OLG Stuttgart: Naturschutzrecht und Grenzen des Baumfällens
Das Oberlandesgericht Stuttgart änderte das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart zu einem Naturschutzfall, indem es den Angeklagten wegen des unerlaubten Entfernens von Bäumen aus einem Naturschutzgebiet zu einer Geldbuße von 1.500 € verurteilte, während es seine Rechtsbeschwerde in anderen Punkten abwies. Die Entscheidung betont die Rechtsfehler der Vorinstanz bei der Anwendung des Naturschutzgesetzes Baden-Württembergs und des Bundesnaturschutzgesetzes, korrigiert die rechtlichen Bewertungen und legt die angemessene Sanktion fest.
Übersicht
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- ➜ Der Fall im Detail
- ✔ Häufige Fragen – FAQ
- Welche Handlungen sind im Naturschutzgebiet bezüglich der Bäume verboten?
- Warum ist das vollständige Entfernen von Bäumen aus Naturschutzgebieten problematisch?
- Was bedeutet „Auf-den-Stock-Setzen“ und warum wird es im Kontext von Naturschutzgesetzen thematisiert?
- Wie werden Ordnungswidrigkeiten im Bereich Naturschutz geahndet?
- Welche Rolle spielt die eigenverantwortliche Nachpflanzung bei Verstößen gegen Naturschutzgesetze?
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- Das vorliegende Urteil
Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 Ss 569/14 >>>
✔ Das Wichtigste in Kürze
- Das OLG Stuttgart entschied auf die Rechtsbeschwerde hin, dass der Angeklagte für das unerlaubte Entfernen von Bäumen aus einem Naturschutzgebiet eine Geldbuße von 1.500 € zahlen muss.
- Das Gericht stellte fest, dass die Handlungen des Angeklagten gegen das Naturschutzgesetz Baden-Württemberg verstoßen, wies aber darauf hin, dass das vollständige Entfernen der Bäume nicht unter das Abschneide- oder Stocksetzungsverbot des Bundesnaturschutzgesetzes fällt.
- Die Entscheidung berücksichtigt sowohl die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit für das geschützte Rechtsgut als auch den Vorwurf, der den Täter trifft, und legt auf dieser Basis die Geldbuße fest.
- Das Urteil hebt die Notwendigkeit der genauen Befolgung der Naturschutzvorschriften hervor und verdeutlicht die Grenzen der gesetzlichen Interpretation im Einklang mit dem Bestimmtheitsgebot.
- Es wird klargestellt, dass das Entfernen von Bäumen aus dem Erdreich, das über ein bloßes Abschneiden hinausgeht, spezifische rechtliche Bewertungen erfordert.
- Der Fall zeigt die Wichtigkeit der richterlichen Prüfung bei der Anwendung von Naturschutzgesetzen und der Festlegung von Sanktionen bei Zuwiderhandlungen.
- Die Urteilsbegründung betont die Rolle des Naturschutzes in dicht besiedelten Gebieten und unterstreicht die Notwendigkeit der Erhaltung dieser Gebiete vor unerlaubten Eingriffen.
- Durch die Entscheidung wird die Bedeutung der eigenverantwortlichen Nachpflanzung durch den Betroffenen und deren Einfluss auf die Strafzumessung hervorgehoben.
Baumschutz als Ausdruck des Umweltrechts
Der Naturschutz spielt eine essentielle Rolle im modernen Umweltrecht. Er dient dem Erhalt von Ökosystemen, Landschaften und Artenvielfalt. Ein zentraler Aspekt sind dabei Baumschutzbereiche, in denen Beschränkungen für die Entfernung oder Beschädigung von Bäumen gelten.
Diese Regelungen zielen darauf ab, die ökologische Bedeutung von Bäumen als Lebensraum für viele Tierarten zu bewahren. Eingriffe wie Fällen, Roden oder Beschneiden werden daher häufig durch Gesetze oder Verordnungen geregelt und nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Verstöße ziehen Sanktionen nach sich, um die Integrität dieser Naturräume langfristig zu sichern.
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➜ Der Fall im Detail
Naturschutz: OLG Stuttgart klärt Verbot des Abschneidens und Auf-den-Stock-Setzens von Bäumen
In einem wegweisenden Urteil vom 11. Dezember 2014 (Az.: 4 Ss 569/14) präzisierte das Oberlandesgericht Stuttgart die rechtlichen Rahmenbedingungen zum Verbot des Abschneidens und Auf-den-Stock-Setzens von Bäumen in Naturschutzgebieten.
Der Fall betraf einen Landwirt, der in der Nacht vom 31. März auf den 1. April 2010 insgesamt 13 Obstbaumhochstämme auf Streuobstwiesenflächen in Stuttgart entfernte, indem er sie mit seiner Traktorschaufel umdrückte und anschließend abtransportierte. Das Gericht musste entscheiden, ob diese Handlung unter das Verbot des Entfernens von Pflanzen in Naturschutzgebieten fällt und ob sie gleichzeitig einen Verstoß gegen das Bundesnaturschutzgesetz darstellt.
Sachverhalt und rechtliche Auseinandersetzung
Der Angeklagte, ein Landwirt, entfernte auf mehreren Grundstücken im Naturschutzgebiet „Weidach- und Zettachwald“ in Stuttgart insgesamt 13 Obstbäume, indem er sie mit seiner Traktorschaufel umdrückte und so mitsamt den Wurzeln aus der Erde riss. Der Vorfall ereignete sich in der Nacht vom 31. März auf den 1. April 2010. Der Landwirt war sich bewusst, dass er für die Beseitigung der Bäume eine Genehmigung der Naturschutzbehörde benötigte, hatte jedoch aus Zeitgründen keine Befreiung beantragt. Das Amtsgericht Stuttgart verurteilte ihn zunächst wegen einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit des Entfernens von Obstbäumen entgegen der Naturschutzgebietsverordnung und wegen der vorsätzlichen Entfernung von Bäumen innerhalb des Zeitraums 1. März bis 30. September entgegen dem Bundesnaturschutzgesetz. Gegen dieses Urteil legte der Betroffene Rechtsbeschwerde ein.
