990 – 1 StR 588/90 (BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 3 Verweisung 1) – verhält sich nicht dazu, wie der Begriff „Einzelheiten“ im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist.

Ist das Foto – etwa aufgrund schlechterer Bildqualität (z.B. erhebliche Unschärfe) oder aufgrund seines Inhalts – zur Identifizierung eines Betroffenen nur eingeschränkt geeignet, so hat der Tatrichter zu erörtern, warum ihm die Identifizierung gleichwohl möglich erscheint. Dabei sind um so höhere Anforderungen an die Begründung zu stellen, je schlechter die Qualität des Fotos ist. Die – auf dem Foto erkennbaren – charakteristischen Merkmale, die für die richterliche Überzeugungsbildung bestimmend waren, sind zu benennen und zu beschreiben.

bb) Sieht der Tatrichter hingegen von der die Abfassung der Urteilsgründe erleichternden Verweisung auf das Beweisfoto ab, so genügt es weder, wenn er das Ergebnis seiner Überzeugungsbildung mitteilt, noch, wenn er die von ihm zur Identifizierung herangezogenen Merkmale auflistet. Vielmehr muß er dem Rechtsmittelgericht, dem das Foto dann nicht als Anschauungsobjekt zur Verfügung steht, durch eine entsprechend ausführliche Beschreibung die Prüfung ermöglichen, ob es für eine Identifizierung geeignet ist. In diesem Fall muß das Urteil Ausführungen zur Bildqualität (insbesondere zur Bildschärfe) enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere Identifizierungsmerkmale (in ihren charakteristischen Eigenarten) so präzise beschreiben, daß dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung der Ergiebigkeit des Fotos ermöglicht wird. Die Zahl der zu beschreibenden Merkmale kann dabei um so kleiner sein, je individueller sie sind und je mehr sie in ihrer Zusammensetzung geeignet erscheinen, eine bestimmte Person sicher zu erkennen. Dagegen muß die Beschreibung um so mehr Merkmale umfassen, wenn die geschilderten auf eine Vielzahl von Personen zutreffen und daher weniger aussagekräftig sind. Umstände, die eine Identifizierung erschweren können, sind ebenfalls zu schildern.“

(BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1995 – 4 StR 170/95 –, BGHSt 41, 376-385, Rn. 21 – 26)

Das Amtsgericht hat betreffend die Identifizierung aber weder auf das Messfoto verwiesen, so dass es dem Senat nicht zugänglich ist, noch hat es das Foto in einer Art und Weise beschrieben, dass dem Senat allein anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei der Betrachtung des Fotos die Prüfung ermöglicht worden wäre, ob das Foto generell zur Identifizierung geeignet ist. Weder die Qualität des Messfotos, noch die Feststellung des Amtsgerichtes, auf dem Messfoto sei keine x-jährige Person zu erkennen, ist für den Senat damit überprüfbar. Der Hinweis auf das Messfoto auf Seite 4 Abs. 3 der Urteilsgründe ist im Zusammenhang mit den Feststellungen zur Geschwindigkeitsüberschreitung erfolgt und angesichts der auch im Übrigen verwendeten Klammerzusätze „(Bl. …d.A.)“, die auch Urkunden betreffen, als Verweis ungeeignet.

Der Senat hatte in der Vergangenheit in denjenigen Fällen, in denen zu erwarten war, dass das Amtsgericht die im Beschluss über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde erteilten Hinweise zukünftig berücksichtigen werde, von der Zulassung der Rechtsbeschwerde abgesehen.

An dieser von der Generalstaatsanwaltschaft angeregten Handhabung sieht er sich jedoch bereits seit längerem durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.10.2015 – 2 BvR 3071/14, BeckRs 2016, 40852 gehindert.

Dort hatte das Bundesverfassungsgericht beanstandet, dass das Oberlandesgericht eine Rechtsbeschwerde nicht ohne weiteres mit der Begründung als unzulässig habe verwerfen dürfen, dass die Entscheidung auf einem Fehler im Einzelfall beruhe, sich das Gericht nicht bewusst über die obergerichtliche Rechtsprechung hinweggesetzt habe und den Fehler angesichts der Ausführungen des Oberlandesgerichts nicht wiederholen werde. Da die Annahme des Oberlandesgerichts, es habe sich nur um einen Fehler im Einzelfall gehandelt, keine andere Grundlage als die Vermutung habe, dass sich das Gericht durch die Ausführungen des Oberlandesgerichts belehren lassen werde, werde der Zulassungsgrund der Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung in einer Weise ausgelegt und angewendet, die jede Vorhersehbarkeit zunichtemache und die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde weitgehend leerlaufen lasse.

Der Senat konnte es deshalb nicht allein mit einem Hinweis auf die entgegenstehende Rechtsprechung bewenden lassen (so bereits OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 2. Januar 2018 – 2 Ss (OWi) 354/17 –, Rn. 8 – 11, juris).

Rechtsfehlerfrei sind die objektiven Feststellungen zur Geschwindigkeitsüberschreitung als solcher sowie zum „Handyverstoß“ getroffen worden, sodass diese aufrechterhalten werden konnten. Insoweit war die Rechtsbeschwerde zu verwerfen.

Im Umfang der Aufhebung war die Sache allerdings zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass sich die Inaugenscheinnahme von Lichtbildern aus dem Protokoll ergeben muss, was hier hinsichtlich des im Urteil erwähnten Lichtbildes Blatt 20 der Akte nicht der Fall war.

Im Übrigen verweist er auf seinen Beschluss vom 5. Oktober 2021 – 2 Ss (OWi) 211/21 –, Rn. 7, juris):

„Insbesondere wenn der Betroffene einen Dritten namentlich als Fahrer benennt, muss das Gericht in aller Regel diesen als Zeugen laden und gegebenenfalls vernehmen. Die bei der Verkehrsüberwachung zur Identifizierung des Täters gefertigten Lichtbilder sind nicht immer so klar und deutlich, dass es ausgeschlossen erscheint, eine andere Person als der Betroffene sei gefahren. Gerade weil das Gericht bei Anwesenheit des benannten Zeugen feststellen kann, ob dieser als Fahrer in Betracht kommt, ist die Beweiserhebung gemäß § 77 Abs. 2 Nummer 1 OWiG im Einzelfall nur bei Vorliegen besonderer Umstände abzulehnen. Derartige Umstände können zum Beispiel gegeben sein, wenn das Lichtbild von sehr guter Qualität ist, die auf dem Lichtbild abgebildete Person dem erschienenen Betroffenen „wie ein Spiegelbild“ gleicht und der Betroffene nicht geltend macht, dass der benannte Zeuge ihm täuschend ähnlich sieht.“ (Bayerisches Oberstes Landesgericht NJW 1997, 1864)

Einer Vernehmung des Sohnes des Betroffenen bedarf es natürlich nicht, wenn sich anhand des Messfotos sicher ausschließen lässt, dass der Fahrer x Jahre alt ist oder sich das Amtsgericht mit Hilfe eines Lichtbildes des Zeugen (soziale Medien?) die sichere Überzeugung verschaffen kann, dass er nicht Fahrer gewesen ist.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Haben Sie einen Bußgeldbescheid erhalten?

Mit unserer Hilfe teure Bußgelder und Fahrverbote vermeiden!

Wir überprüfen Ihren Bußgeldbescheid kostenlos und unverbindlich auf Fehler und die Möglichkeit eines Einspruchs.
Blitzer Bußgeld prüfen

Rechtstipps aus dem Verkehrsrecht

Urteile über Bußgeld und Ordnungswidrigkeiten

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!