Entscheidung des OLG Stuttgart
Das OLG Stuttgart änderte das Urteil des Amtsgerichts teilweise ab. Es stellte fest, dass die Handlung des Landwirts nur eine Ordnungswidrigkeit nach dem Naturschutzgesetz Baden-Württemberg darstellt, nicht aber nach dem Bundesnaturschutzgesetz. Das Gericht argumentierte, dass das vollständige Entfernen der Bäume mitsamt den Wurzeln weder als „Abschneiden“ noch als „Auf-den-Stock-Setzen“ im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes zu werten sei. Der Gesetzgeber habe mit diesen Begriffen nicht das vollständige Beseitigen von Bäumen umfassen wollen, was sich aus dem allgemeinen Wortsinn und der gärtnerischen Behandlung von Pflanzen ergebe. Das Gericht betonte den strengen Gesetzesvorbehalt des Artikels 103 Abs. 2 GG, der es der rechtsprechenden Gewalt verbiete, Tatbestände durch richterliche Rechtsfortbildung zu begründen oder zu verschärfen.
Das OLG erkannte die Handlung des Landwirts jedoch als Verstoß gegen das Naturschutzgesetz Baden-Württemberg, da die Bäume in einem ausgewiesenen Naturschutzgebiet standen und ihre Entfernung die Zerstörung oder Veränderung des Schutzgebietes oder seiner Bestandteile darstellte. Das Gericht wies darauf hin, dass eine Ausnahme vom Verbot nur gegolten hätte, wenn der Landwirt die entfernten Obstbäume innerhalb eines Jahres durch neue Obstbäume ersetzt hätte, was jedoch nicht geschehen war. Das OLG reduzierte die Geldbuße auf 1.500 € und berücksichtigte dabei die lange zurückliegende Tatzeit, die positive Ankündigung des Landwirts, Nachpflanzungen vorzunehmen, sowie seine wirtschaftliche Situation.
Schlussfolgerung
Das Urteil des OLG Stuttgart stellt eine präzise Auslegung der geltenden Naturschutzgesetze dar und verdeutlicht die Grenzen der rechtlichen Interpretation. Es unterstreicht die Bedeutung des Naturschutzes, insbesondere in dicht besiedelten Gebieten, und bekräftigt die Notwendigkeit, die Integrität von Naturschutzgebieten zu wahren. Das Gericht hebt die Wichtigkeit der eigenverantwortlichen Nachpflanzung durch den Betroffenen hervor und betont, dass die rechtlichen Konsequenzen angemessen und verhältnismäßig sein müssen.
✔ Häufige Fragen – FAQ
Welche Handlungen sind im Naturschutzgebiet bezüglich der Bäume verboten?
In Naturschutzgebieten sind laut deutschem Naturschutzrecht alle Handlungen verboten, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder erheblichen Veränderung des Gebiets oder seiner Bestandteile führen können. Dies schließt insbesondere Eingriffe in den Baumbestand ein.
So ist es in der Regel untersagt, Bäume zu fällen, zu beschädigen oder auf andere Weise in ihrer Substanz zu verändern. Auch das Abschneiden von Ästen oder sonstige Rückschnitte sind nur in Ausnahmefällen und nach behördlicher Genehmigung zulässig.
Der Schutzzweck erstreckt sich dabei nicht nur auf ausgewachsene Bäume, sondern auch auf Jungbäume und Schösslinge. Selbst das Betreten der Flächen abseits der Wege kann verboten sein, um Trittschäden an Sämlingen zu vermeiden.
Neben einzelnen Bäumen sind oft auch Baumgruppen und -reihen sowie Hecken und Gebüsche geschützt. Eingriffe in diese Strukturen, etwa durch Rodung oder starken Rückschnitt, sind dann ebenfalls unzulässig.
Die Verbote dienen dazu, die Lebensstätten von Tieren zu erhalten und den Naturhaushalt zu schützen. Verstöße können als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. In Einzelfällen kann die Naturschutzbehörde Befreiungen erteilen, wenn dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses notwendig ist.
Warum ist das vollständige Entfernen von Bäumen aus Naturschutzgebieten problematisch?
Das vollständige Entfernen von Bäumen aus Naturschutzgebieten ist aus mehreren Gründen sehr problematisch:
Bäume erfüllen in Naturschutzgebieten wichtige ökologische Funktionen. Sie bieten Lebensraum und Nahrung für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Gerade alte Bäume mit Höhlen und abgestorbenen Ästen sind Hotspots der Biodiversität. Eine Entfernung der Bäume würde viele Arten gefährden.
Wälder wirken als Kohlenstoffsenke und spielen damit eine wichtige Rolle für den Klimaschutz. Durch Fotosynthese binden Bäume CO2 aus der Atmosphäre. Werden sie gefällt, wird dieser Kohlenstoff wieder freigesetzt und trägt zur Erderwärmung bei.
Bäume verbessern das Lokalklima, indem sie Schatten spenden, die Luftfeuchtigkeit erhöhen und Staub sowie Schadstoffe aus der Luft filtern. Diese positiven Effekte gehen verloren, wenn die Bäume entfernt werden.
Wälder schützen den Boden vor Erosion und dienen als natürlicher Wasserspeicher. Fehlen die Bäume, kann es zu verstärktem Oberflächenabfluss und damit zu Hochwasser kommen.
Aus rechtlicher Sicht ist das Fällen von Bäumen in Naturschutzgebieten in der Regel verboten. Es stellt einen schwerwiegenden Eingriff in den Schutzzweck des Gebietes dar. Verstöße können als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
Ausnahmen vom Fällverbot sind nur in engen Grenzen möglich, etwa wenn Bäume krank sind und eine Gefahr darstellen. Auch dann bedarf es aber einer behördlichen Genehmigung. Ein komplettes Entfernen des Baumbestands ist mit dem Schutzstatus eines Naturschutzgebietes nicht vereinbar.
Zusammengefasst würde ein Kahlschlag in Naturschutzgebieten nicht nur die Artenvielfalt und Ökosystemfunktionen massiv beeinträchtigen, sondern in den meisten Fällen auch gegen geltendes Naturschutzrecht verstoßen. Der Erhalt der Bäume hat hier eindeutig Vorrang.
Was bedeutet „Auf-den-Stock-Setzen“ und warum wird es im Kontext von Naturschutzgesetzen thematisiert?
„Auf-den-Stock-Setzen“ bedeutet, Sträucher, Hecken oder Gehölze radikal bis auf wenige Zentimeter über dem Boden zurückzuschneiden. Dabei werden fast alle Äste entfernt, so dass nur noch die Stümpfe („Stöcke“) stehen bleiben. Aus diesen treiben die Pflanzen dann wieder neu aus.
Diese traditionelle Pflegemethode dient dazu, vergreiste und lückige Hecken zu verjüngen. Durch den Rückschnitt werden sie wieder dichter und vitaler. Auch für Vögel und andere Tiere werden sie so langfristig als Lebensraum attraktiver.
Allerdings stellt das „Auf-den-Stock-Setzen“ einen massiven Eingriff dar. Deshalb wird es im Bundesnaturschutzgesetz reguliert. Laut § 39 Abs. 5 BNatSchG ist es verboten, in der Zeit vom 1. März bis 30. September Hecken, Gebüsche und andere Gehölze abzuschneiden oder auf den Stock zu setzen. Damit sollen vor allem brütende Vögel und andere Tiere in dieser Zeit geschützt werden.
Erlaubt sind in diesem Zeitraum nur schonende Form- und Pflegeschnitte. Ein komplettes „Auf-den-Stock-Setzen“ darf nur außerhalb der Schonzeit, also zwischen Oktober und Februar erfolgen. Auch dann sollte es nicht großflächig, sondern abschnittsweise durchgeführt werden, um den Tieren Rückzugsräume zu erhalten.
Bei Verstößen gegen das Verbot drohen Bußgelder. Ausnahmen sind nur in besonderen Fällen und nach behördlicher Genehmigung möglich, etwa wenn von einem Baum Gefahren ausgehen.
Insgesamt dient die gesetzliche Regelung also dazu, einen Ausgleich zwischen notwendiger Heckenpflege und dem Schutz der Tierwelt zu finden. Das „Auf-den-Stock-Setzen“ wird als besonders schwerwiegender Eingriff zeitlich begrenzt, um Beeinträchtigungen von Lebensstätten zu minimieren.
Wie werden Ordnungswidrigkeiten im Bereich Naturschutz geahndet?
Ordnungswidrigkeiten im Bereich Naturschutz werden in Deutschland je nach Schwere des Verstoßes mit Verwarnungen oder Bußgeldern geahndet.
Rechtsgrundlage dafür sind die Bußgeldvorschriften in § 69 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) sowie ergänzende Regelungen in den Naturschutzgesetzen der Länder. Die Höhe der Geldbußen richtet sich nach bundesweit einheitlichen Bußgeldkatalogen.
Für einfache Verstöße, die als geringfügig eingestuft werden, kann die Behörde eine Verwarnung mit oder ohne Verwarnungsgeld aussprechen. In der Regel werden aber Bußgelder verhängt. Diese reichen bei leichten Fällen von 25 bis einige hundert Euro, etwa für das verbotswidrige Betreten von Schutzgebieten.
Schwerwiegendere Ordnungswidrigkeiten wie die unerlaubte Errichtung von Gebäuden in Naturschutzgebieten oder die Zerstörung geschützter Biotope können mit Bußgeldern von mehreren tausend bis zu 50.000 Euro geahndet werden. Maßgeblich sind dabei Faktoren wie das Ausmaß der Beeinträchtigung und das Verschulden des Täters.
Neben dem Bußgeld ordnet die Behörde meist auch Maßnahmen zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands an, z.B. die Beseitigung illegal errichteter Anlagen. Bei besonders schweren oder wiederholten Verstößen drohen zudem strafrechtliche Konsequenzen nach § 71 BNatSchG wie Freiheitsstrafen.
Insgesamt sollen die Bußgelder potenzielle Täter abschrecken und die Bedeutung des Naturschutzes unterstreichen. Gleichzeitig wird durch die Abstufung der Geldbußen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.
Welche Rolle spielt die eigenverantwortliche Nachpflanzung bei Verstößen gegen Naturschutzgesetze?
Die eigenverantwortliche Nachpflanzung spielt bei Verstößen gegen Naturschutzgesetze eine wichtige Rolle als Wiedergutmachung und Ausgleich für entstandene ökologische Schäden.
Wenn jemand unerlaubt Bäume fällt oder beschädigt, kann die zuständige Behörde neben einem Bußgeld auch eine Ersatzpflanzung anordnen. Der Verursacher muss dann auf eigene Kosten eine bestimmte Anzahl von Bäumen nachpflanzen, um den Verlust auszugleichen. Die Anzahl richtet sich dabei nach der ökologischen Bedeutung der entfernten Bäume für den Naturhaushalt.
Durch die Nachpflanzung soll der ursprüngliche Zustand so weit wie möglich wiederhergestellt werden. Sie dient dazu, wichtige Funktionen des Baumbestands wie Lebensraum für Tiere, Klimaschutz und Bodenschutz zu erhalten. Ohne diese Maßnahme bliebe ein ökologisches Defizit bestehen.
Die eigenverantwortliche Durchführung der Ersatzpflanzung kann sich positiv auf das weitere Verfahren auswirken. Sie zeigt, dass der Verursacher Einsicht zeigt und bemüht ist, den Schaden wiedergutzumachen. Das kann zu einer milderen Bewertung durch Behörden und Gerichte führen.
Kommt der Betroffene der Pflicht zur Nachpflanzung nicht nach, drohen zusätzliche Sanktionen wie Zwangsgelder. Dann kann die Behörde die Ersatzpflanzung auch im Wege der Ersatzvornahme selbst durchführen und die Kosten vom Verursacher einfordern.
Insgesamt hat die Nachpflanzung also eine doppelte Funktion: Ökologisch soll sie die Naturschäden ausgleichen, rechtlich kann sie strafmildernd wirken. Sie gibt dem Verursacher die Möglichkeit, selbst Verantwortung zu übernehmen und durch aktives Handeln zur Schadensbehebung beizutragen.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 23 Abs. 2 BNatSchG: Regelt das Verbot von Handlungen, die zu einer Beeinträchtigung von Naturschutzgebieten führen können. Dies ist relevant, da der Fall das unerlaubte Entfernen von Bäumen aus einem Naturschutzgebiet betrifft.
- § 69 Abs. 7 BNatSchG: Bestimmt die Straf- und Bußgeldvorschriften bei Verstößen gegen das BNatSchG. Der Paragraph ist wichtig, um die rechtlichen Konsequenzen für die Tat des Landwirts zu verstehen.
- § 26 Abs. 3, § 80 Abs. 1 Nr. 2 NatSchG Baden-Württemberg: Diese Vorschriften spezifizieren die landesrechtlichen Regelungen zum Naturschutz und die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten. Sie sind zentral, da der Fall in Baden-Württemberg stattfand.
- § 4 Abs. 1, 2 Nr. 7, § 8 Verordnung des Regierungspräsidiums Stuttgart über das Naturschutzgebiet „Weidach- und Zettachwald“: Legen spezifische Verhaltensregeln für das genannte Naturschutzgebiet fest und definieren Ordnungswidrigkeiten. Diese Regelungen sind direkt auf den vorliegenden Fall anwendbar.
- § 39 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG: Besagt, dass das Abschneiden oder Auf-den-Stock-Setzen von Bäumen in der Zeit vom 1. März bis 30. September verboten ist. Dieser Paragraph ist relevant, um die Handlungen des Landwirts rechtlich einzuordnen.
- Artikel 103 Abs. 2 GG: Stellt den Grundsatz der Gesetzesklarheit und das Verbot der Analogie im Strafrecht dar, was bedeutet, dass nur bestraft werden kann, was gesetzlich als Straftat definiert ist. Dies ist bedeutend für die Auslegung der Tatbestandsmäßigkeit der Handlung des Landwirts.
Das vorliegende Urteil
OLG Stuttgart – Az.: 4 Ss 569/14 – Beschluss vom 11.12.2014
1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 14. Mai 2014 wie folgt a b g e ä n d e r t:
„Der Betroffene wird wegen einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit des Entnehmens und Zerstörens von Pflanzen aus einem Naturschutzgebiet zu der Geldbuße von 1.500 € verurteilt.
Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens.“
Die Liste der angewandten Vorschriften wird wie folgt neu gefasst:
„§ 23 Abs. 2, § 69 Abs. 7 BNatSchG, § 26 Abs. 3, § 80 Abs. 1 Nr. 2 NatSchG Baden-Württemberg, § 4 Abs. 1, 2 Nr. 7, § 8 Verordnung des Regierungspräsidiums Stuttgart über das Naturschutzgebiet „Weidach- und Zettachwald“ vom 30. November 1990“
2. Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil als unbegründet v e r w o r f e n
3. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Stuttgart verurteilte den Betroffenen „wegen einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit des Entfernens von Obstbäumen entgegen § 4 Abs. 1, 2 Nr. 7 und 9 der Naturschutzgebietsverordnung „Weidach- und Zettachwald“ auf geschützten Streuobstwiesen in Tateinheit mit vorsätzlicher Entfernung von Bäumen innerhalb des Zeitraums 1.3. – 30.09. entgegen § 39 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG“. Es verhängte eine Geldbuße von 1.900 €.
Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und greift mit der Sachrüge insbesondere die Beweiswürdigung des Amtsgerichts an. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Urteil unter Aufrechterhaltung der Feststellung aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsfolgen an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Stuttgart zurückzuverweisen.
Der Einzelrichter hat die Sache zur Fortbildung des Rechts auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (§ 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG).
II.
1.
Hinsichtlich der vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen ist die Rechtsbeschwerde aus den von der Generalstaatsanwaltschaft dargelegten Erwägungen unbegründet im Sinne der § 79 Abs. 3 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Begründung der Rechtsbeschwerde hat insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben. Die Rechtsbeschwerde unternimmt lediglich den unbehelflichen Versuch, die eigene Beweiswürdigung an Stelle der rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung des Amtsgerichts zu setzten, was im Rechtsbeschwerdeverfahren keinen Erfolg haben kann.
2.
Hingegen erweisen sich die rechtliche Würdigung und die Begründung des Rechtsfolgenausspruchs durch das Amtsgerichts als rechtsfehlerhaft. Da der Senat angesichts der umfänglichen und rechtsfehlerfreien Beweisaufnahme und -würdigung ausschließen kann, dass bei einer Zurückverweisung weitere Feststellungen getroffen werden könnten, würdigt er den rechtsfehlerfrei festgestellten Sachverhalt (a) wie im Tenor geschehen selbst (b) und kann angesichts ausreichender Feststellungen gemäß § 79 Abs. 6 OWiG auch selbst die angemessene Rechtsfolge festsetzten (Göhler, OWiG, 16. Auflage, § 79 Rn. 45 bis 45e) (c).
a)
Das Amtsgericht hat rechtsfehlerfrei folgenden Sachverhalt festgestellt:
Der Betroffene ist Landwirt. In der Nacht vom 31. März auf den 1. April 2010 gegen ca. 22:00 Uhr entfernte er auf insgesamt acht verschiedenen, mit Flurstücknummern näher bezeichneten Grundstücken auf Streuobstwiesenflächen in drei näher bezeichneten Gewannen in Stuttgart insgesamt 13 Bäume (Obstbaumhochstämme) dergestalt, dass er jeweils mit seinem Traktor diese mittels der Traktorschaufel „umdrückte“, so dass die Bäume mitsamt Wurzeln aus ihrer Verankerung gerissen wurden. Er transportierte sie dann ab, brachte sie zu einem Verladeplatz und verwertete das Holz teilweise für sich selbst. Die im Urteil festgestellten Grundstücke liegen alle im Naturschutzgebiet „Weidach- und Zettachwald“. Dem Betroffenen war bei seinem Tun bekannt, dass eine Gestattung oder Befreiung der Naturschutzbehörde für die Baumbeseitigung nicht vorlag. Ihm war auch bekannt, dass er für die Beseitigung der Bäume eine solche Gestattung oder Befreiung bedurft hätte. Ihm war bewusst, dass es sich bei den Örtlichkeiten, wo die Bäume standen, um ein Naturschutzgebiet handelte. Eine Befreiung von dem Fällverbot hatte er nicht beantragt, da er von Kollegen wusste, dass es sehr lang daure, bis über eine solche Befreiung entschieden werde.
b)
Dieser Sachverhalt trägt nur eine Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 NatSchG Baden-Württemberg i. V. m. § 4 Abs. 1, 2 Nr. 7, § 8 der Verordnung des Regierungspräsidiums Stuttgart über das Naturschutzgebiet „Weidach- und Zettachwald“ vom 29. Januar 1991 (bekannt gemacht im Gesetzblatt für Baden-Württemberg 1991, S. 22; im Folgenden: VO), nicht jedoch wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 69 Abs. 3 Nr. 13, § 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG.
aa) (1) Die vom Betroffenen entfernten Obstbäume standen alle auf Parzellen, die innerhalb des in § 2 VO anhand der einzelnen Flurstücknummern abgegrenzten Naturschutzgebietes „Weidach- und Zettachwald“ liegen. Nach § 4 Abs. 1 VO sind dort Handlungen verboten, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Schutzgebietes oder seiner Bestandteile führen können. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 7 VO ist es insbesondere verboten, Pflanzen oder Pflanzenteile zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Ordnungswidrig handelt nach § 8 VO, wer in dem Naturschutzgebiet vorsätzlich oder fahrlässig eine der nach § 4 in Verbindung mit § 5 VO verbotenen Handlungen vornimmt. Dies hat der Betroffenen mit dem festgestellten „Umdrücken“ und Abtransportieren der 13 Bäume getan.
Der Betroffene kann sich auch nicht darauf berufen, dass nach § 5 Nr. 2 VO die Verbote des § 4 VO für ihn als Landwirt nicht gelten. Zwar mag er möglicherweise – auch wenn das Urteil sich hierzu nicht verhält – die Entfernung der Bäume „im Rahmen einer ordnungsmäßigen landwirtschaftlichen Nutzung in der bisherigen Art und in bisherigem Umfang“ (s. § 5 Nr. 2 VO) vorgenommen haben. Eine Ausnahme vom Verbot würde jedoch nur dann greifen, wenn er die abgängigen Obstbäume innerhalb eines Jahres durch hochstämmige Obstbäume ersetzt hätte. Dies ist ausweislich der ausdrücklichen Feststellungen bisher nicht geschehen. Der Betroffene hat Derartiges lediglich vor der Hauptverhandlung angekündigt.
(2) Hingegen hat der Betroffene nicht ordnungswidrig nach § 8 VO i. V. m. § 4 Abs. 2 Nr. 9 gehandelt. Danach ist es verboten, die Art der bisherigen Grundstücksnutzung zu ändern, mit Ausnahme der Umwandlung von Äckern in Grünland. Weder ist im Urteil festgestellt, dass der Betroffene die Grundstücksnutzung änderte, noch dass er dies vorgehabt oder in Kauf genommen hätte. Beim Entfernen von 13 Exemplaren einzelner Bäume von Streuobstwiesen auf acht Flurstücken, die dazu noch in drei verschiedenen Gewannen liegen, ist angesichts des durch lockere Bepflanzung mit Obstbäumen geprägten und charakterisierten Naturraums „Streuobstwiese“ – zumindest ohne weitere Feststellungen – nicht die Art der bisherigen Grundstücksnutzung geändert. „Grundstücksnutzung“ meint mehr als das Verändern der Stellen des jeweiligen Pflanz-/Wurzelbereichs des einzelnen Baumes und des Schaffens von Baumlöchern, auf denen dann auf Grund des Tuns des Betroffenen möglicherweise zukünftig nur noch Wiese wächst. Die Nutzung der Grundstücke als Streuobstwiese ist dadurch noch nicht im Rechtssinne geändert, da Streuobstwiesen ohnehin durch einen hohen Anteil Wiesenfläche geprägt sind und, da die Bäume locker stehen, die Flächen in der Regel traditionell zugleich als Grünland – entweder als Mähwiese zur Heugewinnung oder direkt als Viehweide – dienten. Der Senat geht sicher davon aus, dass diesbezüglich keine ergänzenden Feststellungen mehr getroffen werden können. Der entsprechende Ausspruch im Tenor durch die Nennung von § 4 Abs. 2 Nr. 9 VO hat daher zu entfallen.
bb) Das festgestellte Tun des Betroffenen unterfällt nicht dem Bußgeldtatbestand des § 69 Abs. 3 Nr. 13 i. V. m. § 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG.
§ 69 Abs. 3 Nr. 13 BNatSchG sanktioniert denjenigen, der entgegen § 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG – somit in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September – „einen Baum abschneidet oder auf den Stock setzt“. Das vollständige Entfernen eines Baumes aus dem Erdreich mitsamt den Wurzeln – wie es hier festgestellt ist – ist von § 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG und § 69 Abs. 3 Nr. 13 BNatSchG nicht umfasst; es ist weder ein „Abschneiden“ noch ein „auf den Stock Setzen“. Unter das Verbot des § 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG fällt das vollständige Beseitigen der in der Vorschrift aufgeführten Landschaftselemente nicht (Egner/Fuchs, Naturschutz- und Wasserrecht 2009, § 39 BNatSchG Rn. 18; Stöckel/Müller-Walter in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, ErgLfg Januar 2013, § 39 BNatSchG Rn. 26; Lorz/Konrad/Mühlbauer/Müller-Walter/Stöckel, Naturschutzrecht, 3. Auflage, § 39 Rn. 26; aA Gellermann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 61. EL, § 39 BNatSchG, Rn. 23; aA wohl auch OVG Berlin-Brandenburg, BauR 2014, 1354; Kratsch in Schumacher/Fischer-Hüftle, Bundesnaturschutzgesetz, 2. Auflage, § 39 Rn. 28).
(1) Der strenge Gesetzesvorbehalt des Artikel 103 Abs. 2 GG verbietet es der rechtssprechenden Gewalt, Tatbestände im Wege richterlicher Rechtsfortbildung etwa durch die Bildung von Analogien oder die Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen zu begründen oder zu verschärfen (BGH, Beschluss vom 11. September 2014 – 4 ARs 12/14 -, juris unter Bezugnahme u. a. auf BVerfGE 71, 108 ff.). Die Auslegung eines Gesetztes findet ihre Grenze in dem – aus Sicht des Bürgers – noch möglichen Wortsinn (Göhler, OWiG, 15. Auflage, § 3 Rn. 6; Fischer, StGB, 61. Auflage, § 1 Rn. 24, jeweils m. w. N.). Soweit auf den Willen des Gesetzgebers abgestellt werden soll, muss dieser im Gesetz einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden haben. Artikel 103 Abs. 2 GG enthält die Verpflichtung des Gesetzgebers, die Voraussetzungen eines Bußgeldtatbestandes so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich sowie Rechtsfolgen eines Verstoßes zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen (BVerfGE 47, 109 ff.). Diese Verpflichtung dient einem doppelten Zweck, einerseits dem rechtsstaatlichen Schutz des Normadressaten: Jedermann soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe oder der Auferlegung eines Bußgeldes bedroht ist. Im Zusammenhang damit soll andererseits sichergestellt werden, dass der Gesetzgeber über die Strafbarkeit oder die Bußgeldvoraussetzungen entscheidet. Insoweit enthält Artikel 103 Abs. 2 GG einen strengen Gesetzesvorbehalt, der es der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt verwehrt, über die Voraussetzungen einer Bestrafung oder der Auferlegung eines Bußgeldes selbst zu entscheiden (BVerfGE 71, 108 ff.). Gegenstand der Auslegung gesetzlicher Bestimmungen kann immer nur der Gesetzestext sein. Der mögliche Wortsinn des Gesetzes markiert die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation. Dieser Wortsinn ist aus der Sicht des Bürgers zu bestimmen (BVerfG, aaO).
(2) Das vollständige Entfernen eines Baumes aus dem Erdreich mitsamt den Wurzeln durch „Umdrücken“ mit Hilfe einer Maschine als „abschneiden“ zu bezeichnen, widerspricht bereits dem allgemeinen Wortsinn. „Schneiden“ bedeutet mit einem Messer, einem anderen Schneidewerkzeug oder etwas ähnlich Scharfem durch einen oder mehrere Schnitte „zerteilen“, „zerkleinern“ oder „zerlegen“, von etwas „abtrennen“, „ablösen“ bzw. „kürzen“ und so in eine bestimmte Form bringen, wie bei „beschneiden“ und „stutzen“ (vgl. Duden Das Bedeutungswörterbuch, 3. Auflage; Brockhaus Wahrig Deutsches Wörterbuch, 1980). „Abschneiden“ bedeutet durch Schneiden etwas abtrennen oder entfernen (Brockhaus Wahrig Deutsches Wörterbuch, 1980) bzw. kürzer schneiden, durch Schneiden von etwas trennen, bis zum Ansatzpunkt wegschneiden, entfernen, beseitigen (vgl. Duden Das Bedeutungswörterbuch, 3. Auflage; Duden Deutsches Universalwörterbuch, 7. Auflage). Als Synonyme zu „abschneiden“ können u. a. verwendet werden „absägen“, „abspalten“, „abtrennen“, „abmachen“, „herunterschneiden“, „abrasieren“, „abscheren“, „beschneiden“, „kürzen“, „wegschneiden“, „stutzen“ oder „kupieren“ (vgl. Duden Das Synonymwörterbuch, 5. Auflage). Alle mit diesen Synonymen beschriebenen Tätigkeiten entsprechen nicht der hier festgestellten Handlung. Für diese hat die deutsche Sprache treffendere und präzisere Begriffe wie z. B. „roden“, „entfernen“, „beseitigen“ „ausreißen“ oder „herausreißen“. So wird das Entfernen einer Pflanze mit den Wurzelstöcken im Sinne einer endgültigen Beseitigung als „roden“ bezeichnet (OLG Karlsruhe, NVwZ-RR 2003, 109 unter Hinweis auf BVerwGE 114, 226 ff., dort: „Ausreißen samt Hauptwurzel“).
(3) Auch im Kontext der gärtnerischen Behandlung von Pflanzen bedeutet „abschneiden“ das Entfernen der Pflanze bis zum Ansatzpunkt; „abschneiden“ ist dabei ein Terminus, der sich auf Gebüsche und Hecken bezieht und weniger auf Bäume, die auch nach diesem Sprachgebrauch „gefällt“ werden (Egner/Fuchs, aaO, Rn. 17; Frenz/Müggenborg; BNatSchG, 2011, § 69 Rn. 33). Auch das in § 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG alternativ erwähnte „auf den Stock Setzen“ bedeutet abschneiden bis zum Ansatzpunkt und zwar in einer solchen Weise, die dazu bestimmt und geeignet ist, einen verstärkten Neuaustrieb der Pflanze anzuregen (Egner/Fuchs, aaO).
(4) Es gibt dazuhin keinen Anhaltspunkt, dass der Gesetzgeber die Bezeichnung „abschneiden“ in einem weiter gefassten, über den normalsprachlichen Gebrauch hinausgehenden Sinn verwendet wissen wollte. Vielmehr spricht er im Entwurf zum Bundesnaturschutzgesetz in den Erläuterungen zu § 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 (BR-Drucks. 278/09, S. 212; BT-Drucks. 16/12274, S. 67) ebenfalls nur von einem „Schneideverbot“, welches dem allgemeinen Schutz aller Arten, die auf die genannten Gehölze angewiesen sind, dient. Hinweise, dass er das Wort „abschneiden“ in einem den Wortsinn deutlich verändernden und ausdehnenden Umfang gebraucht hat, finden sich darin nicht. Der Gesetzgeber verwendet vielmehr im Gegenteil in derselben Vorschrift (§ 69 BNatSchG) an anderen Stellen abweichende Begrifflichkeiten, die andersartige Tätigkeiten verbieten, und zeigt so, dass er „abschneiden“ nicht als Oberbegriff verstanden hat. So finden sich in § 69 Abs. 2 BNatSchG die Begriffe „aus der Natur entnimmt“, „beschädigt“ oder „zerstört“. Aus § 69 Abs. 3 Nr. 14 BNatSchG kann gefolgert werden, dass der Gesetzgeber um sogar eine möglichst präzise Benennung der verschiedenen (verbotenen) Tätigkeiten bemüht war, wenn er dort das Wort „zurückschneiden“ statt in Nr. 13 „abschneiden“ verwendet.
(5) Dass der Gesetzgeber auch im Bereich des Naturschutzrechts dem Bestimmtheitsgebot genügende Begrifflichkeiten verwenden kann, zeigt darüber hinaus der Vergleich mit den durch die Inanspruchnahme der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich des Artenschutzrechts unwirksam gewordenen früheren landesrechtlichen Regelungen. Gleichartige Regelungen der Bundesländer sollten durch das neue Bundesnaturschutzgesetz in eine nun einheitliche Bundesregelung überführt werden (BR-Drucks. 278/09, S. 125), ohne dass der Bundesgesetzgeber dabei jedoch die in den Ländergesetzen verwendeten etablierten Begrifflichkeiten übernommen hat. So verwendet das Naturschutzgesetz Baden-Württemberg in § 80 Abs. 2 Nr. 8 bzw. § 43 Abs. 2 die Begriffe „roden, abschneiden oder auf andere Weise zerstören“. § 43 Abs. 2 NatSchG Baden-Württemberg kennt auch das „Fällen“ von Bäumen. Auch die Vorgängervorschrift (Naturschutzgesetz Baden-Württemberg v. 21.10.1975) verbot in § 29 Abs. 3 Nr. 1 „zu roden“ und „abzuschneiden“ und zeigte so durch diese gleichwertige Aufzählung, dass in den bisherigen Regelungen unterschiedliche tatsächliche Handlungen auch mit diesen unterschiedlichen Worten erfasst wurden und somit „abschneiden“ auch im Naturschutzrecht nicht als Oberbegriff für „roden“, „fällen“ oder „entfernen“ zu verstehen ist. Auch andere Bundesländer kannten in ihren Naturschutzgesetzen (s. Übersicht bei Lütkes/Ewer, BNatschG, 2011, § 39 Rn. 10) diese präzisere und differenziertere Terminologie (z. B. § 29 Abs. 1 Nr. 5 Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege von Berlin in der Fassung vom 3. November 2008: „fällen, roden, auf andere Weise zu beseitigen“; § 48 Abs. 1 Nr. 5 Naturschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vom 23. Juli 2004: „Bäume zu fällen“ und in Nr. 6: „zu roden, abzuschneiden oder zu zerstören“; § 25 Abs. 1 Nr. 5 Sächsisches Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Oktober 1994: „Bäume abzuschneiden, zu roden oder auf sonstige Weise zu zerstören“; § 32 Abs. 3 Nr. 2 Naturschutzgesetz des Saarlandes in der Fassung vom 21.11.2007: „Bäume … zu fällen, zu roden, ab- oder zurückzuschneiden oder auf sonstige Weise zu beseitigen“).
(6) Der Schutzzweck der Vorschrift – Schutz der Vegetation während der Vegetationsperiode zum Erhalt von Lebensstätten von Tieren – ist damit im Ergebnis nur unzureichend erfüllt (Egner/Fuchs, aaO; Stöckel/Müller-Walter in Erbs/Kohlhaas, aaO). Dies führt jedoch nicht zu einer erweiternden, analogen Auslegung des „Abschneidens“. Der Gesetzgeber hat zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er ein bestimmtes Rechtsgut, dessen Schutz ihm wesentlich (und notwendig) erscheint, gerade mit den Mitteln des Ordnungswidrigkeitenrechts verteidigen will (BVerfG, aaO). Den Gerichten ist es verwehrt, seine Entscheidung zu korrigieren. Führt erst eine über den erkennbaren Wortsinn der Vorschrift hinausgehende „Interpretation“ zu dem Ergebnis der Ordnungswidrigkeit eines Verhaltens, so darf dies nicht zu Lasten des Bürgers gehen. Die Gerichte müssen daher in Fällen, die vom Wortlaut einer Straf- oder Ordnungswidrigkeitennorm nicht mehr erfasst sind, zum Freispruch gelangen. Dies gilt auch dann, wenn als Folge der wegen des Bestimmtheitsgebots möglichst konkret abzugrenzenden Bußgeldnorm besonders gelagerte Einzelfälle aus dem Anwendungsbereich eines Bußgeldgesetzes herausfallen, mag auch das Verhalten in ähnlicher Weise sanktionierungswürdig erscheinen. Insoweit muss sich der Gesetzgeber beim Wort nehmen lassen. Es ist seine Sache zu entscheiden, ob er die sich aus einer möglichen Lücke ergebende Lage bestehen lassen oder eine neue Regelung schaffen will. Den Gerichten jedenfalls ist es durch Art. 103 Abs. 2 GG verboten, dieser Entscheidung vorzugreifen (BVerfG, aaO). Gleichwohl bedurfte es hier keines (Teil)Freispruchs, da das Handeln – wie oben ausgeführt – nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 NatSchG Baden-Württemberg i. V. m. § 4 Abs. 1, 2 Nr. 7, § 8 VO ordnungswidrig war.
cc) Das Entfernen der Bäume innerhalb des Zeitraums 1. März bis zum 30. September kann auch nicht (mehr) über § 80 Abs. 2 Nr. 8 NatSchG Baden-Württemberg sanktioniert werden. Seit Inkrafttreten des Bundesnaturschutzgesetzes vom 29. Juli 2009 finden die früheren landesrechtlichen Regelungen keine Anwendung mehr. Im Rahmen der Föderalismusreform hat der Bund durch Artikel 74 Abs. 1 Nr. 29 GG die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis auf dem Gebiet des Naturschutzes und der Landschaftspflege erhalten. Das Bundesnaturschutzgesetzes vom 29. Juli 2009, das am 1. März 2010 in Kraft getreten ist, hat dazu geführt, dass das frühere Landesrecht insoweit teilweise unwirksam geworden ist. Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder nach Artikel 72 Abs. 1 GG Befugnis zur Gesetzgebung (nur) solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch macht. Der Erlass des neuen Bundesnaturschutzgesetzes hatte daher zur Folge, dass landesrechtliche Normen, die denselben Sachbereich regeln, wegen der Sperrwirkung des konkurrierenden Bundesrechts und des damit verbundenen Wegfalls der Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers unzulässig und nichtig werden (s. Bayerischer Verfassungsgerichtshof, NUR 2011, 133 ff. mwN). Der Bundesgesetzgeber hat ausdrücklich die Regelungen in Kapitel 5 des Bundesnaturschutzgesetzes, zu denen § 39 BNatSchG gehört, als abweichungsfesten Bereich angesehen, da in ihm der Artenschutz (s. Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GG) geregelt ist (BR-Drucks. 278/09, S. 125).
dd) Für weitere Ordnungswidrigkeitentatbestände aus dem BNatschG (z.B. § 69 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG) fehlt es an ausreichenden Feststellungen. Solche sind angesichts des Zeitablaufs auch nicht mehr zu erwarten.
c)
Der Rechtsfolgenausspruch kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil das Amtsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt folgerichtig – das tateinheitliche Zusammentreffen zweier Bußgeldtatbestände zu Lasten des Betroffenen gewertet hat. Die Begründung des Rechtsfolgenausspruchs begegnet aber auch im Übrigen rechtlichen Bedenken.
aa) Nach § 17 Abs. 3 OWiG ist Grundlage für die Zumessung der Geldbuße die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft; auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters kommen in Betracht. Damit hat Ausgangpunkt für die Bemessung der Geldbuße zu sein, welche Bedeutung das ordnungswidrige Tun des Betroffenen, hier der Eingriff in ein Naturschutzgebiet, für das durch die Vorschrift geschützte Rechtsgut hat. Dabei verbietet sich jede schematische Betrachtung und Berechnung allein anhand der Anzahl entfernter Bäume. Die Ausführungen des Tatrichters lassen allerdings befürchten, dass gerade ein derartiger Schematismus hier den Blick für eine Gesamtabwägung verstellt haben könnte.
bb) Da die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen zur Zumessung der Geldbuße nach § 17 OWiG allerdings ausreichend sind, kann der Senat gem. § 79 Abs. 6 OWiG selbst in der Sache entscheiden und die Geldbuße neu zuerkennen.
§ 80 Abs. 3 NatSchG BW sieht eine Höchstgeldbuße von bis zu 50.000 € vor. Entscheidend für die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit ist das Gesamtgewicht des Eingriffs des Betroffenen im Schutzkontext des Naturschutzgebiets. Auch wenn das Amtsgericht – wegen unzureichend genauer Beschreibung dessen, auf das Bezug genommen werden soll – nicht wirksam nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i. V. m. § 46 OWiG auf die Lichtbilder und Pläne verwiesen hat, lässt sich anhand der übrigen Feststellungen und des aus öffentlich zugänglichen Quellen Ersichtlichen Umfang und Bedeutung der Ordnungswidrigkeit zureichend dem Urteil entnehmen. Der Senat kann angesichts der festgestellten Anzahl entfernter Bäume und der konkret benannten Gewanne und Flurstücknummern im Verhältnis zur Gesamtausdehnung des Naturschutzgebiets selbst die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit beurteilen. Das Naturschutzgebiet „Weidach- und Zettachwald“ liegt mitten im dicht besiedelten Großraum Stuttgart in direkter Nähe zur Messe, zum Flughafen und zu einer Bundesautobahn und einer Bundesstraße und ist daher besonders schutzbedürftig und eingriffsanfällig. Die entfernten Bäume waren insgesamt weder auffällig morsch noch krank. Sie waren vielmehr alle in der Lage, noch Knospen auszutreiben. Der Betroffene bewirtschaftet als Landwirt sämtliche betroffenen Grundstücke. Es war weiter positiv zu berücksichtigen, dass der Betroffene seine Täterschaft von Anfang an eingeräumt hat, obwohl er von keinem der Zeugen unmittelbar identifiziert wurde. Für ihn spricht auch, dass er vor der Hauptverhandlung sich dazu bereit erklärt hat, Nachpflanzungen vorzunehmen. Die lange zurückliegende Tatzeit hat der Senat ebenfalls zu seinen Gunsten berücksichtigt. Bei Würdigung all dieser Umstände erachtet der Senat eine Geldbuße von 1.500 € nach der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und dem Vorwurf, der den Betroffenen trifft, auch angesichts seiner wirtschaftlichen Verhältnisse für angemessen.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO i. V. m. § 46 OWiG. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hatte nur einen geringen Teilerfolg. Angesichts der Ausführung in der Rechtsbeschwerdebegründung ist auch nicht anzunehmen, dass die Einlegung des Rechtsmittels unterblieben wäre, wenn schon das Urteil des Amtsgerichts so wie das des Rechtsbeschwerdegerichts gelautet hätte (s. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Auflage, § 473 Rn. 26; Göhler, aaO, vor § 105 Rn. 128a).